Immobilienwirtschaft 4/2016 - page 13

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4.2016
Städte auf dem Weg zur „Smart City“
W
ie können Stadtentwicklung, die Erzeugung, Vernetzung und Nutzung von Daten
sowie Energie undMobilität intelligent miteinander verbundenwerden? Vor allem
bestimmte Sparten aus Industrie und Forschung haben die Auseinandersetzung
mit dieser Frage in den vergangenen Jahren vorangetrieben. Mittlerweile beteiligen sich
auch kommunale Akteure an der Debatte. Das ist ausdrücklich zu begrüßen, denn die
Idee der „Smart City“ berührt viele ihrer Herausforderungen. Bislang gibt es aber keine
einheitliche Definition. Der Begriff ist eher als globale Triebkraft imDiskurs zu verstehen.
Die Interpretationen reichen von einem datenorientierten Technikverständnis bis hin zu
einem ganzheitlichen Stadtentwicklungsansatz. Gleichzeitig verknüpfen die Akteure aus
Forschung und Industrie ganz unterschiedliche Erwartungshaltungen mit dem Begriff
„Smart City“. Deshalb ist es umso wichtiger, dass sie gemeinsam an Lösungen arbeiten.
Städte waren seit jeher gefordert, sich mit dem Einsatz neuer Technologien für In-
frastrukturen auseinanderzusetzen, etwa bei Straßenbeleuchtung, Energieversorgung,
öffentlichemNahverkehr oder Verkehrssteuerung. Neu sind Innovationsgeschwindigkeit
und Bandbreite, mit denen Datentechnik im urbanen Kontext Einzug hält. Inzwischen
stehen Energie, Mobilität, Sicherheit, Governance, Netzinfrastruktur undKommunikati-
on in engerWechselwirkung. Und die Schnittmenge bildenDaten. Neu ist der Ausgangs-
punkt für die Veränderung. Die anstehende „smarte“ Transformation der Städte muss
auf bestehenden Strukturen aufbauen. Diese wurden in den letzten 150 Jahren geschaffen
– zum Großteil im Zuge der industriellen Revolution. Dabei sind die Städte aber auch
immer eine Einheit aus Strukturen und den Menschen, die sie hervorgebracht haben.
Viele Fragen sind noch offen. Wie steht es etwa um die Grundrechte imZusammen-
hang mit Daten? Zudem muss geklärt werden, wie sozial schwache und alte Menschen
Internetkompetenz aufbauen können und der Netzausbau auf demLand vorangetrieben
werden kann. Denn Digitalisierung darf soziale und räumliche Ausgrenzung nicht ver-
stärken. InsbesondereWohnungswirtschaft, Stadtverwaltungen, Stadtwerke und Lokal-
politiker haben großen Informationsbedarf. Hier gilt es, Entscheidermit entsprechenden
Kompetenzen auszustatten, damit sie eine gestaltende Rolle einnehmen können.
Gelingt die „Smart City“, entstehen neue Wertschöpfungsketten. Vormals getrennte
Handlungsfelder wie Wohnen, Mobilität und Energie werden funktional miteinander
verknüpft. Historische Abhängigkeiten wie die von der Ölpreisentwicklung könnten
aufgebrochenwerden. Erfolgreiche Ansätze gibt es in vielen Städten, selbst wenn sie nicht
immer unter demLabel „Smart City“ laufen. Überall, wo lokale Akteure die „Smart City“
als Chance für die Stärkung der kommunalen Ebene begreifen, kann das Leben in der
Stadt nachhaltig verbessert werden. Hilfreich ist dabei, wenn Veränderungen etwa im
Rahmen von „Zukunftslaboren“ gemeinsam von Stadt, Bevölkerung, Wissenschaft und
Wirtschaft umgesetzt werden. Zudem gilt es, die Komplexität der „Smart City“ mit den
Strukturen einer Stadtverwaltung in Einklang zu bringen. Doch auch die „smarte“ Stadt
braucht „traditionelle“ Stadtentwicklungsprozesse, die urbane Qualität undKultur schaf-
fen. Dazu gehört die Schaffung öffentlichen Raums, der sich amKommunikations- und
Erholungsbedürfnis des Menschen orientiert. Es braucht am Gemeinwohl orientierte
offene Planungs- und Umsetzungsprozesse mit mehr Rückkopplungsschleifen.
Mit den Potenzialen der „Smart City“ hat sich auch die AG Städtebau des Deutschen
Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V. beschäftigt, Sicht-
weisen ausgetauscht und neue Standpunkte entwickelt.
Prof. Dipl.-Ing. Elke Pahl-Weber, Vorsitzende
der AG Städtebau/Raumordnung des
Deutschen Verbandes und Geschäfts-
führende Direktorin am Institut für Stadt-
und Regionalplanung der TU Berlin.
Deutscher Verband
Das
Konzept der „Smart City“
steht derzeit im Fokus von
Planern, Forschern und Unter-
nehmen. Für tragfähige und
zukunftssichere Lösungen
sollten sie frühzeitig in den
Dialog gehen, meint der
Deutsche Verband.
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