diesen durchaus populären Forderungen eine
Reaktion auf das Versagen der Berliner Politik.
Denn diese hat die Mittel des Bundes für den so-
zialenWohnungsbau viele Jahre lang nicht für den
Wohnungsbau, sondern für die Schuldentilgung
eingesetzt und damit eigentlich zweckentfremdet.
Ich setze das an den Anfang, weil Branchenvertre-
ter, die nicht ständig in der chaotischen politischen
Landschaft der deutschen Hauptstadt leben, nicht
alle diese Entwicklungen kennen können. Diese
Entwicklungen gehören jedoch zu den Herausfor-
derungen, mit denen wir umgehen müssen. Aber
Ihre Statements haben gezeigt, dass es noch zahl-
reiche andere Herausforderungen gibt.
Axel Gedaschko:
Herr Ernst hat die Klimaanpas-
sungsstrategie angesprochen. Wir müssen auch
über die Erreichung der Klimaziele sprechen. Diese
Aufgabe erscheint im Moment unlösbar. Um die
Ziele für 2030 zu erreichen, müsstenwir zusätzlich
fast 1 Billion € für den Immobiliensektor ausge-
ben. Und wir bräuchten Handwerkerkapazitäten,
die umdas 2- bis 3-fache über dem liegen, was wir
heute haben. Das heißt: Mit den heutigen Metho-
den, alsomit Dichten und Dämmen, könnenwir die
Ziele definitiv nicht erreichen. Wir werden sie nur
erreichen, wennwir die Art der Energieerzeugung
verändern und die Dekarbonisierung umfassend
betrachten. Deshalb werden wir eine Diskussion
bekommen, wie die Wohnungswirtschaft in den
Emissionshandel einbezogen werden kann. Wenn
aber eine CO
2
-Bepreisung kommt, dann stellt sich
die gleiche Frage wie bei der Grundsteuer: Trägt
sie der Mieter oder der Vermieter? Wenn der Ver-
mieter die Kosten zu tragen hat, dann sindwir ganz
schnell bei Flatrate-Modellen, wie sie Herr Ernst in
seinem Eingangsstatement erwähnt hat.
Thomas Hummelsbeck:
Bei einem Flatrate-Mo-
dell sind wir dabei. Wir wollen das Abrechnungs-
thema selbst in der Hand haben. Davon wird vor
allem der Mieter profitieren.
Dr. Wolfgang Pfeuffer:
Mit einer Flatrate wür-
den Sie auch bei uns offene Türen einrennen. Aber
die deutsche Rechtsprechung und Rechtsetzung
bremst uns dabei leider aus. Diese Gefahr sehe
ich im Übrigen auch auf dem Feld der Digitalisie-
rung. Zwar haben wir es geschafft, einen Online-
Mietvertrag für Studenten auszuarbeiten, der am
Bildschirmohne Unterschrift abgeschlossenwird.
Ob dies allerdings gerichtsfest ist, muss sich noch
zeigen. Die Kunden jedenfalls wollen und akzep-
tieren es.
Hans Sartoris:
Bei dem fast unendlich breiten und
komplexen Feld der Digitalisierung stehenwir aus
meiner Sicht mehr undmehr vor eher grundsätzli-
chen Fragestellungen. Zumeinen die der Priorisie-
rung, also um welche Themen kümmern wir uns,
welche beobachten wir aktiv und welche lassen
wir derzeit außen vor. Ein zweites grundsätzliches
Thema ist die Vernetzung mit Akteuren, die weit
entfernt von der Wohnungswirtschaft Dinge ent-
wickeln und von denen wir genauso wenig wissen
wie die von uns. Warum soll nicht der ein oder
andere aus der Wohnungswirtschaft zu einemHa-
ckerkongress nach Köln fahren und die dort mit
Sicherheit gewonnenen spannenden Eindrücke
zurück in die Branche speisen? Und ein drittes
grundsätzliches Thema wird sicherlich auch das
der Werte und der jeweiligen Unternehmenskul-
tur sein. Spätestens wennwir uns mit demThema
künstliche Intelligenz in allen seinen Facetten be-
fassen, wird dies zwingend notwendig.
Klaus Leuchtmann:
Alle globalen Megatrends
wie Digitalisierung, Globalisierung, Klimaschutz
und Nachhaltigkeit, Demografie, Wertewandel
und veränderte Arbeitswelt sind mit Wucht in der
Wohnungswirtschaft angekommen. Die Zunahme
an Komplexität und Veränderungsgeschwindigkeit
ist sehr hoch. Für alle Themengebietemüssen Ide-
en und Konzepte entwickelt werden. Und dafür
brauchen wir zwei Dinge: Deutlich höher quali-
fizierte Mitarbeiter und Budgets für Forschung
und Entwicklung. Ichmuss allerdings immer noch
Diskussionen darüber führen, wozu Unternehmen
denn die Bachelor und Master wirklich brauchen.
Und mit Crowdfunding-Projekten sind wir noch
nicht wirklich weitergekommen. Nehmen wir als
Beispiel die Themen Nachhaltigkeit und Klima-
schutz. Es stellt sich die Frage, wo eigentlich die
Mitarbeiter der Wohnungswirtschaft sind, die in
Jana Kilian
Axel Gedaschko
Hans Sartoris
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4|2019
MARKT UND MANAGEMENT