Immobilienwirtschaft 7-8/2016 - page 46

Institut für Soziale Stadtentwicklung
(IFSS) im Auftrag des Berliner Mieter-
vereins?
Diese Kurzanalysen, die der
hiesige Mieterverein in Auftrag gegeben
hat, sind für die Frage der Wirksamkeit
der erstenMietpreisbremse völlig wertlos.
Die den Kurzgutachten zugrunde liegen-
den Daten und die Methode sind schlicht
zweifelhaft.
Inwiefern?
Es werden nur auf Onlinepor-
talen veröffentlichte Neuvermietungen in
dieBerechnungeneinbezogen, wobeimitt-
lerweile vieleNeuvermietungen außerhalb
der Portale stattfinden. Die Portale bilden
mitnichten den Wohnungsmarkt ab. Völ-
lig unzureichend geprüftwurde zudem, ob
bei den ohnehin geringen Fallzahlen Aus-
nahmen von der Mietpreisbremse vorlie-
gen oder nicht. Denn nicht alle Angebots-
mieten unterliegen der Mietpreisbremse,
sodass in vielen Fällen durchaus eine hö-
here Miete gerechtfertigt ist. Gegen Woh-
nungsknappheit hilft nur ein wachsendes
Angebot. Bei den eigentümerschädlichen
Gesetzen sind Bundestag und Bundesrat
ganz schnell. Bei einer sinnvollenNeubau-
förderung ist das leider nicht so.
Der IVD fordert seit Jahren die Einfüh-
rung eines Sachkundenachweises für
Makler und Verwalter. Rechnen Sie noch
mit einem Gesetzentwurf in dieser Le-
gislatur?
Seit Jahren? Seit Jahrzehnten!
Wir plädieren für feste gesetzliche Richt-
linien, um den Qualitätsstandard in der
Branche zu erhöhen und die Verbraucher
zu schützen. Zudem muss ein Versiche-
rungsschutz für Makler und Verwalter
46
VERMARKTUNG & MANAGEMENT
I
INTERVIEW
I
RECHT
die Eigenkapitaldecke stärkt, wäre eine
wertvolle Immobilien- und Sozialpolitik.
Außerdem fordert der IVD seit Langem,
dass Ersterwerber beimKauf einer Immo-
bilie von der Grunderwerbsteuer befreit
werden. Auf viele Ersterwerber übt die
Grunderwerbsteuer ausschließlich eine
abschreckende Wirkung aus. Das kann
nicht im Sinne des Gesetzgebers sein.
Halten Sie Fördermaßnahmen für sinn-
voll?
Ja. Denkbar wäre, dass etwa die
Anzahl der Kinder im Haushalt berück-
sichtigt wird. Ziel muss es sein, dass auch
Schwellenhaushalte im heutigen Markt-
umfeld partizipieren können ...
Der Trend in der Politik geht freilich
in eine andere Richtung...
Die geplante
Mietrechtsreform 2.0, die ein Mietspie-
gelmanipulationsgesetz ist, halten wir für
fatal. Es ist geradezu absurd, so lange am
Mietspiegel herumzumanipulieren, bis
das Mietniveau den Umverteilungspo-
litikern in den Kram passt. Die geplante
Ausweitung des Betrachtungszeitraums
zur Ermittlung der ortsüblichen Ver-
gleichsmiete lehnen wir ab.
Warum?
Wir haben für 400 Städte in
Deutschland wissenschaftlich ermitteln
lassen, was das bedeuten würde. Wenn
die Pläne Wirklichkeit werden, wird
die ortsübliche Vergleichsmiete in zahl-
reichen Städten um bis zu einen Euro pro
Quadratmeter pro Monat abgesenkt. Die
Mieten würden über lange Jahre eingefro-
ren. Und auch im Neubau wären Miet­
erhöhungen de facto nicht mehr möglich.
Die gleichzeitig geplante Kappung der
Modernisierungsmieterhöhung von elf
auf acht Prozent macht energetischen und
altersgerechten Umbau von Wohnungen
quasi unmöglich. Parallel dazu soll auch
noch die ersteMietpreisbremse verschärft
werden. Vor alledemkann ich nur warnen.
Mehrere Studien verweisen darauf, dass
eine Verschärfung der Mietpreisbrem-
se notwendig wäre. Wie beurteilen Sie
die Studien von Regiokontext und dem
verpflichtend werden. Das Bundeswirt-
schaftsministerium hat im Sommer 2015
einen ersten Referentenentwurf vorgelegt.
Der geplante Sachkundenachweis ging
aber aus Sicht des IVD nicht weit genug,
und das haben wir mit aller Deutlichkeit
zu verstehen gegeben. Mit Erfolg: Derzeit
wird der Referentenentwurf überarbeitet.
Wie positioniert sich der IVD beim
Thema Digitalisierung in der Immobi-
lienwirtschaft?
Der IVD ist hier Vorrei-
ter. Das haben wir auf dem diesjährigen
Deutschen Immobilientag in Frankfurt
am Main verdeutlicht (siehe Meldung
Seite 38). Ich sehe die Digitalisierung vor
allem als Chance. So hat der IVD Süd mit
der IVD24immobilien AG ein eigenes
Start-up gegründet. Das Immobilienpor-
tal IVD24immobilien professionalisiert
die Auswertung von Marktdaten. Zudem
gibt es etwa mit der automatisierten Wi-
derrufsbelehrung, die vom Nutzer aktiv
bestätigt werdenmuss, einige Features, die
es bei anderen Portalen nicht gibt. Sobald
alle Regionalverbände angeschlossen sind,
werden Verbraucher dort bis zu 100.000
Objekte sieben Tage vor deren Veröffent-
lichung auf anderen Marktplätzen finden,
was ebenfalls ein wirkliches Plus ist.
Was wünschen Sie sich für Ihre Präsi-
dentschaft?
Nach einem Jahr imAmt hat
man sich langsam eingelaufen... Ich wün-
sche mir, dass wir als innovativer Verband
die Heimat für möglichst viele Sachver-
ständige, Immobilienverwalter und Mak-
ler sind. Mit über 1.000 Seminaren und
Veranstaltungen pro Jahr bieten wir auch
Angestellten in Immobilienfirmen ein
perfektes Angebot für ihr persönliches
Weiterkommen und ein denkbar gutes
Netzwerk. Die Immobilienmärkte bieten
riesige Chancen für unsere Berufsgrup-
pen. Diese wollen wir aktiv nutzen. Ge-
genüber der Politik werden wir ein ver-
lässlicher Partner sein, der konstruktiv die
Themen beim Namen nennt, auch wenn
wir nicht immer einer Meinung sind.
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Interview: Bo Wahrig, Berlin
„Es ist geradezu absurd,
so lange am Mietspiegel
herumzumanipulieren,
bis das Mietniveau den
Umverteilungspolitikern
in den Kram passt.“
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