Brettspiele sind zeitlos
„Eine gute didaktische Methode ist wie eine gute
Komposition für ein Orchester: Es muss Elemente
geben, die immer da sind, Elemente, die gezielt
eingesetzt werden, und Elemente, die für sich al-
leine wenig wirken, aber im Gesamtzusammen-
hang ungemein wichtig sind“, betont die Organi-
sationsentwicklerin Dr. Claudia Müller-Kreiner in
ihrer Dissertation. Solch unterstützende Elemente
können z. B. eine Auftakt- und Abschlussveran-
staltung im Stadtteil sein. ImMinimalfall besteht
die Vor- und Nachbereitung aus einem Briefing
und Debriefing mit begleitenden Experten wie
Georg Pohl aus Hamburg. Der Spieleentwickler
bringt alle Akteure sprichwörtlich an einen Tisch.
Sein Brettspiel „Stadtspieler“ erfüllt die Kriterien,
dieMüller-Kreiner fordert. Jeder der vier bis sechs
Stadtspieler ist wie im realen Leben ein Teil des
gesamten Systems. Pohl hat bei der Konzeption
darauf geachtet, dass jeder Spieler eine Rolle
übernimmt, die Einfluss auf das Spielgeschehen
nimmt und auch das gemeinsame Verständnis, das
voneinander Lernen beeinflusst. Die Mitspielen-
den werden zu „Empowered Learners“. Sie ge-
winnen Vertrauen undwerden durch die zugrunde
liegende „Story“ motiviert. Ihnen bietet sich die
Chance, teilzuhaben undmitzugestalten, dieWis-
sensvermittlung liegt in ihren Händen.
Die Stadtspieler sollten in acht Runden verschie-
dene Aufgaben lösen, z. B. ein fiktives Bauwerk er-
richten und erläutern, was es darstellt oder warum
es sich gut in das Stadtbild einfügt. Anschließend
kürt jeder Stadtspieler das Bauwerk, das den bes-
ten Beitrag zur Stadt- bzw. Quartiersentwicklung
leistet. In den folgenden Runden sind die Spieler
als Teamgefordert, sie müssen u. a. eine gemein-
same Dramaturgie entwerfen. Dabei bringen sie
ihre Erfahrungen und Erwartungen mit ein: Soll
in der Realität z. B. ein neues Einkaufszentrum
entstehen, der Sitz eines Unternehmens verlagert
oder aber ein Wohnquartier mit einem Neubau
nachverdichtet werden, lassen sich die Betrof-
fenen mit Hilfe des Spiels „abholen“ und an der
realen Entwicklung beteiligen.
Komplexität vereinfachen, Probleme lösen
Die Darstellung einer vereinfachten Realität ist
ein wichtiges Element von „Serious Games“, da
die Wirklichkeit oft viel zu komplex ist, um schnell
verstanden zu werden. Die Fast-Realität bestimmt
das Szenario und die Geschichte des Spiels – und
auch Stadtspieler kann individuell auf konkrete
Projekte abgestimmt werden. Zu Beginn kann
z. B. eine übergeordnete Frage formuliert wer-
den. Ebenso können die zumEinsatz kommenden
Themen- und Ereigniskarten an die tatsächliche
Situation imQuartier angepasst werden. Und für
Unternehmen kann die Spielfläche auch gegen
den Grundriss einer Fertigungsstätte getauscht
werden, um die interne Kommunikation zu trai-
nieren.
„Mit Stadtspieler lässt sich das Agieren in ver-
schiedenen Szenarien üben“, fasst Prof. Andreas
Schneider die Vorteile zusammen. Er leitet das
Institut für Raumentwicklung an der Hochschule
für Technik im schweizerischen Rapperswil. Der
gelernte Architekt ergänzt mit Blick auf die Praxis:
„Wer umsichtig plant, sollte immer einen Plan B
haben. Für den Fall, dass sich die Rahmenbedin-
gungen ändern.“
Neue Perspektiven eröffnen
Neben demProblemlösen steht bei Serious Games
das (gegenseitige) Verstehen im Vordergrund,
wie Müller-Kreiner den Zusammenhang von
Lernen und Spielen erläutert: „Lernspiele sollen
Systeme darstellen, da es Betroffenen leichter
fällt, Fähigkeiten und Strategien zu entwickeln,
wenn sie sehen, wie diese in einem größeren Zu-
sammenhang stehen und in einem komplexen
Systemwirken.“ In der Praxis der Wohnungswirt-
schaft wird stets das Ziel imVordergrund stehen,
Schnittmengen zwischen unterschiedlichen Inte-
ressen und Eigenheiten verschiedener Akteure
sichtbar zu machen. Oder wie Entwickler Pohl
formuliert: „Es geht nicht um ein Spiel, es geht
um Kommunikation.“
Auf einem fiktiven Plan wird eine Stadt, ein
Dorf oder eine Wohnanlage weiter entwi-
ckelt. Gespeist aus individuellen Erfahrun-
gen, Ideen und Zielen sowie den Vorgaben
der Auftraggeber. In der Standardversion
wird Stadtspieler als Brettspiel (79 €) ver-
wendet. Als Großversion wird es auch im
öffentlichen Raum eingesetzt. Dann werden
die Szenario- und Themenkarten auf die
jeweilige Situation vor Ort angepasst. Es ist
eine bewährte Methode für unterschiedli-
che Zielgruppen und Anlässe: in der Stadt-
entwicklung, der Nachbarschaftsbildung,
der Jugendarbeit, der Personalentwicklung
und Unternehmenskommunikation.
Stadtspieler war Pilotprojekt im Programm
Nationale Stadtentwicklungspolitik und
„Werkstatt-N-Projekt 2012“ des Nachhal-
tigkeitsrates der Bundesregierung.
STADTSPIELER
Weitere Informationen:
Rechtssprechung
Haufe Gruppe
ndManagement