fen uns vor, den Neubau auf Kosten der Bestands-
mieter zu finanzieren. Siemöchten – was subjektiv
sicher verständlich ist – einfach ihren günstigen
Wohnraumbehalten. Damüssenwir für Offenheit
und Gemeinschaftlichkeit werben.
Klaus Leuchtmann:
Aber wie soll das gehen,
wenn der überwiegende Teil der Mitarbeiter nicht
in der Lage ist, den Kunden das Wesen des Unter-
nehmens zu erklären? Ich habe das in Gesprächen
getestet und vertrete deshalb die These, dass die
Mehrheit der Auszubildenden im dritten Lehrjahr
nicht erklären können, was eine Genossenschaft
ausmacht, obwohl sie seit zweieinhalb Jahren in
einer Genossenschaft arbeiten. Wir haben darauf
reagiert, indem wir für Auszubildende im dritten
Lehrjahr das Modul „Genossenschaft lernen“ auf-
gelegt haben.
Jana Kilian:
Was Sie feststellen, Herr Leuchtmann,
ist aus meiner Sicht vorrangig Thema einer guten
und umfassenden Ausbildung in den Unterneh-
men selbst. Neben den Ausbildungsrahmenplänen
muss selbstverständlich dafür gesorgt werden,
dass der Nachwuchs die Genetik des eigenen Un-
ternehmens kennt. Das bringt mich auch auf das
Thema, dass der Generation Y und Z häufig eine
ganze Reihe von Eigenschaften nachgesagt wird,
die nicht in die bestehende Arbeitswelt passen,
wie z.B. eine ausgeprägte Work-Life-Balance-
Orientierung und wenig Neigung, sich in Hierar-
chien einzuordnen. Ich plädiere in dieser Hinsicht
dafür, sie erst einmal zeigen zu lassen, wie gut
oder schlecht sie sich in der Arbeitswelt einfinden
und welche Werte sie entwickeln. Im Rahmen der
Digitalisierung dürften sie aber eine riesige Chan-
ce bedeuten, denn sie bringen die Fähigkeit mit,
neue Prozesse zu denken und bestehende Prozesse
neu zu denken.
Lars Ernst:
Herr Leuchtmann hat den Schwer-
punkt auf die Strukturen gelegt. Meiner Ansicht
nach brauchenwir aber nicht neue Strukturen, um
die Digitalisierung voranzubringen, sondern neue
Geschäftsmodelle. Von den alten Strukturenmüs-
sen wir uns befreien. In der Wohnungswirtschaft
heißt es häufig: „Wir müssen uns auf unsere Kern-
kompetenz konzentrieren. Erweiterte Geschäfts-
modelle gehören nicht dazu, dass sollen andere
machen, das ist nicht unsere Kernkompetenz.“ Ich
finde, von dieser Denke solltenwir uns endlich lö-
sen. Wohnungswirtschaft ist nicht kompliziert, sie
ist keine Raketentechnologie. Was wir brauchen,
ist eine Digitalisierungskompetenz. Nur so kann
die Wohnungswirtschaft die Zukunft bewältigen
und aktiv mitgestalten.
Jana Kilian:
Ein weiterer Aspekt ist mir wich-
tig: Wir sprechen im Rahmen der Digitalisierung
vorwiegend darüber, dass wir die Mitarbeiter auf
diesen Weg mitnehmen müssen. Die Aufsichts-
gremien wurden bereits genannt. Aber auch die
Betriebsräte müssen überzeugt werden, damit
die Digitalisierung in den Unternehmen gelingen
kann. Und ganz wichtig ist die zweite Führungs-
ebene in ihrer Sandwich-Position, die ganz we-
sentlich zur Umsetzung der jeweiligen Digitalisie-
rungsstrategie im Unternehmen beitragen muss.
Hans Sartoris:
Wir machen hier gerade ganz in-
teressante Erfahrungen: Die Führungskräfte in
unserem Haus in den verschiedenen Ebenen sind
bei diesem Thema nicht nur sehr stark commit-
ed, sondern sowohl in der Sache als auch in der
Einschätzung des Themas sehr aktiv unterwegs.
Viele Mitarbeiter – und hier erstaunlicherweise
gerade die jüngeren – leben zwar im Alltag mit
der digitalen Welt, allerdings ist es uns bisher nur
teilweise gelungen, das Thema Digitalisierung in
der Wirkung auf unser Unternehmen, auf unser be-
rufliches Alltagshandeln und auf die zukünftigen
Inhalte und die Art des Arbeitens zu vermitteln.
Hier gibt es mit Sicherheit noch viel zu tun.
Dr. Wolfgang Pfeuffer:
Im Februar haben wir
bei uns im Haus einen ersten Workshop „Digitale
Transformation“ durchgeführt, umdie Führungs-
ebene in ihremdigitalenMindset zu beflügeln. Das
brechen wir jetzt sukzessive auf die Mitarbeiter
runter, um– ganz imSinne von Herrn Ernst – deren
Digitalkompetenz zu steigern. Einfache Prozesse
werden wir künftig durch virtuelle Assistenten
erledigen lassen. Die freiwerdende Zeit sollten
die Mitarbeiter für den Kundenkontakt nutzen.
UmMiriamMeckel, die Herausgeberin der „Wirt-
schaftswoche“, zu zitieren: „Wenn Roboter unsere
Aufgaben übernehmen, wirdMenschlichkeit unser
neues Alleinstellungsmerkmal.“ Das muss der An-
spruch für unsere Branche sein.
Jürgen Steinert:
Wir brechen hier ab, aber die
Debatte wird weitergehen. Wir können die Her-
ausforderungen nicht alleine bewältigen. Deshalb
müssenwir in unseren Verbandsstrukturen die Ko-
operation weiter vertiefen.
Der Gesamtverband und die Regionalverbände
werden wahrscheinlich stärker, als das bisher je
der Fall gewesen ist, nicht nur nach außen, son-
dern auch nach innen kommunizieren und die
Unternehmen konzentriert mit den wichtigsten
Informationen versorgen müssen. Es wird eine
vordringliche Aufgabe sein, die Strukturen der
Organisationen so weiterzuentwickeln und auch
die Finanzierung so sicherzustellen, dass unsere
Branche fit für die Zukunft bleibt.
Damit bedanke ichmich für Ihre Teilnahme an der
Diskussion.
„Meiner Ansicht nach brauchen wir nicht neue Strukturen, sondern neue
Geschäftsmodelle. Wohnungswirtschaft ist nicht kompliziert, sie ist keine
Raketentechnologie. Was wir brauchen, ist eine Digitalisierungskompetenz.
Nur so kann die Wohnungswirtschaft die Zukunft bewältigen und aktiv
mitgestalten.“
Lars Ernst
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4|2019
MARKT UND MANAGEMENT