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4|2019
Bilanz- und Steuerwissen –
Aktuelles aus den Prüfungsorganisationen des GdW
Tax-Compliance-Management-System:
Wo steht die Praxis nach über zwei Jahren?
Seit über zwei Jahren steht das Thema Tax-Compliance-Management-System (TaxCMS) ganz oben auf der
Agenda der Unternehmens-Compliance. Initialzündung war am 23. Mai 2016 die Veröffentlichung eines
Schreibens des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) zur Ergänzung des Anwendungserlasses zur
Abgabenordnung zu § 153 AO. Doch was hat sich in der bisherigen Zeit getan? Was kann man daraus lernen?
Im BMF-Schreiben vom 23. Mai 2016 heißt es in
Tz. 2.6 u. a. „Hat der Steuerpflichtige ein innerbe-
triebliches Kontrollsystem eingerichtet, das der
Erfüllung der steuerlichen Pflichten dient, kann
dies ggf. ein Indiz darstellen, das gegen das Vor-
liegen eines Vorsatzes oder der Leichtfertigkeit
sprechen kann, jedoch befreit dies nicht von einer
Prof. Dr. Michael Pannen
VdW Rheinland Westfalen
Steuerabteilung
Düsseldorf
ABB. 1: GRUNDELEMENTE EINES TAXCMS
Kultur
Unternehmen bringt schlüssig und glaubhaft zum Ausdruck, dass „die Einhal-
tung steuerlicher Vorschriften wichtig ist, Verstöße nicht geduldet werden und
Zuwiderhandlungen unternehmensintern sanktioniert werden“.
Ziele
Abgeleitet aus allg. Unternehmenszielen und steuerlicher Situation: Festlegung
klarer und konsistenter Ziele des TaxCMS und Dokumentation der Festlegung
Organisation
Rollen, Verantwortlichkeiten und die zugehörige Ablauforganisation für Tax
Compliance werden definiert. Aufgaben, Verantwortlichkeiten, Prozesse,
Informationsketten und Schnittstellen werden eindeutig, umfassend und wider-
spruchsfrei geregelt.
Risiken
Identifikation und Analyse der Risiken: Klassifizierung der Risiken, Bewertung
Eintrittswahrscheinlichkeit und Folgen, Gewichtung der Risiken
Programm
Prozessbeschreibungen und daran angeknüpfte präventive und/oder detektive
Maßnahmen, die den Steuerrisiken entgegenwirken.
Kommunikation
Information über Aufgaben, Rollen und Verantwortlichkeiten sowie Organisa-
tion der Berichterstattung und der Kommunikation von Änderungen und neu
auftretenden Risiken
Überwachung und
Verbesserung
Überwachung hat in geeigneter Weise zu erfolgen, im Regelfall mittels eines
Plans und entsprechender Kontrollen. Dies umfasst auch die Sicherstellung von
Fortbildungsmaßnahmen.
Quelle: GdW
Prüfung des jeweiligen Einzelfalls.“
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Allein der Ti-
tel des BMF-Schreibens („Details zur Abgrenzung
der Anzeige und Berichtigungspflicht nach § 153
AO von einer strafbefreienden Selbstanzeige bei
Steuerhinterziehung (§§ 370, 371 AO)“) legte die
Sensibilität des Themas offen: Kann es sein, dass ein
Fehler bei der Erfüllung steuerlicher Pflichten (kon-
kret: fehlerhafte Abgabe einer Steuererklärung)
im Nachhinein strafrechtliche Relevanz hat? Wird
bei der Feststellung eines Mehrergebnisses bzw.
einer zusätzlichen Steuerzahlung imRahmen einer
Betriebsprüfung gleich ein Strafverfahren eröffnet?
Vorab: Das Handeln der Geschäftsleitung und der
für die Erfüllung steuerlicher Pflichten zuständi-
gen Mitarbeiter in Wohnungsunternehmen (Ka-
pitalgesellschaften und Genossenschaften) liegt
grundsätzlich fernab einer strafrechtlichen Rele-
vanz. Das Problem resultiert aus erforderlichen
Berichtigungen durch den Steuerpflichtigen bzw.
aufgedeckten Fehlern durch einen Betriebsprüfer
im Nachhinein. Denn bei derartigen Fehleraufde-
ckungen stellen sich leider in der Praxis häufig
folgende Fragen:
• Seit wann ist der Fehler bekannt? Hat man also
evtl. nicht rechtzeitig mit einer Berichtigung
reagiert?
• Oder: Hätte das Unternehmen den Fehler
nicht schon vorher erkennen müssen? Diese
Frage stellt sich gerade bei steuerlichen Re-
gelungen, die immobilienspezifische Tätigkei-
ten betreffen (z. B. Umsatzsteuerfreiheit der
Vermietung, gewerbesteuerliche erweiterte
Grundbesitzkürzung). Hier stellt die Finanzver-
waltung regelmäßig höhere Anforderungen an
den erforderlichen Wissensstand als bei nicht
immobilienspezifischen Regelungen.
Die Vergangenheit zeigte, dass auch die Finanz-
verwaltung unsicher wurde. Es wurde auch bei
relativ geringen Sachverhalten bzw. Beträgen
vorsorglich die Bußgeld- und Strafsachenstelle
eingeschaltet. Die Literatur sprach von der „Kri-
minalisierung des Besteuerungsverfahrens“.
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Das o. g. BMF-Schreiben versucht nun die regu-
läre Berichtigung oder Fehleraufdeckung von
strafrelevanten (bedingt) vorsätzlichen Steuer-
verkürzungen abzugrenzen. Das zentrale Abgren-
zungsmerkmal ist hierbei das Vorliegen eines in-
nerbetrieblichen Kontrollsystems für Steuern. Die
weiteren Schritte sind bekannt. Das Institut der
Wirtschaftsprüfer (IDW) veröffentlichte am