Die Wohnungswirtschaft 4/2019 - page 58

dieses alten Fahrstuhls, bei dem man auf einer Etage ein- und auf einer
anderen Etage wieder aussteigt. So müssen wir Kommunikation und Infor-
mation im Unternehmen verstehen: als Möglichkeit, zwischen den Ebenen
zu springen. Denn die Führungskraft soll ja Impulsgeber sein und nicht
autoritäre Instanz, die alles bestimmt.
Wichtig ist auch, für die Zukunft offen zu sein und mit seiner IT-Landschaft
und seiner Struktur nicht in eine Sackgasse zu geraten. Ich stelle mir die
IT vor wie das Weltall: Wir sind gewissermaßen die Erde, an die man alles
anflanschen kann, was die Zukunft an Start-ups, Proptechs oder was auch
immer bringen wird. Wir können jetzt ja noch gar nicht beurteilen, wie die
Lage in fünf Jahren sein wird.
Im Bereich der politischen Wertediskussion müssen wir es als Vermieter
schaffen, Wertschätzung bei den Mietern, der Politik und den Interes-
senvertretungen zu erlangen. Um das zu erreichen, müssen wir die Pola-
risierung von Mietern und Vermietern versachlichen. Dafür braucht es
Argumente. In Dortmund haben wir uns als Unternehmen deshalb enga-
giert in die Diskussion um die Methodik des
neuen Mietspiegels eingebracht. Wir sind
sehr dafür, deutschlandweit einheitliche
Standards für Mietspiegel zu schaffen und
so zur Versachlichung der Diskussion bei-
spielsweise bei der Umlage der energeti-
schen Modernisierung beizutragen.
Ein letzter Punkt: Die Wohnungswirtschaft
muss eine Qualitätsoffensive starten. Hier
besteht die Herausforderung darin, dass
wir eine Branche mit vielen kleinen Unternehmen sind, die wenig Mittel
für den Bereich Forschung und Entwicklung haben. Die Qualitätsoffen-
sive muss in allen Geschäftsfeldern vorangebracht werden. Unsere Pflicht
als Führungskräfte ist es, unter den zahlreichen Aufgaben, vor denen wir
stehen, eine Priorisierung vorzunehmen und die Schwerpunkte der Arbeit
vorzugeben.
Ich möchte einige Punkte ansprechen, die uns in Zukunft beschäftigen
werden. So wirft der Klimawandel die Frage auf, ob die heutigen Wohn-
formen in 30 oder 40 Jahren noch angemessen sind oder ob wir nicht eher
umdenken müssen – vor allem, wenn wir über energetische Modernisie-
rung sprechen. Auch mit der Regulatorik muss sich die Branche frühzeitig
auseinandersetzen, denn der Einfluss der Politik nimmt zu. Wenn Wachs-
tum in Zukunft nicht mehr über die Miete generiert werden kann, weil die
Politik deren Steigerung noch stärker begrenzt, müssen frühzeitig andere
Wachstumstreiber identifiziert werden.
Wohnraum ist Veränderungsraum. Und auch im Kontext der Digitalisierung
müssen wir über die Änderung unseres Geschäftsmodells diskutieren. Die
Erwartungen der Mieter an ihre Wohnung und das dahinterstehende Unter-
nehmen verändern sich.
So werden immer mehr Stimmen laut, dass
die Wohnungswirtschaft nicht nur die Auf-
gabe hat, Wohnraum zur Verfügung zu stel-
len, sondern dass die Mieter vom Vermieter
zusätzliche Dienstleistungen einfordern.
Denn wer den Tag am Computer beginnt und
mit dem Smartphone beendet, der erwartet
womöglich auch von seinem Wohnungsun-
ternehmen, dass dieses auf der Höhe der
Zeit ist. Reicht es also zukünftig, wenn die
Wohnungswirtschaft sich darauf beschränkt, Wohnraum zur Verfügung zu
stellen? Oder kommen nicht vielmehr zusätzliche Dienstleistungen von der
Versorgung bis zur Freizeitgestaltung dazu? Einige Immobiliengesellschaf-
ten setzen sich bereits jetzt intensiv mit solchen Fragen auseinander. Auch
die Wohnungswirtschaft muss sich dieser Herausforderung stellen.
Mit Blick auf die Digitalisierung sollten wir auch über die Möglichkeit des
sog. Flat-Wohnens reden: Der Mieter will nicht mehr Kaltmiete, Neben-
kosten und sonstige Dienstleistungen separat abgerechnet sehen, sondern
einen Gesamtbetrag an sein Wohnungsunternehmen bezahlen. Das hört
sich vordergründig recht einfach an, aber wenn man genauer hinschaut,
fallen ganze Industriesegmente aus der Wertschöpfungskette heraus. Man
braucht in diesem Fall ja keine Nebenkostenabrechnung im eigentlichen
Sinne mehr.
Dieser Diskussion sollte sich die Wohnungswirtschaft frühzeitig stellen.
Denn auch andere Industrien denken nicht mehr nur in ihrem Kerngeschäft,
sondern entwickeln industrieübergreifende Geschäftsmodelle und dringen
damit in das Geschäftsmodell der Wohnungswirtschaft ein.
Lars Ernst, Managing Director – Group Business Consulting & Services, Aareal Bank AG, Wiesbaden
In vielerlei Hinsicht umdenken
Weiter geht es mit der Diskussion
56
4|2019
MARKT UND MANAGEMENT
1...,48,49,50,51,52,53,54,55,56,57 59,60,61,62,63,64,65,66,67,68,...84
Powered by FlippingBook