DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 2/2019 - page 52

MARKT UND MANAGEMENT
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2|2019
Genossenschaftlich wohnen in Metropolen
Erste europäische Wohnungsbaugenossenschaft gegründet
Europa und seine Metropolen sind auf Wachstumskurs, insbesondere was die Einwohnerzahlen
angeht. Daran wird sich Prognosen zufolge – selbst in Zeiten des demografischen Wandels –
erst einmal nichts ändern. Für die europäischen Wohnungsmärkte bedeutet das einen weiter zunehmenden
Bedarf an Wohnraum – und der muss bezahlbar sein. Hier setzt das Projekt und die gleichnamige
Genossenschaft „Living in Metropolises“ an.
Zwischen 2011 und 2016 stieg die Bevölkerung in
Berlin um244.000 Personen, inWien um137.000
und in Amsterdamum55.000. Die Prognosenwei-
sen für diese Städte auf weitere deutliche Anstiege
hin. Auch das Phänomen der Schwarmstädte wird
Europa noch viele Jahre intensiv beschäftigen.
Und somit nimmt der Bedarf an Wohnungen auf-
grund dieser Entwicklung trotz der perspektivisch
alternden und schrumpfenden Bevölkerung zu. Die
Immobilienpreise und Mieten sind für viele Men-
schen bereits heute sehr hoch undwerden auch in
der Folge zunehmender Gentrifizierungsprozesse
tendenziell weiter steigen.
Neugründung von
Wohnungsgenossenschaften
Hier zeigen sich deutliche Parallelen zur Grün-
dungswelle von Wohnungsbaugenossenschaften
in Europa zum Ende des 19. und Anfang des 20.
Jahrhunderts. Seit 2010 beobachtet der Deutsche
Genossenschafts- und Raiffeisenverband e. V.
(DGRV) einen Anstieg von genossenschaftlichen
Neugründungen — vonWohnprojekten ebensowie
z.B. im Energiebereich. Und so entstand schon
2016, als die UNESCO die „Idee und Praxis der
Organisation von gemeinsamen Interessen in
Genossenschaften“ in die repräsentative Liste
des immateriellen Kulturerbes aufnahm, die Idee
zu einer europäischen Wohnungsbaugenossen-
schaft. Aus der Idee wurde Realität: Am 11. Mai
2018 wurde die Genossenschaft „LiM Living in
THEMA DES MONATS
Dirk Lönnecker
Vorstandsmitglied
LiM Living in Metropolises SCE mit
beschränkter Haftung
Berlin
Die über 30 Gründungsmitglieder der Genossenschaft
„LiM Living in Metropolises SCE mit beschränkter
Haftung“ stammen aus Deutschland, Frankreich, den
Niederlanden und Österreich. Ihr Leitbild trägt die Ge-
nossenschaft programmatisch in ihrem Namen: Living
in Metropolises. Ziel der LiM ist es, neben bezahlbaren
Mieten in den Metropolen Europas auch unkomplizierte Wohnungswechsel innerhalb
des europäischen genossenschaftlichen Verbundes zu ermöglichen. Für die Vermietung
werden Management- und Generalmietverträge mit Partnern angestrebt.
Zielgruppe der LiM sind Personen, die bezahlbaren Wohnraum suchen. Das Unter-
nehmen möchte eine breite Öffentlichkeit ansprechen und seine Projekte sollen als
Blaupause für Akteure auf dem Wohnungsmarkt dienen. Vor allem aber sollen junge
Menschen angesprochen werden und ein Raum für eine neue Interpretation des gene-
rationenübergreifenden Eigentums entstehen.
LIM – LIVING IN METROPOLISES
Metropolises“ in der Rechtsformder SCE (Societas
Cooperativa Europaea) in Berlin gegründet (siehe
Kasten auf dieser Seite).
Geschäftsidee und Ziele
Um die Vorteile und Qualitäten der Genossen-
schaftsidee in Politik und Gesellschaft weiter zu
kommunizieren, ist ein gewisser Bekanntheitsgrad
von Vorteil: Europaweit gibt es über 175.000 Ge-
nossenschaften mit mehr als 141 Mio. Mitglie-
dern. Die Unternehmensform zeichnet sich durch
ihre Stabilität und Transparenz gegenüber Mitglie-
dern und Gremien aus.
Bei der aktuellen SCE-Neugründung wird keine
Gewinnmaximierung der Mitglieder angestrebt,
sondern vielmehr ein auf Dauer angelegtes Un-
ternehmenmit sozialem, christlichemundwohn-
reformerischem Schwerpunkt nach dem Motto
von FriedrichWilhelmRaiffeisen: Was einer allein
nicht schafft, das schaffen viele. Als (Gründungs-)
Mitglieder der SCE sind alle angesprochen, die sich
der Genossenschaftsidee verbunden fühlen.
Wohnungsbau hat eine hohe Priorität
Durch die erwartete Bevölkerungsentwicklung hat
der Wohnungsbau in den Metropolen eine hohe
Priorität, denn die bisherige und zukünftige Preis-
entwicklung stellt für viele Menschen ein großes
Problem dar. Die unteren Einkommensschichten
werden idealtypischerweise durch den sozialen
Wohnungsbau versorgt, aber auch die mittleren
Einkommensschichten, also mittlere Tarif- bzw.
Besoldungsgruppen oder Teilzeitbeschäftigte
bzw. Alleinerziehende, drohen zukünftig noch
stärker als bisher in Notlagen zu fallen bzw. wer-
den bei Wohnungswechsel oder -verlust an die
Ränder der Städte gedrängt. Insbesondere für die-
se Personengruppen soll die SCE im Rahmen von
1...,42,43,44,45,46,47,48,49,50,51 53,54,55,56,57,58,59,60,61,62,...76
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