Die Wohnungswirtschaft 4/2019 - page 61

der Lage sind, zusammen mit der Bauzulieferin-
dustrie und allen anderen Beteiligten Innovations-
prozesse voranzutreiben und so dazu beizutragen,
die momentan hohen Kosten messbar zu senken.
Jürgen Steinert:
Da spielt ja Ihre Institution,
lieber Herr Leuchtmann, eine wichtige Rolle.
Manchmal frage ich mich, ob sich die Mitglieder
des GdW und seiner Regionalverbände eigentlich
bewusst sind, welches Pfund wir als Branche mit
demEBZ in der Hand haben, und ob sie die Vielzahl
der Angebote wirklich optimal nutzen. Das EBZ
ist entscheidend für die Weiterentwicklung der
knappsten Ressource, die wir in den nächsten Jah-
ren haben, nämlich des qualifizierten Personals.
Ich darf in diesemZusammenhang daran erinnern,
wie mühsam es war, das EBZ aus der Taufe zu he-
ben. Ich bin heilfroh, dass wir uns damals gegen
gewaltigen Widerstand durchgesetzt haben und
das EBZ heute wie selbstverständlich existiert.
Thomas Hummelsbeck:
Wenn Herr Leuchtmann
über die Entwicklung imPersonalbereich spricht,
bin ich immer sehr aufmerksam. Er hat nun wirk-
lich das Ohr amPuls der Zeit. Auch höre ich aus den
Unternehmen gelegentlich die Einschätzung: „Was
sollen wir mit studierten Fachkräften anfangen?
Die sollen ihre kaufmännische Ausbildung ma-
chen, das muss reichen.“ Dahinter steht vielleicht
auch ein bisschen die Angst vor der jungen Konkur-
renz, diemöglicherweise schlauer sein könnte als
der Geschäftsführer. Bei uns ist das ganz anders:
Jeden, der sich als Talent erweist, unterstützen
wir umfassend, wenn sie oder er ein Studium ab-
solvierenmöchte. Natürlich in der Hoffnung, dass
sie oder er anschließendmöglichst lange unserem
Unternehmen treu bleibt.
Hans Sartoris:
Beim Thema Mitarbeiter/Perso-
nalrekrutierung stehen auch wir vor neuen Her-
ausforderungen. In den letzten Jahren waren wir
mit der Konzentration auf Immobilienkaufleute
erfolgreich. Die haben wir in einem Umkreis von
50 km rund um Würzburg gut rekrutiert und
gewissermaßen „abgesaugt“ oder wir haben sie
selbst ausgebildet. Mit den zukünftigen Heraus-
forderungen stoßenwir hier allerdings anGrenzen.
Für den digitalen Kunden der Zukunft, reibungslos
ablaufende Geschäftsprozesse und immer kom-
plexer werdende Fragestellungen brauchen wir
besondere Kompetenzen und Fähigkeiten – Pro-
file, die in den derzeitigen Ausbildungsplänen für
Immobilienkaufleute wenn überhaupt dann doch
nur sehr reduziert vorhanden sind.
Jana Kilian:
Ich bin nicht der Ansicht, dass wir
unseren Nachwuchs immer unbedingt selbst aus-
bilden müssen. Wenn es uns gelingt, als Branche
mit einer gesellschaftspolitisch so wichtigen und
gleichzeitig attraktiven Aufgabe wie die angemes-
sene Wohnraumversorgung vieler Bevölkerungs-
schichten bekannter zu werden, dann werden wir
auch mehr Aufmerksamkeit von Young Professi-
onals aus anderen Bereichen bekommen. Sicher,
das braucht Geld für gute Kampagnen, und das
möglichst bundesweit und bestenfalls einheitlich.
Und seien wir doch ehrlich: Ein kluger Studien-
abgänger, der gelernt hat, Geschäftsprozesse zu
analysieren und Sachverhalte zu bewerten, ist in
der Lage, sich das spezifischwohnungswirtschaft-
liche Fachwissen relativ schnell im Unternehmen
anzueignen.
Franz-Bernd Große-Wilde:
Ihren Ansatz einer
Imagekampagne unterstütze ich. Dafür brau-
chen wir ein Baukastensystem, wie es sich bei der
Imagekampagne der Wohnungsgenossenschaften
bewährt hat – also ein System mit einem Mantel,
der auf Landes- und kommunaler Ebene ergänzt
werden kann.
Jana Kilian:
Dass es gelingen kann, Mitarbeiter
aus anderen Branchen zu gewinnen, zeigt fol-
gendes Beispiel: Für das Thema Digitalisierung
haben wir kürzlich einen Branchenfremden ein-
gestellt, der kein halbes Jahr gebraucht hat, un-
ser Unternehmen und unser Geschäftsmodell zu
verstehen. Dass wir in der verbandsorganisierten
Wohnungswirtschaft werteorientiert und langfris-
tig ausgerichtet arbeiten – und damit meine ich
nicht unsere bilanziellenWerte – scheint sich her-
umzusprechen. Wir erhalten z. B. gerade in letzter
Zeit auch wieder Bewerbungen von Mitarbeitern
von Projektentwicklern und Bauträgern, die uns
sagen, dass sie nicht mehr ständig unter extremem
Zeit- und Kostendruck arbeitenwollen für ein Pro-
dukt, das nach Fertigstellung direkt den Eigen-
tümer wechselt. Wir können hier leistungsfähige
junge Leute abfischen, die von der Sinnhaftigkeit
unserer Tätigkeit
überzeugt sind
und sich mit un-
seren Aufgaben
gut
identifi-
zieren können.
Insofern haben
wir aus meiner
Sicht gute Chancen, auch zukünftig engagierte
Mitarbeiter zu gewinnen.
Hans Sartoris:
Ihre Erfahrungen, Frau Kilian,
ermuntern uns, auch wir werden zukünftig of-
fener für Branchenfremde werden müssen. Ein
zweiter Ansatz ist, dass wir jungen Akademikern
eine Chance in unserer Branche geben wollen,
so basteln wir derzeit an einem 2-jährigen Trai-
nee-Programm für junge Studienabsolventen.
Konkretes Ziel des ersten im April startenden
Traineeprogramms wird es sein, sämtliche Kun-
denbeziehungen, heute Touchpoints genannt, für
die Zukunft klar zu definieren und dazu Festlegun-
gen zu treffen. Auch ich halte das Thema Sinnhaf-
tigkeit der Tätigkeit in der Wohnungswirtschaft
für einen guten Ansatzpunkt. Hier denke ich aber,
dass wir noch sehr stark selbst amThemaWer-
Dr. Wolfgang Pfeuffer
Klaus Leuchtmann
Jürgen Steinert
„Den Ansatz einer Imagekampagne unterstütze ich. Dafür
brauchen wir ein Baukastensystem, wie es sich bei der Image-
kampagne der Wohnungsgenossenschaften bewährt hat – also
ein System mit einem Mantel, der auf Landes- und kommunaler
Ebene ergänzt werden kann.“
Franz-Bernd Große-Wilde
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