Immobilienwirtschaft 4/2016 - page 20

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INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
GESUNDHEITSIMMOBILIEN
Dort sind zum Beispiel Kliniken aufge-
führt. Zwischenzeitlich sind aber viele
neue Versorgungsformen und -konzepte
(teil-ambulant, ambulant) entstanden,
wie Ärztehäuser oder Medizinische Ver-
sorgungszentren (MVZ). Diese sind si-
cher keine Kliniken im engeren Sinne.
Dennoch ist zu beobachten, dass einige
Akteure in der Gesundheitswirtschaft und
in der Legislative (noch) nicht bereit sind,
alte Zöpfe abzuschneiden und neue (auch
immobilienwirtschaftlich sinnvollere) Ge-
samtkonzepte anzupacken und anders zu
behandeln als die klassische Klinik.
Wer einmal versucht hat, mit vernünf-
tigemAufwand bei einemSO-Gebiet „Kli-
nik“ eine Nutzungsänderung im Rahmen
einer Projektentwicklung (zum Beispiel
in ein Allgemeines (WA) oder ein Reines
Wohngebiet (WR)) durchzuführen, weiß,
was wirklich dicke Bretter sind. Das ist
zwar ein baurechtliches Problem, aber
man kann es lösen – wenn man nur will
und Energie investiert. Ein Beispiel aus der
Praxis: Ein kommunaler Krankenhaus-
chef, in dessen Verantwortungsbereich
auch die neu zu strukturierende Psychi-
atrie seines Landkreises lag, erklärte vor
einigen Jahren auf die Frage, was denn
zukünftig mit dem großen, wertvollen
innerstädtischen Psychiatriegelände pas-
sieren solle, dass dies ja „SO“-Gebiet sei,
somit wertmäßig in den Büchernmit dem
Grundstückswert null stehe und daher un-
interessant für ihn sei. Man wolle sich lie-
ber mit anderem beschäftigen. Damit war
die kurze Diskussion beendet, bevor sie
richtig begann, und der Immobilienwirt-
schaftler wunderte sich über diese klare,
aber kurze Sichtweise.
GEHT ES AUCH ANDERS?
Die Frage ist, ob
solche Hemmnisse und die sie begleiten-
den Denk- und Handlungsmuster noch
zeitgemäß und zukunftsorientiert sind,
und ob es nicht auch anders geht.
Als einer der ersten Gesundheits-
wirtschaftler hat Prof. Heinz Lohmann
aus Hamburg das Netzwerk zwischen
Gesundheits- und Immobilienwirtschaft
gesponnen und etabliert. Vorausgegangen
waren dieser Pioniertat entsprechende
berufliche Erfahrungen in beiden Welten
und diverse Gespräche, um die Chancen
auszuloten. Sein lesenswerter Beitrag im
Geschäftsbericht 2014/2015 des Zentralen
Immobilienausschusses (ZIA) befasst sich
vor allem mit den Auswirkungen des de-
mografischen Wandels und der Rolle der
Wohnungswirtschaft als Ideen- undWert-
treiberin für die Gesundheitswirtschaft.
Prof. Lohmann holte folgerichtig dazu
im Herbst 2015 nicht irgendwen, son-
dern die frischgebackene größte deutsche
Wohnungsbaugesellschaft Vonovia aufs
Rednerpult eines großen Gesundheits-
wirtschaftskongresses – die erste formelle
Partnerschaft der beiden Wirtschafts-
zweige war besiegelt.
Nur: Wie geht es weiter? Was hat die
Gesundheitswirtschaft darüber hinaus
von Portfolio, Asset, Property, Facility
Management, von all den Begriffen wie
„Prozesse“, „Ressourcen“, „Supply Chains“,
von „ROI“, „Net Asset Value“ und „Dis-
counted Cashflow“? Was hat die Immobi-
lienwirtschaft zu bieten, was die Gesund-
heitswirtschaft nicht (bereits) hat?
Die Immobilienwirtschafthat in ihrem
Kern umfangreiche Kenntnisse und Fä-
higkeiten für das Finanzieren, Entwickeln,
Planen, Bauen, Betreiben und Nach- und
Umnutzen von Immobilien jeglicher Klas-
se und Nutzungsart. Ausnahmen wie zum
Beispiel das Detailwissen über den ope-
rativen Betrieb eines hochtechnisierten
Akutkrankenhauses (als Spezialimmobi-
lie mit äußerst komplexen Prozessen und
Abläufen) bestätigen nur die Regel.
Aber die Immobilienwirtschaft kann
unvoreingenommen und kompetent auf
Herausforderungen, die neu für die Ge-
sundheitswirtschaft sind, reagieren und
hier gute Leistungen beisteuern. Durch
die nach wie vor sehr angespannte Lage
auf demFachkräfte- undWohnungsmarkt
wäre es zum Beispiel sinnvoll, das eine zu
tun, ohne das andere zu lassen: nämlich
Fachkräfte anzuwerben und ihnen gleich-
zeitig marktgerechte, moderne, arbeits-
platznahe und bezahlbare Wohnungen
mit flexiblen Zuschnitten auf demeigenen
Campus, anstatt wie früher im zehnstö-
ckigen Schwesternwohnheim mit dem
Charme der 60er Jahre, anzubieten. Dazu
müssen primär Grundstücke bereitgestellt
und gegebenenfalls das Baurecht geschaf-
fen werden. Viele Kliniken verfügen hier
überMöglichkeiten, die sie aber nicht aus-
reichend nutzen. Wer zum Beispiel noch
nie etwas von einer Due Diligence oder
einer Verkehrswertermittlung gehört hat,
tut sich natürlich schwer bei einer solchen
Gesundheitsimmobilien brauchen Drittverwendungsfähigkeit statt Monofunktionalität
Foto: Michael Bamberger
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