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9|2017
Brandschutz in der Wohnungswirtschaft
„Die gesetzlichen Vorgaben sind in Deutschland
beruhigend hoch“
Der Zuzug in die Städte hält unvermindert an. Großstädte werden nachverdichtet, Baulücken
geschlossen, Dächer aus- und aufgebaut. Hier stellt sich die Frage, wie sicher unsere Häuser bezüglich
des Brandschutzes sind. Auf EU-Ebene werden die hohen deutschen Anforderungen diskutiert.
In Deutschlandwurden vergangenes Jahr 17.364
Mehrfamilienhäuser mit 172.680Wohnungen ge-
nehmigt. Damit hat sich die Anzahl der jährlich
genehmigten Mehrfamilienhäuser in den letzten
acht Jahren mehr als verdoppelt - und es sind im-
mer noch zu wenige.
Vor diesem Hintergrund wird nicht erst seit der
Brandkatastrophe von London die Frage aufge-
worfen, wie sicher unsere Häuser sind und ob eine
vergleichbare Katastrophe in Deutschland auch
hätte passieren können.
Diese Frage ist mit einem klaren Nein zu beant-
worten. Denn die gesetzlichen Vorgaben zum
Brandschutz sind in Deutschland beruhigend hoch.
Wärmedämmungen imBereich von Hochhausfas-
saden müssen nach hiesigen Landesbauordnun-
gen aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen.
Dazu gehört, Brandtemperaturen vonmindestens
1.000 °C auszuhalten, bevor sie zu schmelzen be-
ginnen. Des Weiteren dürfen Dämmstoffe selbst
nicht zu glimmen anfangen, um einer unbemerk-
ten Brandausbreitung bzw. einemerneuten Entfa-
chen des Brandes vorzubeugen. Bei Gebäudenmit
geringerer Höhe dürfen brennbare Dämmstoffe
nur dann eingesetzt werden, wenn dabei alle zwei
Geschosse horizontale Brandsperren aus durch-
gehend nichtbrennbaren Materialen eingebaut
werden, die eine Weiterleitung der Flammen in
höhere Stockwerke verhindern.
Aber: Die EU-Kommission sieht in diesen hohen
deutschen Anforderungen einen Verstoß gegen
die EU-Bauproduktenverordnung, da die euro-
päischen Bauproduktnormen derartige Eigen-
schaften von Dämmstoffen nicht fordern. Ein
gemeinsamer europäischer Markt für Baupro-
dukte – so sehr er auch grundsätzlich begrüßt
wird – darf nicht zulasten der Sicherheit von
Leben und Gesundheit der Bürger gehen. Daher
sollte die für die Bauwerkssicherheit zuständi-
gen Landesregierung wie auch die Bundesre-
gierung die brandschutztechnisch notwendigen
Produktanforderungen nicht preisgeben oder
ins Ungefähre verschieben, wie dies die jüngst
veröffentlichte Muster-Verwaltungsvorschrift
Technische Baubestimmungen versucht. Zudem
sind bei derart sicherheitsrelevanten Produkten
weiterhin unabhängige Produktprüfungen und
Fremdüberwachungen durch dafür staatlich an-
erkannte Institutionen vorzusehen.
Brandschutz wird immer teurer
Doch obwohl die Zahl der Brändemit Toten in den
letzten vier Jahren keine wesentliche Veränderung
erfahren hat, haben sich die Brandschutzausgaben
vervielfacht. Dass der Brandschutz einer der maß-
geblichen Kostentreiber im Bauwesen ist, hat zu-
letzt auch die Baukostensenkungskommission, die
vomBundesministerium für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit eingesetzt wurde, in
ihren Erhebungen festgestellt.
Dabei ist deutlich geworden, an welcher Stelle
Mehrkosten im Brandschutz entstanden sind:
Zumeinen sind das Veränderungen der innerstäd-
tischen Lebensgewohnheiten. Mehr Grünflächen,
mehr ÖPNV und auch eine immer angespanntere
Parkplatzsituation führen dazu, dass Verkehrswe-
ge eingeengt werden, z. B. durch die Anordnung
von Parkplätzen quer statt längs zur Fahrtrich-
tung. Dadurch ergibt sich das Problem, dass die
Feuerwehr mit ihren Leiterfahrzeugen einzelne
Gebäude nicht mehr erreichen kann. Die Konse-
quenz ist, dass die Gebäudeevakuierung durch ei-
nen zweiten Rettungsweg innerhalb des Gebäudes
sichergestellt werdenmuss. Einweiteres Treppen-
haus erhöht aber nicht nur die reinen Baukosten,
sondern kostet auch wertvolle Wohnfläche.
Zum anderen tragen Innovationen und der tech-
nische Fortschritt dazu bei, dass bei Brandschutz-
klappen, Brandmeldeanlagen, Entrauchungsanla-
gen oder auch in der Elektrotechnik immer neue
und oft auch kostspieligere Produkte auf den
Markt gebracht werden, welche die Sicherheits-
standards verbessern oder individuelle Brand-
schutzkonzepte möglich machen sollen.
Jüngstes Beispiel ist der Einbau von sog. Brand-
schutzschaltern, der bisher nicht verpflichtend ist,
den aber die Deutsche Kommission für Elektro-
technik in ihremRegelwerk vorsieht. Da dieser bei
Holzhäusern und bei allen Räumen in Heimen, in
denen sich Kinder und Senioren aufhalten, einge-
baut werden soll, lässt sich leicht erkennen, dass
die Baukosten erneut steigen werden.
Zusammenfassend lässt sich festhalten:
Das in Deutschland geltende Brandschutzniveau
ist ausreichend, es ist umfassend und trägt we-
sentlich zumSchutz der Menschen bei Wohnungs-
bränden bei.
Dieses Brandschutzniveau darf nicht durch eine
falsch verstandene Binnenmarktstrategie von
Brüssel nivelliert und damit kaputtgemacht wer-
den. Bund und Länder müssen die Erhaltung die-
ses Brandschutzniveaus als gemeinsame Aufgabe
begreifen.
Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass ent-
sprechend hohe Brandschutzlösungen mit ent-
sprechenden Kosten verbunden sind.
Felix Pakleppa
Hauptgeschäftsführer
Zentralverband Deutsches Baugewerbe
Berlin
THEMA DES MONATS