Zu den dringenden aktuellen Aufgaben in
Hamburg gehört es, neuen Wohnraum zu
bezahlbaren Mieten zu schaffen. In Ham-
burg hat dies in den vergangenen Jahren
auch dank des langjährigen Bündnisses für
das Wohnen mit dem Senat ganz gut funk-
tioniert. Dennoch zeichnet sich ab, dass wir
aufgrund der immer vielfältigeren Aufla-
gen und Anforderungen und der erheblich
gestiegenen Baupreise kaum noch Woh-
nungen zu vertretbaren Nutzungsentgelten für unsere Mitglieder erstel-
len können.
Vor große Herausforderungen stellt uns auch die Digitalisierung. Sie
wird zu tiefgreifenden Veränderungen der wohnungswirtschaftlichen
Arbeitswelt führen. Dabei denke ich weniger an technologische Fragen
als vielmehr an eine Veränderung der Kultur in den Unternehmen. Dieser
Kulturwechsel trifft auf den sich noch verstärkenden Fachkräftemangel
und auf den großen Generationswechsel durch das Erreichen der Renten-
grenze der geburtenstarken Jahrgänge. Aber genau hierin liegt auch eine
Chance.
Durch die klassische Ausbildung in den Unternehmen sichern wir den
fachspezifisch ausgebildeten Nachwuchs. Wir müssen aber auch vermehrt
die Teilnahme an dualen Studiengängen anbieten und interessante Pra-
xissemester für Studierende anbieten, um auch junge Leute aus anderen
Fachrichtungen für die Wohnungswirtschaft zu begeistern. Genau diese
Gruppen werden keine Probleme mit der Digitalisierung haben. Es gilt
aber auch, die erfahrenen Mitarbeiter im Unternehmen zu halten. Gute
Erfahrungen haben wir in unserem vor acht Jahren begonnenen Change-
Management-Prozess damit gemacht, die Mitarbeiter über die anstehen-
den Veränderungen in einem stetigen Kommunikationsprozess auf dem
Laufenden zu halten. Gleichzeitig haben wir in verstärkte Fortbildung
investiert und bereits Projekte in Richtung Digitalisierung umgesetzt.
Tatsächlich haben wir uns in diesem Prozess von keinem Mitarbeiter tren-
nen müssen.
Die weitere Digitalisierung wird bei uns im Unternehmen erneut zu einer
Kulturdiskussion führen, die am Ende neue Organisationsformen hervor-
bringen wird. Die klassische Hierarchie, wie wir sie kennen, wird es nicht
mehr geben. Vielmehr werden sekundäre Organisationsformen wie Netz-
werk-, Projekt- und Prozessorganisation zu integrieren sein. Das Ergebnis
ist heute noch offen.
Derzeit beschäftigen wir uns im Unternehmen mit Digitalisierung in drei
Clustern: Auswirkungen auf die Kundenbeziehung und deren Ansprüche,
Auswirkungen auf die Gebäude und Quartiere sowie auf die Unterneh-
menskultur und -organisation. Nach unserem bisherigen Kenntnisstand
gehen wir davon aus, dass die Digitalisierung keine Arbeitskräfte freisetzt.
Vielmehr gehen wir von einer Veränderung der Schwerpunkte aus. Einer-
seits werden wir Standards für digital abzuarbeitende Themen einführen,
die uns andererseits Freiräume für Individualität in der Mitgliederbetreu-
ung geben.
Wir wollen als Wohnungsbaugenossenschaft weiterhin unsere Mitglieder-
beziehungen stärken, Gemeinschaft in den Quartieren fördern und das
Ehrenamt unterstützen. Dazu entwickeln wir wohnbegleitende Angebote,
errichten Gemeinschaftstreffs und machen unsere Mitarbeiter auch fit für
diese Aufgaben.
Die dynamischen Veränderungen der heutigen Zeit führen dazu, dass wir
als Führungskräfte dynamisch denken und handeln müssen. Wir müssen
verstehen, dass Change Management kein einmaliger Prozess ist, der
irgendwann zum Abschluss kommt, sondern zum Normalzustand wird.
Wenn die Belegschaft fragt, ob jetzt endlich wieder Ruhe einkehrt, müssen
wir ehrlich antworten: Es kehrt nie mehr Ruhe ein, und, liebe Mitarbeiter,
gewöhnt euch bitte dran. Change Management darf aber nicht bedeuten,
dass wir den Mitarbeitern das Gefühl geben, das bisher Geleistete sei nichts
wert. Es bedeutet vielmehr, selbstbewusst mit dem Geleisteten umzu-
gehen: Wir bringen das Unternehmen zeitgemäß weiter, was nur deshalb
möglich ist, weil wir bereits auf einem sehr guten Stand sind. Es gehört zur
Aufgabe der Führungskräfte in einem Change-Management-Prozess, dem
Unternehmen ein klares Profil und eine eindeutige Ausrichtung zu geben.
Nur dann erkennen die Mitarbeiter, wohin sich das Unternehmen weiter-
entwickeln soll. Nichts ist schlimmer, als wenn die Mitarbeiter das Gefühl
haben, die Orientierung sei verlorengegangen.
Von zentraler Bedeutung ist dabei das Thema Information und Kommu-
nikation. Wir verdeutlichen das bei uns am Beispiel des Paternoster,
Jana Kilian, Vorstand, HANSA Baugenossenschaft eG, Hamburg
Wie es gelingt, die Mitarbeiter mitzunehmen
Franz-Bernd Große-Wilde, Vorstandsvorsitzender, Spar- und Bauverein eG, Dortmund
Change Management wird zum Normalzustand
Der Wertewandel zeigt sich natürlich auch bei den Kunden. Sie sind unge-
duldig und erwarten eine Prozessqualität, wie sie sie von Amazon gewöhnt
sind. Früher reichte es, innerhalb von fünf Tagen zu antworten. Heute
muss es am selben Tag sein, möglichst in Echtzeit, gern auch um zwei Uhr
nachts.
Alle diese gesellschaftlichen Entwicklungen tragen dazu bei, dass wir
auch als EZB vor einer großen Herausforderung stehen. An uns werden
ganz unterschiedliche Anforderungen herangetragen, und wir müssen der
zunehmenden Ausdifferenzierung in den Unternehmen gerecht werden.
Ein Teil der Unternehmen kritisiert uns, wir seien zu abgehoben, nicht
mehr bodenständig genug. Ein anderer Teil erwartet von uns einen hohen
Innovationsgrad. Das bedeutet auch, dass wir in einer deutlich höheren
Geschwindigkeit über unsere Lehrinhalte nachdenken und die Angebote
viel schneller als früher an die aktuellen Entwicklungen anpassen müssen.
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4|2019