Immobilienwirtschaft 05/2015 - page 22

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Investment & Entwicklung
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Titelthema
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o niedrig waren die Zinsen für Immobilienfinanzierungen
in Deutschland noch nie. Im Vergleich zum Vorjahr ha-
ben sie sich mehr als halbiert. „Die Eins vor dem Komma
für zehnjährige Immobilienkredite ist nichts Besonderes
mehr“, sagt Jan Peter Annecke, Bereichsleiter Gewerbliche
Immobilienfinanzierungen der Münchener Hypothekenbank.
Das historische Zinstief ist das Resultat der expansiven
Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Es beschert
Investoren ideale Finanzierungsbedingungen und sorgt mit da-
für, dass deutsche Immobilien auch international gefragt sind.
„Gerade institutionelle Anleger aus Asien, vor allem aus China,
zeigen großes Interesse an deutschen Gewerbeimmobilien“, so
Jörg Schürmann, Head of Debt Advisory Germany von JLL.
Realistische Risikoeinschätzung
Daran dürfte sich in den
kommenden Monaten nichts ändern, da die EZB alles tun wird,
damit das Zinstief anhält. Schürmann ist zuversichtlich, dass das
Transaktionsvolumen bei Gewerbeimmobilien erneut steigt: 2014
fast 40Milliarden Euro – ein Plus von 30 Prozent gegenüber 2013.
In diesem Jahr wird der Zuwachs, so die Prognose von JLL, mit
um die fünf Prozent – auf circa 42 Milliarden Euro – allerdings
deutlich schwächer ausfallen.
Schürmann hält das für positiv: „Dass derMarkt durchatmet,
zeugt von einer realistischen Risikoeinschätzung der Akteure.“
Allenfalls in Teilsegmenten sieht der Marktexperte Anzeichen
einer Überhitzung. In München oder Berlin würden für gewerb-
liche Wohnungsimmobilienpakete mitunter Kaufpreise bezahlt,
die – bezogen aufs Mietpreisniveau – überzogen seien.
Gerade für sicherheitsorientierte Anleger gibt es zu Immobili-
en kaumAlternativen.Während sich zehnjährige Bundesanleihen
nur mit mageren 0,2 bis 0,3 Prozent rentieren, sind mit Büros
in den Toplagen der Big 7 rund 4,5 Prozent drin. Und wer zu
Abstrichen an der Objektqualität oder der Lage bereit ist, kann
Renditen von mehr als fünf Prozent anvisieren. Und das Schöne
für die Investoren ist, dass die Finanzierungspartner mitziehen.
„Etliche Institute sind wieder in der Lage, mittlere dreistellige
Millionenbeträge alleine auszureichen“, sagt Arwed Fischer, Fi-
nanzvorstand der Patrizia Immobilien AG. Dies war vor einiger
Zeit ganz anders. Nach der Finanzmarktkrise waren viele Banken
äußerst risikoscheu. Inzwischen sind selbst die recht vorsichtigen
unter ihnen bereit, etwas mehr zu wagen. Beispiel Münchener
Hypothekenbank: Sie zählt zu den bedächtigen Akteuren. Das
Geschäftsjahr 2014 lief trotz einer Steigerung des Inlandsgeschäfts
nicht ganz nachWunsch. „Wir hätten gern mehr Neugeschäft ge-
macht“, räumt Annecke ein. Anvisiert hatteman bei gewerblichen
Immobilienfinanzierungen 1,2Milliarden Euro, realisiert wurden
1,1 Milliarden Euro, weil bei vielen Finanzierungsanfragen das
Risiko-Ertrags-Profil nicht passte.
Denn das Segment der risikoarmen Finanzierungen ist be-
sonders stark umkämpft, schon wegen erheblich verschärfter
Auflagen infolge der Finanzmarktregulierung. Wie die Risiko-
einstufung imkonkreten Einzelfall ausfällt, hängt vom speziellen
Ratingsystem jeder Bank ab. „Deshalb kann die Einschätzung der
Ausfallwahrscheinlichkeit derselben Finanzierung zu sehr unter-
schiedlichen Resultaten führen“, weiß Annecke. Das wissen die
Investoren und lassen sich fünf bis sechs Angebote unterbreiten,
um die günstigste auszuwählen.
Bei den Zinssätzen besteht wenig Verhandlungsspielraum. Sie
liegen für risikoarme gewerbliche Immobiliendarlehen mit fünf
Jahren Laufzeit nur noch etwas über einemProzent, bei zehnjäh-
riger Laufzeit kaumnoch über 1,5 Prozent pro Jahr (siehe Grafik,
S. 25). Zudem ist hier die Marge deutlich unter 100 Basispunkte
Resultat der expansiven
Geldpolitik der EZB:
Das historische Zinstief
beschert Investoren nach
wie vor ideale Finanzie-
rungsbedingungen.
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