Die Wohnungswirtschaft 5/2019 - page 30

STÄDTEBAU UND STADTENTWICKLUNG
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5|2019
Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt e-Quartier Hamburg
Ausbau von Elektromobilitätsangeboten
in der Wohnungswirtschaft
In diesem Beitrag geht es um die wichtigsten rechtlichen Treiber, Hürden und Gestaltungsmöglichkeiten
für den Ausbau von Elektromobilitätsangeboten in der Wohnungswirtschaft. Es wird u.a. verdeutlicht,
dass der Gesetzgeber an zahlreichen Stellen – insbesondere auch bei der Umsetzung der neuen
EU-Gebäuderichtlinie – die Möglichkeit hat, neue Verpflichtungen, Anreize oder Erleichterungen in der
Umsetzung für die Elektromobilität im Wohnungssektor zu regulieren.
Die Wohnungswirtschaft zählt zu den Schlüssel-
akteuren für den Ausbau der Elektromobilität. Wie
Dr. Thomas Prill in seinem Beitrag (siehe S. 24)
treffend beschreibt, befindet sich die Branche je-
doch nach den Erkenntnissen des Forschungspro-
jektes e-Quartier Hamburg „zwischen Aufbruch
und Aufschub“. Einerseits gewinnt das Thema an
Präsenz. Andererseits ist in den Recherchen deut-
lich geworden, dass das Engagement der Woh-
nungswirtschaft insbesondere auch deshalb noch
verhalten ist, weil viele Wohnungsunternehmen
Elektromobilität als unternehmensfremde Zusatz-
leistung betrachten, die zahlreichen rechtlichen
Unsicherheiten begegnet. Die wichtigsten recht-
lichen Treiber, Hürden und Gestaltungsmöglich-
keiten für den Ausbau von Elektromobilitätsan-
geboten in der Wohnungswirtschaft, werden hier
zusammengefasst.
Rechtliche Treiber von Elektromobilität in
der Wohnungswirtschaft
ImJuli 2018 trat die Neufassung der EU-Gebäude-
richtlinie in Kraft (RL 2018/844/EU vom 30. Mai
2018 zur Änderung der RL 2010/31/EU über die
Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden). Überge-
ordnetes Ziel der Regelung ist es – in Einklangmit
den Klimazielen der Europäischen Union –, den
europäischen Gebäudebestand bis zum Jahr 2050
zu dekarbonisieren. Artikel 8 der neu gefassten
THEMA DES MONATS
Dr. Cathrin Zengerling
Leiterin der Forschungsgruppe
„Urban Footprints“
Hafencity Universität
Hamburg
EU-Gebäuderichtlinie erfordert die Integration
von Infrastruktur für Elektromobilität in Neubau
und Bestand. Danach müssen alle Stellplätze von
neuen oder in größerem Umfang renovierten
Wohngebäuden, die über mehr als zehn Stell-
plätze verfügen, mit Leitungsinfrastruktur, also
Schutzrohren für Elektrokabel, versehen werden
(Art. 8 Abs. 5 EU-Gebäuderichtlinie). Neue oder in
größeremUmfang renovierte Nichtwohngebäude
mit mehr als zehn Stellplätzen müssen mit min-
destens einem Ladepunkt und für jeden fünften
Stellplatz mit Leitungsinfrastruktur, ausgestat-
tet sein (Art. 8 Abs. 2 EU-Gebäuderichtlinie). Die
Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Umsetzung
durch entsprechende nationale Regelungen ab
März 2020 sicherzustellen.
Einweiterer rechtlicher Treiber für die Integration
von Elektromobilitätsangeboten in die Bestän-
de der Wohnungswirtschaft können kommunale
Vorgaben sein. Das Rechtsgutachten, das imRah-
men des Forschungsprojektes e-Quartier erstellt
worden ist, beschäftigte sich im Kern mit der
Frage, welche rechtsverbindlichen Instrumente
den Kommunen zur Verfügung stehen, um die
Zahl von Stellplätzen mit Ladeinfrastruktur für
Elektromobilität auf privaten Flächen zu erhö-
hen. Die Untersuchung kam zu dem Ergebnis,
dass bisher zwar nur wenige Kommunen von ih-
ren Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauchmachen.
Rechtlich stehen ihnen jedochmit städtebaulichen
Verträgen, Stellplatzsatzungen, Grundstücks-
ausschreibungen und Grundstückskaufverträgen
sowie Bebauungsplänen zahlreiche Instrumente
zur Verfügung, um den Ausbau von Stellplätzen
mit Ladeinfrastruktur auf halb-öffentlichen und
privaten Flächen voranzubringen.
Ein Gesetzesentwurf des Bundesrates zur Reform
des Mietrechts schlägt vor, einen neuen § 554b
in das Bürgerliche Gesetzbuch aufzunehmen, auf
dessen Grundlage ein Mieter verlangen kann,
dass der Vermieter baulichen Veränderungen für
die Installation von Ladeeinrichtungen zustimmt
(BT-Drucks. 18/10256. S. 8, BR-Drucks. 340/16).
Unechte und echte rechtliche Hürden
Befragungen von Vertretern der Wohnungswirt-
schaft im Forschungsprojekt e-Quartier Hamburg
haben gezeigt, dass verschiedene rechtliche Un-
sicherheiten und insbesondere steuerliche Nach-
teile den Ausbau von Ladeinfrastruktur in der
Wohnungswirtschaft hemmen. Einige nachteilige
Regelungen sind inzwischen zugunsten der Elek-
tromobilität angepasst worden. Dazu zählt vor
allem die Regelung des § 3 Nr. 25 Energiewirt-
schaftsgesetz, die nun eindeutig klarstellt, dass
Ladepunktbetreiber nicht als Energieversorgungs-
unternehmen, sondern als Letztverbraucher im
Sinne des Energiewirtschaftsrechts gelten.
Andere Regelungen – wie etwa das Bauordnungs-
recht – werden zwar als Hürden wahrgenommen,
weil es (noch) an gängiger Praxis fehlt, stehen
aber der Umsetzung von Elektromobilitätsange-
boten nicht wirklich entgegen. Bei Neubauvor-
haben ist die Ladeinfrastruktur Teil der Gebäude-
planung und fließt entsprechend in den Bauantrag
ein. Die Nachrüstung von Ladeinfrastruktur im
Bestand fällt in den meisten Fällen unter die in
den Anhängen der Landesbauordnungen geliste-
ten verfahrensfreien Vorhaben (als „technische
Gebäudeausrüstung“ oder „sonstige Anlage“)
und bedarf damit keiner Genehmigung. Wichtig
ist insofern die Art der Ladeinfrastruktur, also ob
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