ENERGIE UND TECHNIK
26
2|2019
gen, die die Genossenschaft mit dem energieau
tarken Haus macht, sollen in die Planung künftiger
Bauvorhaben einfließen.
Ob energieautarke Gebäude zukünftig großflä-
chig gebaut werden, hängt vor allem von der
Kostenentwicklung für die technische Gebäu-
deausstattung ab. Beim Pilot Bismarckstraße
waren diese stückzahlbedingt noch relativ hoch.
Das Gesamtinvestitionsvolumen beläuft sich auf
rund 2,47 Mio. €. Außer KfW-Fördermitteln aus
dem ProgrammNr. 153 „Energieeffizient Bauen“
nahmen die Wilhelmshavener keine öffentlichen
Fördermittel in Anspruch. Dafür war Effizienz ein
weiterer Treiber beim Bau des Hauses: Zwischen
Projektierung, Zustimmung durch den Aufsichts-
rat, Planungsphase und Fertigstellung vergin-
gen lediglich 24 Monate. Ende Dezember 2018
konnten alle Wohnungen an die neuen Mieter
übergeben werden.
Weichenstellen:
Das energieautarke Wohnkonzept
Das Konzept für energieautarkes Bauen mit Pau-
schalmiete und Energieflat stammt vom Freiber-
ger Energieexperten Prof. Timo Leukefeld, der
der Genossenschaft beratend zur Seite stand. Von
der Bundesregierung auch als Energiebotschaf-
ter bezeichnet, agiert Leukefeld bundesweit als
Mittler zwischen Forschung, Entwicklung und dem
ausführenden Handwerk. Vernetzte Energieaut-
arkie ist der Ausgangspunkt seiner Forschung. In
Wilhelmshaven sorgen 165 m
2
Photovoltaikflä-
che auf dem 50° geneigten Dach des Neubaus,
an den Balkonverkleidungen und der Fassade für
Strom, weitere 96m
2
Solarthermiefläche auf dem
Dach versorgen das Haus mit Wärme. Herzstück
des hochgedämmten Gebäudes ist ein 20.000 l
fassender, rund 9m hoher Langzeitwärmespei-
cher, der bei Bedarf von den Mietern „angezapft“
wird und ans öffentliche Netz angeschlossen ist.
Der erzeugte Strom wird in zwei 22-kWh-Akkus
gespeichert. Durch den Einsatz von Solarther-
mie und Photovoltaik in Verbindung mit thermi-
schen und elektrischen Langzeitspeichern wird
im energieautarken Haus die benötigte Energie
vor Ort produziert, gespeichert und bei Bedarf
zeitversetzt verbraucht. Damit erwirtschaftet
das Gebäude einen Autarkiegrad von rund 70 %,
den Restbedarf an Wärme im Winter deckt eine
Erdgasbrennwertheizung ab, Strom wird dann
bei Bedarf aus dem öffentlichen Netz bezogen.
Erzielte Strom- und Wärmeüberschüsse kommen
zwei E-Ladeplätze für Autos vor dem Haus sowie
von Frühjahr bis Herbst auch benachbartenMehr-
familienhäusern zugute.
Besondere Häuser erfordern besondere
Maßnahmen
Weil beim energieautarken Haus viel vom erfolg-
reichen Zusammenspiel von Technik und Archi-
tektur abhängt, war dieses Neubauvorhaben für
die Spar + Bau eine besondere Herausforderung.
So galt es auch, spezielle Anforderungen an das
Baugrundstück zu berücksichtigen: Das Gebäude
benötigte eine reine Südausrichtung, das musste
auch der Bebauungsplan ermöglichen. Das erfor-
derliche Satteldach musste zur Optimierung des
solaren Ertrages mit einer Neigung von 50° aus-
geführt werden, mehr als sonst üblich. Zudemgalt
es sicherzustellen, dass das Baugrundstück weder
von benachbarten Gebäuden noch von vorhande-
nem Baumbestand verschattet wird.
Ein ökologischer Fußabdruck
Die Energiebilanz eines typischen energieautar-
ken Gebäudes ist überdurchschnittlich gut. So
liegt der Primärenergiebedarf für Heizwärme ca.
70 % unter den Anforderungen der EnEV 2016
und etwa 60 % unter denen eines üblichen Pas-
sivhauses. Weil weniger Strom und Brennstof-
fe zugekauft werden müssen, werden weniger
Schadstoffe freigesetzt, Ressourcen geschont
und die Energiewende unterstützt. Gleichzeitig
wird die Unabhängigkeit von fossilen Energie-
trägern erhöht. Das energieautarke Mehrfami-
lienhaus erfüllt also modernste Anforderungen
an den Wohnungsbau und geht sowohl mit den
Zielsetzungen der Klimapolitik als auch der Ef-
fizienzstrategien im Gebäudebereich und der
Energiewende konform.
Die Strahlkraft des Pilotprojektes bestätigte Nie-
dersachsens Energie- und Bauminister Olaf Lies
auch bei der Einweihung: „Wir brauchen genau
solche mutigen und klugen Konzepte für die öko-
logischen Herausforderungen der Zukunft. Damit
nimmt die Spar + Bau beimKlimaschutz in der Im-
mobilienwirtschaft eine Vorreiterrolle ein.“
Diese vier Faktoren bilden
das „technische Herz“ des
energieautarken Gebäudes
Tankeinbau in der Bismarckstraße: Der Langzeitwärmewasserspreicher
ist 9 m hoch und fasst 20.000 l Wasser