Immobilienwirtschaft 7-8/2016 - page 30

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INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
IMMOBILIENFINANZIERUNG
hochgeschnellt sind“, gibt Irgmaier zu be-
denken. Daher kalkuliert die BayernLB
bei Neugeschäftsprüfungen für Gewerbe-
immobilien in der Regel im langfristigen
Bestandsgeschäft mit einer Mindestkapi-
taldienstfähigkeit von sechs Prozent, um
gegen steigende Zinsen gut gewappnet zu
sein. Die gewünschten Beleihungsausläufe
(LTVs) lägen derzeit meist imBereich von
50 bis 65 Prozent, so Irgmaier.
TRÜGERISCHE SICHERHEIT
„Doch niedrige
LTVs können eine trügerische Sicherheit
vorspiegeln“, warnt Jan Peter Annecke,
Bereichsleiter Gewerbliche Immobilien-
finanzierungen der Münchener Hypothe-
kenbank (MünchenerHyp). LTVs orien-
tierten sich am Marktwert und hätten in
den letzten beiden Jahren deutschlandweit
stark angezogen. „Damals entsprach ein
Marktwertauslauf von 60 Prozent einem
Beleihungswertauslauf von 70 bis 80 Pro-
zent, inzwischen können es aber 90 oder
sogar 100 Prozent sein“, analysiert er.
Denn der Beleihungswert ändert sich
– wenn überhaupt – nur langsam, da er
sich bei Gewerbeimmobilien an deren
nachhaltiger Ertragskraft orientiert. „Stei-
gen die Kaufpreise – wie zuletzt – erheb-
lich schneller als die Mieten, entfernen
sich Markt- und Beleihungswerte immer
weiter voneinander“, erläutert Annecke.
Die MünchenerHyp reagiert darauf unter
anderem, indem sie bei langfristigen Fi-
nanzierungen auf eine Kapitaldienstfähig-
keit von sechs bis acht Prozent zum Ende
der Darlehenslaufzeit achtet. Das kann
zum Beispiel durch eine erhöhte laufende
Tilgung erreicht werden. Aufgrund der
niedrigenAnfangsrenditen gehe dieMün-
chenerHyp hohe und weiter steigende
LTVs nicht mit, betont Annecke.
Zumal die Immobilienpreise wieder
fallen könnten, sagt er. Ein derartiges
Szenario hält der Finanzierungsspezialist
nach einer Zinswende für gar nicht so
abwegig. „Insbesondere Versicherungen,
D
ie Bauindustrie jubelt, der Auftrags-
bestand ist auf das höchsteNiveau seit
20 Jahren gestiegen. Im ersten Quar-
tal 2016 legten die Bestellungen gegenüber
dem Vorjahreszeitraum um 13,9 Prozent
zu. Auch in Gewerbeimmobilienprojekte
wird kräftig investiert. Der Immobilien-
makler JLL prognostiziert, dass 2016 in
den sieben deutschen Top-Standorten gut
40 Prozent mehr neue Büroflächen entste-
hen werden als 2015. „Der Vermietungs-
markt floriert, die Leerstandsquote ist mit
6,3 Prozent so niedrig wie seit 15 Jahren
nicht mehr“, sagt JLL-Branchenkenner
Helge Scheunemann.
An Schwung eingebüßt hat der In-
vestmentmarkt für Gewerbeimmobilien.
In den ersten drei Monaten dieses Jahres
summierte sich das Transaktionsvolumen
auf 8,2 Milliarden Euro – ein Minus von
14 Prozent verglichen mit zwölf Monaten
zuvor. Das sei aber kein Grund zur Be-
unruhigung, beschwichtigen Branchenbe-
obachter. Immerhin liege es knapp zwölf
Prozent über dem Niveau der letzten fünf
Jahre. „Die Nachfrage ist hoch, limitierend
wirkt die Produktverfügbarkeit bei Core-
Immobilien“, kommentiert der Immobili-
enmakler CBRE die Situation.
RISIKO DURCH NIEDRIGE ZINSEN
Und noch
etwas drosselt die Euphorie: Immobilien-
banken prüfen Finanzierungswünsche
immer intensiver auf ihre Kapitaldienstfä-
higkeit. „Das extrem niedrige Zinsniveau
birgt beachtliche Risiken in sich“, gibt Ge-
org Irgmaier, Leiter Finanzierungen von
Einzelhandels- undManagementimmobi-
lien der BayernLB, zu bedenken. Aktuell
wäre eine Kapitaldienstfähigkeit von drei
Prozent eigentlich ausreichend, um Zins-
und Tilgungsleistungen für einen Kredit
zum Kauf einer Immobilie an einem Top-
Standort zu stemmen. „Diese Kalkulation
kann aber nicht mehr tragfähig sein, wenn
in zehn Jahren die Prolongation ansteht
und die Zinsen auf vier oder fünf Prozent
Magerere Zeiten brechen an
Keine neuen Rekorde beim
Transaktionsvolumen, die
Margen im Keller: 2016
dürfte für viele Immobilien-
banken eher ernüchternd
verlaufen, das Neugeschäft
wohl meist rückläufig sein.
Und die zunehmende Regu-
lierung treibt die Refinanzie-
rungskosten in die Höhe.
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Im ersten Quartal dieses Jahres
summierte sich das Transaktions-
volumen bei Gewerbeimmobilien
auf 8,2 Milliarden Euro – ein
Minus von 14 Prozent verglichen
mit zwölf Monaten zuvor.
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