die dieses Thema in der Wohnungswirtschaft be-
spielen. Jeder hat seine eigene App, seine eigene
Plattform. Wenn wir der künstlichen Intelligenz
in der Wohnungswirtschaft aber zumDurchbruch
verhelfen wollen, dann brauchen wir ein System,
bei dem alle diese Anwendungen miteinander
sprechen können und das wirklich KI-fähig ist.
Das werden wir niemals alleine schaffen können.
Deshalb brauchenwir eine Allianz der Willigen, an
der sich auch andere Branchen beteiligen. Nötig
ist eine neutrale Plattform mit den wesentlichen
Anbietern.
Lars Ernst:
Das kann ich nur unterstützen. Wir
sollten unsere Berührungsängste verlieren. Ich
habe den Eindruck, als würde die Wohnungswirt-
schaft gern mal das Rad neu erfinden. Aber heute
kommt kein Unternehmen, das erfolgreich sein
will, an Kooperationen vorbei. Gerade bei der Digi-
talisierungmüssenwir uns öffnen. Wennwir darü-
ber nachdenken, wie sich zukünftig ERP-Systeme
entwickelnwerden, dann stellenwir fest, dass im-
mer mehr Industrien über modulare IT-Systeme
nachdenken. Modularität bedeutet, dass Systeme
nicht proprietär und nicht monolithisch sind.
Axel Gedaschko:
Das liegt übrigens auch im In-
teresse der deutschen Anbieter. Diese befürchten
nämlich, ansonsten vom Markt zu verschwinden,
weil die große Plattform mit den entsprechen-
den Anwendungen möglicherweise woanders
herkommt. Dann würde die Wertschöpfung nicht
mehr in Deutschland und auch nicht in Europa
stattfinden. Und auch die Daten würden woan-
ders ausgewertet.
Thomas Hummelsbeck:
In der Tat sind die Auf-
gaben so komplex geworden, dass ein Unterneh-
men allein sie nicht mehr bewältigen kann. Ich
sehe deshalb eine große Chance in der regionalen
Zusammenarbeit. In unserer regionalen Arbeits-
gemeinschaft habe ich beispielsweise angeregt,
mit Hochschulen in der Umgebung Kontakt aufzu-
nehmen, um Partnerschaften einzugehen.
Jana Kilian:
Ich kann auch nur dafür plädieren,
dass wir uns als Wohnungswirtschaft zusammen-
schließen und gemeinsam überlegen, wie die Zu-
kunft erfolgreich gestaltet werden kann. Und wir
müssen offen für Bewerber anderer Branchen und
Quereinsteiger mit bunten Lebensläufen sein,
die andere Sichtweisen und frische Ideen mit-
bringen.
Lars Ernst:
Zur Offenheit gehört, dass wir unseren
Mitarbeitern den Freiraum geben, sich auch mal
mit anderen Themen auseinanderzusetzen. Wir
reden da über das Mindset. Wir müssen gewisser-
maßen die Köpfe öffnen. Wie es funktioniert, zeigt
uns die Start-up-Branche: Wenn die eine Idee hat,
dann setzt sie diese einfach um. Auch in unseren
Unternehmen, selbst in den kleinsten, gibt es doch
Mitarbeiter mit hervorragenden Ideen. Deshalb
sollte die Führungsebene sagen: Du hast eine Idee?
Okay, dann mach mal! Ja, das kostet ein bisschen
Geld, aber vielleicht gelingt es, auf dieseWeise ein
zusätzliches Geschäft zu generieren.
Franz-Bernd Große-Wilde:
Dabei müssen wir
aber auch die Aufsichtsräte und die anderen Gre-
mien berücksichtigen. Auch siemüssenwir bei der
Digitalisierung und der von ihr bewirkten Ände-
rungmitnehmen. Da gibt es zumindest imGenos-
senschaftswesen noch eine ganze Menge zu tun.
H
ans Sartoris:
Das halte ich für einen ganz wichti-
gen Punkt. In der Vergangenheit habenwir unsere
Bauprogramme, unsere Mietenpolitik, unsere In-
vestitionstätigkeit aktiv in die Gremien kommu-
niziert und somit eine gute Basis für unser Tun
geschaffen. Dasselbe wird jetzt anstehen für die
Frage, wie verhalten wir uns – egal ob genossen-
schaftliches oder kommunales Wohnungsunter-
nehmen –mit demZukunftsthema Digitalisierung?
Hier hilft uns mit Sicherheit eine Beschlusslage
über die Eckpunk-
te zu den Zielen
und der konkreten
Vorgehensweise
im jeweiligen Un-
ternehmen.
Klaus Leuchtmann:
Es wird uns gar nichts ande-
res übrigbleiben, als einen neuen Weg zu finden,
weil unser Geschäftsmodell sonst unter dem Ein-
fluss der Digitalisierung zu erodieren droht. Erstes
Opfer wären wahrscheinlich die Fremdverwalter.
Denn eine Plattform, die sämtliche Kernprozesse
abbildet, wäre für sie eine ernsthafte Konkurrenz.
Dann bliebe demVerwalter vielleicht nur noch die
Leitung der Eigentümerversammlung übrig. Ich
binmir aber nicht sicher, ob der deutscheMarkt für
eine solche zukunftsweisende Lösung groß genug
ist oder obwir eine europäische Lösung brauchen.
Diese Lösung muss auch politisch flankiert wer-
den. Ich stellemir eine Open-Source-Software vor,
die allen Wohnungsunternehmen offensteht. Die
Kernfrage ist jedoch, wie wir die Führungskräfte
und dann in einem zweiten Schritt die Aufsichts-
räte davon überzeugen, den nötigen Weitblick
zu entwickeln und die erforderlichen Mittel für
ein solches Projekt zu genehmigen. Es geht also
auch um die Bereitschaft und ggf. die Kompetenz
der Führungsebene, ihr Team und auch ihre Auf-
sichtsgremien auf den Weg der Digitalisierung
mitzunehmen.
Franz-Bernd Große-Wilde:
Wir Genossenschaf-
tenmüssen darüber hinaus auch unsereMitglieder
mitnehmen. Auch da habenwir einen schwierigen
Change-Management-Prozess vor uns, weil sich
mit dem Unternehmen auch die Mitglieder ver-
ändern müssen. Wir merken, dass die Genossen-
schaftsmitglieder sehr besitzstandswahrend sind
und nicht unbedingt erpicht darauf, zu wachsen,
neu zu bauen und Teil einer offenen, toleranten
Gesellschaft zu sein. Manche Mitglieder wer-
„Wenn wir der künstlichen Intelligenz in der Wohnungswirt-
schaft aber zum Durchbruch verhelfen wollen, dann brauchen
wir ein System, bei dem alle diese Anwendungen miteinander
sprechen können und das wirklich KI-fähig ist.“
Axel Gedaschko
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4|2019