Die Wohnungswirtschaft 1/2018 - page 58

MARKT UND MANAGEMENT
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antwortung“, beschreibt Tobias Lohmann, Spre-
cher der Geschäftsführung des Bildungswerks, wie
unbekannte Realitäten erlebbar gemacht werden
können.
Eine ähnliche Feststellung hat die Wirtschafts-
geographin Prof. Dr. Annika Mattissek von der
Universität Freiburg gemacht. In ihren Vorle-
sungen setzt sie das mehrfach ausgezeichnete
Strategiespiel „Die Siedler von Catan“ als Denk-
modell ein, „damit die Studierenden ein besseres
Verständnis für die Knappheit bestimmter Res-
sourcen und deren Relevanz für Infrastruktur-
projekte bekommen“, wie Mattissek berichtet.
„Ein spielerischer Zugang hilft immer“, erklärt
sie ihre didaktische Methode.
Und die Wirtschaftsjunioren spielen sogar inter-
national. Ihr „World Trade Game“ wird von der
Dachorganisation, der Junior Chamber Internati-
onal, auch in Dänemark und der Schweiz einge-
setzt. „Mit dem World Trade Game können Welt-
wirtschaftskrisen genauso simuliert werden wie
eine geplatzte Koalitionsverhandlung. Das Spiel
soll Schüler an Wirtschaft heranführen. Und das
funktioniert auch“, sagt Sönke Petersen, heute
Geschäftsführer der Röhlk und Petersen GmbH.
Er hatte vor Jahren, damals aktives Mitglied
der Wirtschaftsjunioren, das Brettspiel in seine
Heimatstadt Flensburg geholt. Und Spielen ist
offenbar keine Frage des Alters, wie Petersen be-
stätigt: „Selbst auf unseren Konferenzen wollten
die Kollegen abends nochweiterspielen. Egal, wen
man abends beim Bier traf, jeder wollte noch mit
dir handeln.“
Die Wohnungswirtschaft spielt für die
Entwicklung der Städte eine gewichtige
Rolle. Schöpfen Wohnungsunternehmen alle
ihre Möglichkeiten bei der Quartiersent-
wicklung aus?
Die Wohnungswirtschaft ist ein wichtiger Akteur,
doch sie hat noch mehr Potenzial. Sie könnte zum
Motor der gemeinwohlorientierten Entwicklung
der Städte werden. Bereits heute beteiligen sich
viele Unternehmen an der Aufwertung ihrer
Quartiere oder an der Bereitstellung von sozialen
Dienstleistungen. Allerdings dürfen viele Woh-
nungsgesellschaften und -genossenschaften gern
noch offener sein, wenn es darumgeht, auf innova-
tive Ansätze und neueWohnwünsche einzugehen.
Welche Bedeutung hat der eigene Kiez und
welche Rolle spielt die Wohnungswirtschaft
in der Quartiersentwicklung?
Viele Forschungs- und Förderprogramme ad-
ressieren das Quartier, wo sich aus vielfältigen
Aktivitäten von Stadt, Unternehmen und Zivil-
gesellschaft eine Art „lokale Resonanzsphäre“
gegen die Globalisierung bildet.
Zunehmend geht es dabei nicht allein um sozi-
alen Ausgleich, sondern auch um die Stärkung
der Selbstorganisationskräfte der verschiedenen
Akteure. Viele Quartiere sind aber nicht fest,
räumlich abgegrenzt. Für jeden Akteur ist sein
Bezugsquartier ein anderes, jeder nutzt nach Be-
darf die gesamte Stadtregion. Man muss also in
vielen Maßstäben denken und handeln, in Einzel-
gebäuden, in Nachbarschaften und Quartieren, in
Stadtteilen, Städten und Stadtregionen.
Auf all diesen Ebenen findenwohnungswirtschaft-
liche Akteure neue Partner, mit denen sie ihre
Bestände aufwerten und das Gemeinwesen be-
leben können. Die Wohnungswirtschaft ist durch
die langfristige Bindung im Gebäudebestand, die
Verbindungen zur Infrastruktur und den engen
Umgang mit den Menschen vor Ort ein wichtiger
Akteur beim Managen solcher Aktivitäten. Aller-
dings nur dann, wenn sie Innovation als einen Teil
ihrer Aufgabe sieht und lebt.
Wie beurteilen Sie den Einsatz von Methoden
wie Serious Games in der Arbeit vor Ort, z. B.
für die Moderation der Stadtentwicklung?
Die globalen Megatrends stellen das SystemStadt
vor große Herausforderungen. Das trifft Millio-
nenstädte wie Berlin oder Hamburg und ebenso
Kleinstädte im ländlichen Raum. Ein Kennzeichen
unserer Zeit ist, dass es die alte, gewohnte Stabi-
lität nicht mehr gibt. Und dass für einen schlauen
Umgangmit der entstehenden Unsicherheit neue
und auch experimentelle Allianzen eingegangen
werden müssen.
Solche Allianzen sind in der Praxis immer eine
Frage der Passfähigkeit. Es geht darum, eine ge-
meinsame Schnittmenge mit Bindungskraft zu
finden. Die Frage nach der Passfähigkeit ist mit
spielerischen Methoden gut zu beantworten. In-
strumente wie „Stadtspieler“ bieten hier neue
Möglichkeiten. Sie helfen in der Kommunikation
und bei der gemeinsamen Erzeugung von Ideen.
Denn im Kern geht es um die Fähigkeit, in Alter-
nativen zu denken.
Wenn die stetige Veränderung eine Konstante
der Zukunft ist, dann wird der Umgang mit al-
ternativen Kommunikationsformen die zweite
sein. Das gilt für Unternehmen wie für Städte,
für Vorstände und Bürgermeister, genauso für
jeden einzelnen Menschen.
Vielen Dank für das Interview.
Die Fragen stellte Dr. Katrin Jutzi, Organisations-
beratung und Projektbegleitung, Hamburg.
Interview mit Stephan Willinger
Spielerische Methoden helfen in der Kom-
munikation und beim Entwickeln von Ideen
Der am Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung in Bonn tätige
Stadtforscher beschäftigt sich mit innovativen Ansätzen und neuen
Allianzen in der Stadtentwicklung. Er erklärt, warum alternative spielerische
Ansätze bei Entwicklungsprojekten in der Nachbarschaft sinnvoll sind.
Quelle: Anton Bombach
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