DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 2/2019 - page 38

MARKT UND MANAGEMENT
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wende? Lutz Freitag, von 2001 bis 2011 Präsident
des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs-
und Immobilienunternehmen e.V., nannte in
einem 2013 veröffentlichten Grundsatzbeitrag
vor allem zwei Gründe: die steigende Verschul-
dung der Gebietskörperschaften und „ein radikal
marktorientierter Mainstream“. Nicht zu verges-
sen seien zudemdie an den Transaktionen und de-
ren Finanzierung verdienenden Heerscharen von
Beratern, Bankern und gut dotierten Lobbyisten:
Mit einer Argumentation, die sich schon bald „als
ausschließlich interessengeleitet und ohneWahr-
heitsgehalt“ erwiesen habe, hätten sie die These
vertreten, dass das frische Kapital den Neubau
und die Modernisierung fördere und das externe
Know-how die Effizienz der Wohnungsunterneh-
men steigere.
Nicht vergessen werden sollte allerdings, dass
sich viele öffentliche Wohnungsunternehmen tat-
sächlich in einer schwierigen finanziellen Lage
befanden und dass nicht alle dieser Gesellschaf-
ten als Musterbeispiel effizienter Unternehmens-
führung dienten. Als z. B. 2004 die städtische
Berliner GSW Immobilien AG mit ihren 65.700
Wohn- und Gewerbeeinheiten an ein Konsorti-
um der Investmentgesellschaften Whitehall und
Cerberus verkauft wurde, war das Unternehmen
mit 1,6 Mrd. € verschuldet. Und das Interesse
privater Investoren am Krisenunternehmen war
zunächst so gering, dass der Berliner Senat 2003
einen ersten Verkaufsversuch wegen zu geringer
Gebote abbrach.
379.000 kommunale Wohnungen verkauft
Ohnehin war der Handel mit kommunalen Woh-
nungen nicht ganz so umfangreich, wie man ver-
muten könnte. Laut einer 2011 veröffentlichten
Studie des Bundesamts für Bau-, Stadt- und Raum-
forschung (BBSR)wurden1999-2011 ca. 379.000
städtischeWohnungen veräußert. Nicht alle davon
gingen aber an Finanzinvestoren. Vielmehr zähl-
ten zu den zehn größten Verkäufen aus dieser Zeit
drei Fälle, in denen eine kommunale Gesellschaft
an eine andere kommunale Gesellschaft veräußert
wurde – so beispielsweise in Hamburg. Verkauft
wurden darüber hinaus 532.000 Wohnungen im
Eigentum der Länder und des Bundes.
Warum aber drehte in den folgenden Jahren der
Wind? Eine Rolle dürfte gespielt haben, dass
manche Investoren sich alle Mühe gaben, die
Befürchtungen der Privatisierungsskeptiker zu
bestätigen. Ausschöpfung des maximalen Miet-
erhöhungsspielraums, rüder Umgangmit Mietern,
schneller Weiterverkauf werthaltiger Unterneh-
mensbestände und rabiater Personalabbau: Das
waren einige der Vorwürfe, die der Berliner Mie-
terverein schon 2006 in seinem „Schwarzbuch
Privatisierung“ an die Adresse der (meist auslän-
dischen) Finanzinvestoren erhob. Dass bald da-
nach eine Gegenbewegung einsetzte, zeigt eine
Veranstaltung, die das Deutsche Institut für Ur-
banistik (Difu) 2010 durchführte und die sichmit
Aspekten der Rekommunalisierung befasste. Es
zeige sich, stellte das Difu damals fest, „dass statt
voranschreitender Privatisierung eine vermehrte
Rückführung des vormals an Dritte verkauften
Eigentums in die kommunale Hand stattfindet“.
„Vorschlag aus der Mottenkiste“
Allerdings gab es seither noch einige Zuckungen
der Privatisierungsbefürworter. Dafür stehen der
Verkauf der GBWGruppe durch den Freistaat Bay-
ern bzw. die Bayerische Landesbank (2013), die
Veräußerung der Mehrheit der GWB »Elstertal«
– Geraer Wohnungsbaugesellschaft mbH an die
Immobiliengesellschaft Benson Elliot (2016) und
die Bestrebungen des Bürgermeisters von Grim-
men (Mecklenburg-Vorpommern), das stadteige-
ne Wohnungsunternehmen zu verkaufen (2018,
siehe auch DW 1/2019; S. 40). Ebenfalls 2018
unternahmdas arbeitgebernahe Institut der deut-
schen Wirtschaft (IW Köln) einen weiteren Ver-
such, Kommunen unter Verweis auf die günstige
Marktsituation zum Verkauf ihrer Wohnungsbe-
stände zu bewegen. „Ein Vorschlag aus der Mot-
tenkiste“, lautete der leicht genervte Kommentar
von GdW-Präsident Axel Gedaschko.
Dass heute andere Themen auf der Tagesordnung
stehen, beweist einweiterer Blick nachBerlin: Dort
bereitet eine Initiative einBürgerbegehren vor, das
das Ziel verfolgt, dieDeutscheWohnen und andere
private Konzerne mit mehr als 3.000 Wohnungen
in Berlin zu enteignen. Unterstützt wird diese Ab-
sicht von der Partei Die Linke, die imBerliner Senat
sitzt – und deren Vorgängerpartei PDS den einsti-
gen Verkauf der (später von der Deutsche Wohnen
übernommenen) GSWmitgetragen hatte.
Die Hellersdorfer Promenade in Berlin gehört zum Bestand der
Deutsche Wohnen. Ein Großteil der Wohnungen des Konzerns
befand sich einst in öffentlicher Hand
Quelle: Deutsche Wohnen SE, Foto: Georgios Anastasiades
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