Die Wohnungswirtschaft 4/2019 - page 62

te, Einstellungen und Haltungen gemeinsam mit
der jüngeren Generation in unseren Unternehmen
arbeiten müssen.
Franz-Bernd Große-Wilde:
Das kann ich nur be-
stätigen. Wir sind sicherlich in Nordrhein-Westfa-
len die ausbildungsstärkste Genossenschaft. Wir
haben aber im Moment auch sehr viele positive
Effekte durch Mitarbeiter, die von außen zu uns
kommen, beispielsweise imRechts- und im IT-Be-
reich. Wir müssen aber auch festhalten, dass Woh-
nungswirtschaft immer noch einMassengeschäft
mit vielen Routinetätigkeiten ist. Zunehmend ha-
benwir Schwierigkeiten, gute Leute für klassische
Sachbearbeitertätigkeiten zu bekommen. Wenn
wir einen talentierten Studenten haben, dann hat
der keine Lust, hinterher 12.000 Betriebskosten-
abrechnungen zu fahren. Das bedeutet, dass wir
nicht nur bei den Supertalenten, sondern auch bei
den anderen Mitarbeitern für eine breite Qualifi-
zierung sorgen müssen. Denn auch sie haben mit
Energiethemen und Digitalisierung zu tun. Wir
brauchen außerdem andere Arbeitsmodelle und
müssen den Tarifvertrag flexibler gestalten, um
die Tätigkeit im Homeoffice zu ermöglichen und
die Work-Life-Balance zu erleichtern. Denn es ist
genau so, wie Frau Kilian sagt: Viele Mitarbeiter
suchen Sinnhaftigkeit.
Klaus Leuchtmann:
Die Digitalisierung führt
dazu, dass Sie, Herr Große-Wilde, in Zukunft
keine Mitarbeiter mehr für die Betriebskosten-
abrechnung brauchen werden. Ich halte fast 50%
der kaufmännischen Sachbearbeitung für digitali-
sierbar. Dann stellt sich die Frage, ob einMitarbei-
ter, der sein Leben lang in der Mietenbuchhaltung
verbracht hat, später ein guter Kundenbetreuer
Franz-Bernd Große-Wilde
Lars Ernst
Thomas Hummelsbeck
wird. Spannend ist übrigens, dass trotzdem 55%
der Immobilienunternehmen sagen, sie bräuchten
in Zukunft aufgrund gestiegener Kundenerwar-
tungen mehr Personal. Offenbar finden die Aus-
wirkungen der Digitalisierung keinen Niederschlag
in der Personalplanung.
Axel Gedaschko:
Ich bezweifle sehr, dass es we-
gen der Digitalisierung zur Freisetzung von Per-
sonal kommenwird. Wir haben dazu eine Umfrage
durchgeführt. Dabei zeigte
es sich, dass weniger als 5%
der UnternehmenMitarbeiter
freisetzen wollen. Glückli-
cherweise haben die Unter-
nehmen nämlich erkannt,
dass sie sich um ihre Mitar-
beiter kümmernmüssen, damit sie auch später die
guten Leute noch im Unternehmen haben.
Thomas Hummelsbeck:
Ich bin mir ebenfalls
nicht sicher, ob die Digitalisierung in die Trennung
von Mitarbeitern münden muss. Als kirchlich ge-
bundenes Unternehmen haben wir da sicher auch
noch eine besondere Verantwortung den Mitar-
beitern gegenüber.
Jana Kilian:
Wir gehen derzeit nicht davon aus,
dass der Digitalisierungsprozess zu nennenswer-
ten Personaleinsparungen führt. Vielmehr planen
wir, dann frei werdende Kapazitäten dort einzu-
setzen, wo wir den persönlichen Service und die
Betreuung für die Mitglieder erweitern können.
Die demografische Entwicklung, der finanziell
eher enger werdende Rahmen unserer Bewohner
sowie die kulturelleMischung in unseren Quartie-
ren wird zu einem höheren Betreuungsaufwand
führen. Und die Erfahrung aus unserembisherigen
Change-Management-Prozess hat gezeigt, dass
es gelingen kann, Mitarbeiter zu halten, wenn
man sie von der notwendigen strukturellen und
persönlichen Weiterentwicklung überzeugt und
in ihre Weiterbildung investiert, um sie für die
zukünftigen Aufgaben fit zu machen.
Hans Sartoris:
Eine Kombination aus frischen
branchenfremden Mitarbeitern von außen und
der Weiterentwicklung der eigenen wird wahr-
scheinlich der Weg sein. Für unser Unternehmen
gehe ich übrigens davon aus, dass die digitale
Transformation zu einem Anstieg unserer Perso-
nalstärke führen wird.
Dr. Wolfgang Pfeuffer:
Auch wir haben nicht die
Absicht, wegen der Digitalisierung einen bestimm-
ten Prozentsatz unserer Mitarbeiter freizusetzen.
Aber wir verlangen von denMitarbeitern, dass sie
ihre Denke verändern, sich von liebgewonnenen
Gewohnheiten verabschieden und sich mehr an
den Kunden orientieren. Für die Betriebskosten-
abrechnung z.B. brauchen wir in Zukunft keine
Mitarbeiter mehr, das werden digitale Kollegen
erledigen. Das bedeutet in der Konsequenz, dass
die Mitarbeiter, die bisher die Betriebskostenab-
rechnung gemacht haben, sich umorientieren
müssen. Das kann man persönlich für schlecht
halten, aber der Markt geht eindeutig in diese
Richtung. Ob dann aus jedem Sachbearbeiter ein
guter Kundenbetreuer wird, weiß ich – genau wie
Herr Leuchtmann – nicht.
Lars Ernst:
In der Digitalisierung sehe ich einMit-
tel, um die Situation im HR-Bereich zu entspan-
nen. Wir merken ja, was die künstliche Intelligenz
alles kann, wenn wir beispielsweise am Telefon
Antworten von einem Roboter bekommen, ohne
zu erkennen, dass es ein Roboter ist. Auch in der
Wohnungswirtschaft werden wir den Einsatz von
KI sehen, davon bin ich überzeugt.
Axel Gedaschko:
Beim Stichwort künstliche In-
telligenz würde ich gern einhaken. Die Branche
investiert im Jahr bundesweit 16 Mrd. €. Damit
ist sie ist einer der größten Investoren überhaupt.
Sie übernimmt aber i.d.R. diejenigen Lösungen,
die ihr angeboten werden, während andere Bran-
chen wie selbstverständlich bestimmen, was sie
brauchen. Ganz gefährlichwird das bei der künst-
lichen Intelligenz. Es gibt verschiedene Anbieter,
„Die Digitalisierung führt dazu, dass in Zukunft keine
Mitarbeiter mehr für die Betriebskostenabrechnung
gebraucht werden. Ich halte fast 50% der kaufmänni-
schen Sachbearbeitung für digitalisierbar. “
Klaus Leuchtmann
60
4|2019
MARKT UND MANAGEMENT
1...,52,53,54,55,56,57,58,59,60,61 63,64,65,66,67,68,69,70,71,72,...84
Powered by FlippingBook