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2|2019
Den Wert kommunaler Wohnungsunternehmen haben insbesondere in Zeiten
des Mangels bezahlbarer Wohnungen viele Städte erkannt. Kommunen, die den
Verkaufsüberlegungen in den 2000er Jahren widerstanden haben, freuen sich
heute, andere gründen neue Immobilienunternehmen oder denken darüber nach.
Aber es gibt Beispiele für eine andere Herangehensweise. Im ostfriesischen Leer,
das als eine von zwölf niedersächsischen Kommunen mit angespanntem Woh-
nungsmarkt gilt, wurde z.B. auf den Verkauf von 300 stadteigenen Wohnungen
verzichtet und die Immobilienverwaltung neu aufgestellt. Und in Pinneberg
bei Hamburg gelang es, aus einem kreiseigenen Unternehmen eine florierende
Genossenschaft zu machen.
Eigenbetrieb soll Sanierungsstau auflösen
Jahrzehntelang waren in Leer Mietwohnungen Bestandteil des normalen Ge-
schäfts der Stadtverwaltung. Das Resultat: eine schlechte Verwaltung und ein
Sanierungsstau. Über viele Jahre wurde nicht in die etwa 300 Wohneinheiten
investiert, stattdessen flossen die Erlöse aus der Vermietung in den großen Topf
des städtischen Haushalts. Nachdem Anfang der 2000er Jahre Verkaufs- und
Kooperationsüberlegungen verworfen wurden, dauerte es bis 2015, ehe man
handelte. „Wir haben dann mit der ‚Kommunale Wohnungsverwaltung Leer‘
(KWL) einen Eigenbetrieb gegründet, eine Betriebsleitung aus der Wohnungs-
wirtschaft eingestellt und die gesamte Bewirtschaftung professioneller und
effektiver gestaltet“, berichtet Bürgermeisterin Beatrix Kuhl. Auch sei über
einen eigenen Wirtschaftsplan sichergestellt, dass alle Einnahmen für die KWL-
Aufgaben verwendet werden.
Erste Aufgabe der KWL sei es, den Sanierungsstau zu beenden und dabei sicher
zustellen, dass Mietanpassungen moderat ausfallen. Größere Neubaupläne
existieren derzeit nicht. Stattdessen wird bei der Bauleitplanung und bei der
Ausschreibung städtischer Grundstücke darauf geachtet, dass über eine Quote
geförderter Wohnungsbau sichergestellt wird. „Wir stellen uns den Heraus-
forderungen. Zur Stärkung des sozialen Wohnungsbaus haben wir ein Wohn-
raumversorgungskonzept aufgestellt und in Bebauungsplanverfahren werden
vermehrt Flächen für den sozialen bzw. bezahlbaren Wohnraum festgelegt“,
betont Kuhl. „Wir sind auf einem guten Weg“. Überlegungen, die KWL in eine
GmbH umzuwandeln oder eine strategische Partnerschaft einzugehen, gebe es
aktuell nicht.
Als Genossenschaft viel investiert und Identifikation gestärkt
Analog zum Vorgehen in Flensburg (siehe S. 34 in dieser DW) oder in Borken,
wo die WohnBau Westmünsterland eG im Dezember 2007 über ihre Tochter
Kreisbauverein GmbH die Kommunale Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft
mbH übernahm, sorgte auch der Pinneberger Weg für Aufsehen. Hier wollte
der Kreis Pinneberg 2004 seine Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft
mbH für den Kreis Pinneberg (GeWoGe GmbH) verkaufen, doch Bürgerproteste
verhinderten einen Millionendeal mit einem Investor. Statt des Verkaufs im
Höchstpreisverfahren wurden die Bestände zum März 2006 an die im Juli 2005 eigens gegründete Genossenschaft Neue GeWoGe Wohnungsbau-
genossenschaft eG (Neue GeWoGe) verkauft. Sie hat heute gut 2.500 Mitglieder und knapp 2.300 Wohnungen.
Das Konzept für die neue Genossenschaft hatte es in sich. Neben der Zahlung eines Kaufpreises von 47 Mio. € wurde dem neuen Unternehmen von
den finanzierenden Banken ein Investitionsprogramm mit einem Volumen von 58 Mio. € bereitgestellt. Damit wurden innerhalb von zehn Jahren
Wohnungsbauten der 1950er und 1960er Jahre durch angemessene Modernisierungen heute üblichen Wohnstandards angepasst. Parallel dazu
stieg die Genossenschaft wieder verstärkt in den Neubau ein. Von 2012 bis zum Jahresende 2018 wurden insgesamt 140 Wohnungen im Kreisge-
biet fertiggestellt, weitere 115 Wohnungen sind bis 2020 im Bau oder in Planung. Kai Lorenz, Vorstand der Neue GeWoGe: „Das heutige Ergebnis
zeigt, dass der von uns eingeschlagene Weg für alle Beteiligten der Beste war.“ Über das Genossenschaftsmodell seien die ehemaligen Mieter zu
Mitgliedern und damit zu Miteigentümern des gesamten Wohnungsbestandes geworden. „Dieses führt zu hoher Identifikation und starkem Enga-
gement der Bewohner für das Unternehmen, die Gemeinschaft und die Wohnquartiere. Hiervon profitieren alle.“
ALTERNATIVEN ZU NEUGRÜNDUNGEN: MIT UMWANDLUNG ERFOLGREICH
Kommunaler Eigenbetrieb statt Neugründung: Im ostfriesischen Leer
ist das Ziel, den Sanierungsstau der 300 städtischen Wohnungen
durch eine professionelle Verwaltung aufzulösen
Quelle: Agentur Hartwig3c