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INVESTMENT & ENTWICKLUNG
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KOLUMNE
Präsidenten der Biennale, getoppt: „Nach dieser Biennale wird
nichts mehr so sein wie zuvor.“ Bereits seit Jahren bewegen sich
die Ausstellungen weg von der Stararchitektenarchitektur. Auch
die Kommissare Kazuyo Sejima (People meet in architecture,
2010) und David Chipperfield (Common ground, 2012) haben
Fragen des Gemeinwohls in den Vordergrund gestellt. Was Ara-
vena in diesem Jahr ausstellt, ist für alle etwas, vor allem viel.
Im Arsenale dürfen die meisten ausstellenden Architekten das
zeigen, was ihnen wichtig ist.
Die älteren Heroen, wie zum Beispiel Tadao Ando, Peter
Zumthor oder Herzog & de Meuron, rufen ganz gemütlich aus
der Vergangenheit herüber an die Front und feiern dabei vor
allem sich selbst. Norman Foster zum Beispiel hat eine Foun-
dation, und die hat eine Backsteinkuppel als Drohnenflughafen
für die Front in Südafrika hochgemauert. Unter demTitel „Daily
Design, Daily Tao“ lädt China in ein Holzhaus mit Favela Garten
zumMeditieren ein – während des Urlaubs von der Front sozusa-
gen. Im Hauptpavillon zeigt der Kommissar eine handgefertigte
Bogenkonstruktion aus Backstein, die dann auch – Gratulation
nach Paraguay –mit einemGoldenen Löwen ausgezeichnet wird.
Arno Brandlhuber ärgert sich über Bauvorschriften und be-
neidet Luigi Snozzi, der in seinemBergdorf Monte Carasso allein
entscheiden kann, was gebaut wird. Richard Rogers empfiehlt,
die Städte vom Zentrum aus zu entwickeln (von wo sonst?), und
W
ährend der Fahrt mit dem Vaporetto der Sonne und der
Silhouette der Inselstadt entgegen, spritzt die Gischt rechts
und links und bläst der Fahrtwind jeden Gedanken an ein
Gestern davon. Plötzlich Rialtobrücke, Venedig. Die sinkende
Stadt der Dogen und Touristen. DiesemodrigeHinterlassenschaft
stolzer Kaufleute aus einer Zeit vor der Entdeckung Amerikas
überwältigt, fasziniert, erstrahlt und glitzert bei jedem Besuch
von Neuem. La Serenissima, die Weltstadt der Weltstädte, Hei-
mat von Tizian, Casanova, Vivaldi und Marco Polo, Erfinderin
der Gondeln und Biennalen, ist der Sehnsuchtsort aller Künstler,
Liebespaare und Architekten.
La Biennale di Venezia ist seit 1895 die älteste Kunst-Biennale
überhaupt. Seit 1980 gibt es das Ganze auch als Architektur-Aus-
gabe. Ein Riesending, einMonster, die wichtigste Ausstellung für
Architekten überhaupt. Hier wird unser Selbstverständnis immer
wieder neu verhandelt, in diesem Jahr zum 15. Mal.
Unter dem Titel „Reporting from the Front“ hat der Kom-
missar Alejandro Aravena über 80 Architekten aus 37 Nationen
eingeladen, ihre gesellschaftlich relevanten Fragen aufzuzeigen.
Alejandro hat einen Lauf, hat in diesem Jahr auch den Pritzker-
Preis, denNobel-Preis für Architektur, erhalten. „Der Titel weckt
kolossale Erwartungen. Dass es eine Biennale der Armen, der
Katastrophen und der Krisen wird“, sagt er. Ein Anspruch, hoch
wie ein Wolkenkratzer. Der wird noch von Paolo Baratta, dem
Architekten in Venedig
Foto: Dirk Weiß