IMMOBILIENWIRTSCHAFT 6/2017 - page 46

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VERMARKTUNG & MANAGEMENT
I
RECHT
Wohnungseigentumsrecht
– Aktuelle Urteile
FAKTEN:
Nach Genehmigung des vermietenden Eigentümers brachte der Mieter an der
Fassade derWohnanlage einKlimagerät an. Ein entsprechender Genehmigungsbeschluss
der übrigen Eigentümer existiert nicht. Die Eigentümer hatten daraufhin beschlossen,
den Mieter auf Beseitigung des Geräts durch die Eigentümergemeinschaft in Anspruch
zu nehmen. Die Klage war erfolgreich. Bei der Installation des Klimageräts handelt es sich
um eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums. Diese beeinträchtigt auch
jeden der übrigen Eigentümer über dasMaß des § 14 Nr. 1WEGhinaus, weshalb es eines
allzustimmungsbedürftigen Genehmigungsbeschlusses bedurft hätte. Die dem Mieter
vom vermietenden Eigentümer erteilte Erlaubnis zur Montage des Klimageräts entfaltet
im Verhältnis zwischen dem Mieter und der Eigentümergemeinschaft keine Wirkung.
FAZIT:
Der Mieter konnte hier auch direkt als Handlungsstörer von der Gemeinschaft
in Anspruch genommen werden, obwohl er nicht Eigentümer der Sondereigentums-
einheit ist. Die Gemeinschaft hätte auch den Eigentümer der Sondereigentumseinheit
als Handlungsstörer in Anspruch nehmen können.
NUTZUNG DES GEMEINSCHAFTS-
EIGENTUMS
Beschränkte Rechte gegen-
über dem Mieter
Ein Eigentümer hat keine Rechts-
macht, gegenüber seinem Mieter
verbindlich für die Eigentümer­
gemeinschaft oder andere einzelne
Eigentümer Genehmigungen betref-
fend eine bestimmte Nutzung des
Gemeinschaftseigentums durch den
Mieter zu erteilen.
LG Berlin, Urteil v. 25.11.2016, 85 S 103/15 WEG
FAKTEN:
Die Gemeinschaftsordnung einer Mehrhausanlage weist die Kosten der Instand-
haltung und Instandsetzung der einzelnen Häuser den jeweiligen Eigentümern dieser
Untergemeinschaften zu. Eines der Häuser verfügte nicht über die erforderliche Feuer-
wehrzufahrt. Diese wurde hergestellt und die Kosten wurden den Eigentümern der be-
treffenden Untergemeinschaft auferlegt. Hiergegen wehrte sich der Eigentümer dieser
Untergemeinschaft. Seine Klage war erfolgreich. Nach Auffassung des Gerichts soll die
Überbürdung einer Kostenlast für ein gemeinschaftliches Bauteil erst dann Raumgreifen,
wenn das gemeinschaftliche Eigentumwenigstens einmal in Ordnung war. Jeder einzelne
Eigentümer hat einen Anspruch auf erstmalige Herstellung des ordnungsgemäßen Zu-
standes des gemeinschaftlichen Eigentums. Die erstmalige plangerechte Herstellung des
Gemeinschaftseigentums ist als Aufgabe aller Eigentümer anzusehen.
FAZIT:
Die Entscheidung ist zu begrüßen. Sie stützt die Auffassung des AG Langenfeld
(Urteil v. 23.11.2016, 64 C 23/16) und des AG Aachen (Urteil v. 20.03.2013, 118 C 82/12),
die in jüngerer Zeit ähnlich entschieden hatten.
ERSTMALIG ORDNUNGSGEMÄSSES
GEMEINSCHAFTSEIGENTUM
Keine exklusive
Kostenbelastung möglich
Weist die Gemeinschaftsordnung die
Kosten von Maßnahmen der Instand-
setzung bestimmter Bereiche des ge-
meinschaftlichen Eigentums einzelnen
Eigentümern zu, gilt das nicht, wenn
die entsprechenden Maßnahmen
erforderlich sind, erstmalig einen ord-
nungsmäßigen Zustand herzustellen.
LG Köln, Urteil v. 22.12.2016, 29 S 145/16
FAKTEN:
Ein Eigentümer hatte Klage erhoben, die sich „gegenBeschlüsse der Eigentümer-
versammlung“ richtete. Er kündigte an, er werde mit Klagebegründung mitteilen, „auf
welche Beschlüsse sich die Klage beschränkt“. Nach Fristablauf konkretisierte er dies. Die
Klagewar erfolglos. Der klagende Eigentümer hatte dieKlagefrist versäumt. DieAuslegung
hat denwirklichenWillen der Partei zu erforschen. Bei einer Vorratsanfechtung, also einer
Anfechtung aller gefassten Beschlüsse, kann ausnahmsweise zu berücksichtigen sein, dass
eine Vorratsanfechtung deutlichmehr Kosten verursacht als die Anfechtung nur einzelner
Beschlüsse. Diese zusätzlichen Kosten können erheblich sein, auch wenn die Klage später
auf einzelne Beschlüsse beschränkt und im Übrigen zurückgenommen wird.
FAZIT:
Im angegebenen Fall versteht es sich nicht von selbst, dass nur eine Auslegung der
Klage als Vorratsanfechtung in Betracht kommt. Denkbar ist auch, dass der Eigentümer
– vor die Wahl gestellt – die Versäumung der Klagefrist als Folge der unklaren Fassung
seiner Klage als das geringere Übel ansehen würde.
BESCHLUSSANFECHTUNGSKLAGE
Gefährliche
„Vorratsanfechtung“
Gibt ein Eigentümer in einer Beschluss-
anfechtungsklage zu erkennen, dass er
die Klage auf einen (noch unbestimm-
ten) Teil der in einer Versammlung
gefassten Beschlüsse beschränken will,
versteht es sich nicht von selbst, dass
nur eine Auslegung der Klage als Vor-
ratsanfechtung in Betracht kommt.
BGH, Beschluss v. 16.02.2017, V ZR 204/16
1...,36,37,38,39,40,41,42,43,44,45 47,48,49,50,51,52,53,54,55,56,...76
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