IMMOBILIENWIRTSCHAFT 6/2017 - page 49

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6.2017
FAKTEN:
Der Eigentümer einer Gewerbefläche vermietete einen Großteil an den Betrei-
ber eines Supermarkts und einen kleinen Teil an einen Bäcker. In der Folgezeit stellte der
Betreiber des Lebensmittelmarkts den Betrieb ein. DerMieter des Backstandes kündigte.
Zwischen den Parteien ist streitig, ob das Mietverhältnis über die kleine Verkaufsfläche
durch die Kündigung beendet wurde. Eine fristlose Kündigung scheidet aus, weil weder
demMieter der vertragsgemäße Gebrauch derMietsache entzogenwurde noch die Fort-
setzung des Mietverhältnisses unzumutbar war. Die (wirtschaftliche) Unzumutbarkeit
ist allein kein Kündigungsgrund. Allerdings kommt eine Kündigung wegenWegfalls der
Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB in Betracht, da sich die Umstände, die zur Grund-
lage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben
und demMieter das Festhalten amunverändertenVertrag nicht zugemutet werden kann.
FAZIT:
Zwar sind Fälle denkbar, in denen ein Festhalten amVertrag über die kleine Fläche
bis zur Neuvermietung der großen Fläche dem Mieter zuzumuten ist. Dies setzt aber
voraus, dass für die Nachvermietung eine konkrete zeitliche Perspektive besteht.
Mietrecht
– Aktuelle Urteile
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BÄCKEREI: VERKAUFSSTAND
IN LEBENSMITTELMARKT
Kündigung wegen Wegfalls
der Geschäftsgrundlage
Zur Möglichkeit der fristlosen
Kündigung eines Mietvertrags
wegen nicht durch Vertragsan-
passung korrigierbarer Störungen
der Geschäftsgrundlage.
OLG Dresden, Beschluss v. 08.02.2017, 5 U 1669/16
FAKTEN:
Der Vermieter hat das Mietverhältnis gekündigt. Im Kündigungsschreiben
ist ausgeführt, er wolle die Wohnung mit einer anderen zusammenlegen. Die Mieter
beanstanden zum einen, das Kündigungsschreiben mache keine Ausführungen zur
Nutzbarkeit der neuen Räumlichkeiten. Auch leide ein Mieter (der Ehemann) unter
einer Vielzahl von gesundheitlichen Beschwerden. Für die formelle Wirksamkeit einer
Eigenbedarfskündigung genügt es, so der BGH, wenn das Kündigungsschreiben den
Kündigungsgrund so bezeichnet, dass er identifiziert und von anderen Gründen unter-
schiedenwerden kann. Das sei hier passiert. Der BGH rügt jedoch, das Berufungsgericht
habe es unterlassen, sich mittels eines Gutachtens ein objektives Bild davon zu verschaf-
fen, welche gesundheitlichen Folgen imEinzelnen für denMieter mit einemUmzug ver-
bunden sind. Deshalb wurde das Verfahren an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
FAZIT:
Der BGH weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass dem Gericht weite
Gestaltungsmöglichkeiten eingeräumt sind. Etwa könne eine Fortsetzung des Mietver-
hältnisses auch unter moderater Erhöhung des Mietzinses in Betracht kommen.
BEGRÜNDUNG DER
EIGENBEDARFSKÜNDIGUNG
Interessenabwägung
nach der Sozialklausel
Die Begründung der Eigenbedarfskün-
digung muss keine Ausführungen zu
Räumlichkeiten enthalten, die für den
Begünstigten alternativ als Wohnraum
in Betracht kommen könnten.
BGH, Urteil v. 15.03.2017, VIII ZR 270/15
FAKTEN:
Der Vermieter verlangte 2013 vomMieter die Zustimmung zur Mieterhöhung.
Im Gebiet besteht ein (einfacher) Mietspiegel 2013 mit Stand vom Mai 2013 sowie ein
Mietspiegel 2015 mit Stand vom Dezember 2014. Aus dem Vergleich der jeweiligen
Mietspiegelwerte ergibt sich, dass die Mieten für Wohnungen der fraglichen Kategorie
zwischenMai 2013 undDezember 2014 um12,35 Prozent gestiegen sind. Auf Grundlage
dieser Daten hat das Berufungsgericht die imZeitpunkt des Zugangs des Erhöhungsver-
langens maßgebliche ortsübliche Vergleichsmiete dem Mietspiegel 2013 entnommen,
dieseWerte aber wegen der vonMai 2013 bis November 2013 vermuteten Preissteigerung
erhöht. Laut BGH steht diese Methode mit den §§ 558 ff. BGB im Einklang.
FAZIT:
Die Entscheidung des Tatrichters kann in der Revision nur beschränkt daraufhin
überprüft werden, ob die angewandte Methode auf grundsätzlich falschen Erwägungen
beruht. Die vomGericht gewählteMethode der Ermittlung des Stichtagszuschlags durch
den Vergleich von Mietspiegelwerten war nicht zu beanstanden.
MIETERHÖHUNG
Stichtagszuschlag bei Verwen-
dung älterer Mietspiegel
Bei Beurteilung eines Mieterhöhungs-
verlangens ist der Tatrichter in be-
stimmten Fällen befugt, einen Stich-
tagszuschlag vorzunehmen, wenn ihm
dies zur Bildung einer sachgerechten
Einzelvergleichsmiete angemessen
erscheint.
BGH, Urteil v. 15.03.2017, VIII ZR 295/15
1...,39,40,41,42,43,44,45,46,47,48 50,51,52,53,54,55,56,57,58,59,...76
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