Immobilienwirtschaft 3/2018 - page 20

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INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
TITELTHEMA
eines zum Verkauf stehenden Bürogebäudes beteiligen wollte.
Der deutsche Eigentümer verlangte von ihm, eine Software für
rund 40.000 Euro zu erwerben, umEinblick in den elektronischen
Datenraum zu bekommen. „Die Amerikaner haben dankend ab-
gewunken“, sagt der gif-Vorstand. „Der hiesige Anbieter hat nicht
verstanden, dass es bei der Digitalisierung vor allem um einen
schnellen, kostenlosen Datenaustausch geht.“
In den USA sei die Branche längst viel weiter, sagt Beyerle.
„Dort haben sich die Marktakteure längst auf einheitliche Stan-
dards für die elektronische Datenaufbereitung geeinigt.“ Stehe
eine Liegenschaft zumVerkauf, könnten alle Interessenten sofort
auf die virtuell aufbereiteten Informationen zugreifen und schnell
entscheiden, ob das Objekt für sie in Frage komme – und falls ja,
bis zu welchem Preis sie bieten wollten. In welch geringem Um-
fang deutsche Immobilienakteure bislang ihre Daten digitalisiert
haben, zeigen die Absatzzahlen der Produktanbieter. Architrave,
vor fünf Jahren gegründet, hat erst 2017 beim Umsatz die Mar-
ke von zwei Millionen Euro erreicht. Die Partnerschaft mit der
Volksbanken-Fondsschmiede soll nun zu mehr Geschäft verhel-
fen. „Mit Union Investment werden wir unserenWachstumskurs
beschleunigen und durch die gemeinsame Weiterentwicklung
unseres Produkts einen echtenMehrwert für die gesamte Branche
schaffen“, hofft Gründer und CEO Maurice Grassau.
Die Immobilienfinanzierer stehen bei der Digitalisierung
zusätzlich unter Druck durch die verschärften Auflagen von
Bankenaufsicht und den Basel-III-Vorschriften des Basler Aus-
schusses der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich. Höhere
Eigenkapitalunterlegungen bei ausgereichten Darlehen sollen
Trotz der Digitalisierung wird
die Immobilienfinanzierung
am Ende „People‘s Business“
bleiben, sagt Gero Bergmann,
Vorstand der Berlin Hyp.
Banken würden durch die
Automatisierung mehr Zeit für
ihre Kunden gewinnen.
Herr Bergmann, die Berlin Hyp
ist bei der Crowdinvesting-
Plattform Brickvest einge-
stiegen. Fürchten Sie um
die Zukunft der klassischen
Immobilienfinanzierung,
werden in wenigen Jahren Pro-
jektentwickler und Investoren
ihre Darlehenswünsche nur
noch auf Plattformen stellen
und Banken zusammen mit
anderen Finanzierern Gebote
einreichen?
Nein, dieses Szenario
sehe ich nicht. Im Gegenteil: Die
Immobilienfinanzierung wird
immer ein „People‘s Business“
bleiben, mit einem engen
gegenseitigen Kontakt zwischen
Bank und Kunden. Die Digitalisie-
rung wird diese Kontakte künftig
noch enger machen, indem sie
durch die Automatisierung die
Effizienz im Finanzierungsgeschäft
steigert. Sie erlaubt uns, die von
den Kunden herangetragenen
Daten schneller aufzunehmen
und zu verarbeiten, um promp-
ter passende Kreditlösungen zur
Verfügung zu stellen. Im Endeffekt
schenkt uns die Digitalisierung Zeit
für unsere Kunden.
Warum dann der Einstieg bei
Brickvest?
Wir unterscheiden die
Digitalisierung nach innen und die
Digitalisierung nach außen. Im In-
neren geht es darum, die Betriebs-
abläufe zur Entwicklung maßge-
schneiderter Finanzierungen zu
automatisieren und zu beschleu-
nigen. Ziel der Digitalisierung
nach außen ist es, Neugeschäft zu
generieren. Brickvest passt da gut
in unsere Strategie. Sie ist nicht
nur eine führende Online-Plattform
für gewerbliche Immobilien
investments, sondern zudem die
einzige Plattform in Europa, die
bislang von der Finanzaufsicht
reguliert ist. Durch die strategische
Beteiligung erhalten wir Zugang zu
einer schlüsselfertigen Technologie
mit hoher Skalierbarkeit. Zudem
werden wir über die Plattform
unsere Produktpalette um weitere
Finanzierungsangebote erweitern.
Ihr Haus hat eine interne „Digi-
tal Unit“ gebildet …
Wir haben
damit das Ohr am Markt, um neue
Trends in der Digitalisierung, wie
sie etwa aus den USA kommen,
schnell aufgreifen und umsetzen
zu können. Zwar bleibe ich dabei:
Die Finanzierung von Gewerbeim-
mobilien wird „People‘s Business“
bleiben. Gleichwohl wird die Digi-
talisierung im Immobilienkreditge-
schäft in den kommenden Jahren
eine immer größere Bedeutung
erlangen – und wir haben uns zum
Ziel gesetzt, dabei der modernste
und innovativste Immobilienfinan-
zierer zu werden.
Kritiker bemängeln, die
deutsche Immobilienwirtschaft
habe es bislang versäumt,
sich auf einen einheitlichen
Standard bei der Software zu
einigen. Die Wirtschaftsbe-
ratungsgesellschaft Roland
Berger kritisiert in einer Studie,
jeder Akteur würde seine
eigene Insellösung kreieren.
Die Immobilienwirtschaft und die
Immobilienfinanzierer stehen noch
am Einstieg in die Digitalisierung.
Es wird vieles ausprobiert. Einige
Fondsgesellschaften vernetzen
sich mit PropTechs. Wir haben
uns entschieden, uns entlang
unseres Kernbankensystems SAP
auszurichten. Die Herausforderung,
kompatibel zu sein, sich vernet-
zen zu können, trifft derzeit aber
besonders die Kundenseite.
Da stellt sich die Frage, wie
kompatibel die einzelnen
Systeme am Ende miteinander
sein werden. Was nützt die Di-
gitalisierung, wenn die Daten
nicht miteinander austauschbar
sind?
Das Immobilienfinanzie-
rungsgeschäft ist international.
Dass nun in einigen Ländern
nationale Standards entwickelt
werden, ist daher nicht die
Lösung. Ich denke aber, dass das
Kompatibilitäts-Problem lösbar ist.
Wir werden einen Stecker finden,
der für alle passt.
„Wir werden einen Stecker finden, der für alle passt“
INTERVIEW
MIT GERO BERGMANN
Gero Bergmann, 47, seit Januar 2011 Vorstandsmitglied der Berlin Hyp. Er verantwortet
die Dezernate Immobilienfinanzierung, Personal und Treasury. Der gelernte Jurist ist
zudem Mitglied im Executive Committee des Urban Land Institute (ULI).
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