3
4.2016
EDITORIAL
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
wie paradiesisch muss es sein, woanders zu sanieren. In England oder Schottland
etwa, oder in Italien. Da ist man noch nicht so weit mit energetischen Belangen
wie in Deutschland. Da tut es noch nicht weh, mal die Außenfassade zu erneuern.
Weil es hierzulande aber schmerzt – bei 14 Zentimeter Dämmung schreit
jeder auf –, gibt es als Schmerzensgeld die KfW-Förderung. „Wir wären betriebs-
wirtschaftlich mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir die nicht wahr-
nehmen würden“, so Jochen Icken von der Baugenossenschaft Märkische Scholle.
„Bekommen sie aber nur bei 14 Zentimetern. Wenn das auch volkswirtschaftlich
und energetisch noch so großer Blödsinn ist.“
Es herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass acht Zentimeter reichen und sich
am besten amortisieren lassen. Doch es kann dauern, ein Rad zurückzudrehen,
es kann so schwer sein. Jetzt droht die EnEV 2017. Und mit ihr drohen weitere
Verschärfungen, denn das Herz der Ministerin schlägt grün, so grün, so grün.
Trotzdem hat sie sich fürs Mega-Dämmen entschieden. Diese Lobby muss vieles
richtig gemacht haben.
Die Systematik der EnEV 2017 soll zwar umgestaltet werden. Aber was heißt das?
Ist die Politik frei genug einmal den Reset-Knopf zu drücken? In den Niederlan-
den können sie so etwas: Hier wurde gerade ein Gesetz verabschiedet, das dem
Bürger Möglichkeiten gibt, von starren Bauvorschriften abzuweichen. Ein neues
Gesetz, mit dem alte Gesetze ausgehöhlt werden. Vielleicht war ja mal etwas rich-
tig, was es heute nicht mehr ist! Ich wünsche mir, dass wir von Holland lernen.
Das dort realisierte Gesetz wäre für Deutschland eine Revolution. Ab und zu
braucht es die. Wir aber schmeißen nicht um, sondern doktern herum. Revoluti-
onen tun weh. Bereit dafür, den Schmerz auszuhalten, sind wir wohl noch nicht.
Ihr
„Megadämmung: Ist
die Politik frei, sich von
etwas abzukehren, was
sich längst als falsch he-
rausgestellt hat? Vieles
spricht dagegen.“
Dirk Labusch
, Chefredakteur
Nach Italien – zum Sanieren