DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 2/2019 - page 50

Herr Maier, wie kommt es, dass gerade in
Bayern so viele Wohnungsgenossenschaften
neu gegründet werden?
Den Anstieg bei der Neugründung von Woh-
nungsgenossenschaften beobachten wir schon
seit einigen Jahren. Im Jahr 2013 und 2015 hat-
ten wir je fünf Neuaufnahmen in den Verband. In
den letzten drei Jahren kamen noch einmal 17
neue Genossenschaften dazu.
Diese hohe Zahl von Neugründungen liegt einer-
seits am bereits seit Jahren angespannten baye-
rischen Wohnungsmarkt. Wie in den schwierigen
Zeiten nach den beiden Weltkriegen gründen en-
gagierte Menschen Genossenschaften, um selbst
etwas für die eigene Wohnraumversorgung zu
unternehmen – und das gemeinschaftlich.
Hinzu kommt andererseits auch eine sehr ge-
nossenschaftsfreundliche Wohnungspolitik der
Landeshauptstadt München. Deren wohnungs-
politische Handlungsprogramme sehen etwa
vor, dass 20 bis 40% der städtischen Flächen an
Genossenschaften und Baugemeinschaften ver-
geben werden. Und das nicht nach dem höchsten
Gebot, sondern durch eine Konzeptvergabe. Ein
weiterer Baustein ist die im Auftrag der Stadt
München agierende Mitbauzentrale München:
Sie dient als Anlaufstelle für alle, die ein gemein-
schaftsorientiertes Wohnprojekt in München in
Angriff nehmen wollen. Die Genossenschafts-
gründer sind also schon einmal gebrieft, wenn
sie mit ihren Gründungsideen zum VdW Bayern
kommen.
Mittlerweile folgen auch andere Städte – wie z. B.
Aschaffenburg – dem Vorbild der Landeshaupt-
stadt und fördern Genossenschaften, gründen
eigene Gesellschaften oder kooperieren mit an-
deren Kommunen bei der Gründung von Land-
kreisgesellschaften.
Was kann die Branche tun, um die Neu- oder
Wiedergründung von genossenschaftlichen,
öffentlichen und ggf. auch industrienahen
Wohnungsunternehmen zu unterstützen?
Erstmal braucht es eine eigene Überzeugung,
dass unsere Mitglieder und auch neue Trägerun-
ternehmen in den einzelnen Teilmärkten etwas
bewirken können. Diese Überzeugung haben wir
und diese Überzeugung transportierenwir. Wobei
wir uns immer die jeweiligeMarktsituation genau
ansehen. Gründen umdes Gründens willen gibt es
bei uns nicht.
Auf Seiten der Wohnungswirtschaft hat das um-
fangreiche Maßnahmenpaket des GdW und der
regionalen Verbände zur Unterstützung von Ge-
nossenschaftsgründungen diesen Schritt sicher
sehr erleichtert – vor allem auch die kostenlose
Erstberatung und die Pauschalierung der Honorare
für die Gründungsprüfung.
Auch auf der kommunalen Ebene hat sich in den
letzten Jahren viel getan. In Bayern gibt es eini-
ge Kommunen, die wie Senden im Jahr 2017 und
Ebersberg, Bobingen oder der Landkreis Rosen-
heim im Jahr 2018 wieder kommunale bzw. öf-
fentlicheWohnungsbaugesellschaften gegründet
haben – und noch viele mehr, die diesen Schritt
aktuell planen.
Der VdW Bayern unterstützt die Gründungsvor-
haben, etwa durch kostenlose Informations-
veranstaltungen direkt vor Ort. Wir investieren
sehr viel in die Vorberatungen in den Kommunen,
ohne dass wir das berechnen. Nach der Neugrün-
dung – ob als Genossenschaft oder kommunale
Gesellschaft – liegt der Ball dann auch bei den
Kommunen. Denn nun geht es darum, bezahlba-
re Grundstücke für die geplanten Bauvorhaben
zu finden. Ein zentrales Instrument dabei ist die
Konzeptvergabe, denn auf dem freien Markt ha-
ben die sozial orientierten Unternehmen große
Schwierigkeiten.
Bayern hat eine neue Regierung. Die politische
Interessenvertretung hat aktuell vermutlich
ein sehr hohes Gewicht. Welche Themen sind
für dieWohnungswirtschaft Bayerns die drän-
gendsten? Undwo können Sie von Ihrer Exper-
tise als langjähriger Chef des Wirtschaftsprü-
fungsbereichs profitieren?
Das Wohnen hat im Wahlkampf zur Bayerischen
Landtagswahl 2018 für alle Parteien eine große
Rolle gespielt. Kein Wunder. Bei den regelmäßi-
gen Umfragen von Infratest Dimap für den Bayeri-
schen Rundfunk wurde das Wohnen im Jahr 2018
erstmals als eine der wichtigsten Herausforde-
rungen für die Menschen in Bayern genannt. Die
drängendsten Themen aus Sicht der Wohnungs-
wirtschaft sind derzeit der Zugang zu Bauland,
die hohen Baukosten und die oft langwierigen
Genehmigungsverfahren. Dazu kommt noch das
ThemaWohnraumförderung: Eine gesicherte und
langfristig planbare Ausstattung mit Fördermit-
teln ist unabdingbar.
Weil Sie es ansprechen: Nach 12 Jahren in der
Wirtschaftsprüfung bin ich inzwischen für die In-
teressenvertretung beim VdW Bayern zuständig.
Das bedeutet natürlich nicht, dass ich mich davor
jahrelang hinter Prüfungsberichten verschanzt
habe. Gerade durch den engenKontaktmit unseren
Mandanten und den Kommunen weiß ich, wo den
Unternehmen und Kommunen der Schuh drückt,
und kann mich nun im politischen Raum für eine
Verbesserung der Rahmenbedingungen einsetzen.
Herr Maier, herzlichen Dank für das Interview.
Die Fragen stellte Olaf Berger.
Interview mit Hans Maier
„Gründen um des Gründens willen
gibt es bei uns nicht“
Warum die Genossenschaftsgründungen insbesondere in Bayern
solch einen Boom erleben und welche Rahmenbedingungen dabei
eine Rolle spielen, erläutert der Verbandsdirektor des VdW Bayern
Verband bayerischer Wohnungsunternehmen e. V.
Quelle: VdW Bayern, Foto: Andreas Heddergott
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MARKT UND MANAGEMENT
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