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mit unseren Mitarbeitern daran, diesen Begriff
dauerhaft in unseremUnternehmen zu verankern.
Herr Cunitz, Sie sind dafür verantwortlich, eine
Stadt zu entwickeln und ihr ein Gesicht zu ge-
ben. Inwieweit spielt hier Nachhaltigkeit mit
hinein? Und wo sind die Grenzen?
Olaf Cunitz:
Wir stehen unter einem enormen
Wachstumsdruck. Frankfurt wächst – hauptsäch-
lich durch Zuwanderung – jährlich umetwa 15.000
Menschen. Das führt zu einem hohen Druck auf
dem Wohnungsmarkt und zur Notwendigkeit,
neue Baugebiete auszuweisen. Dabei stellt sich die
Frage, wie es trotzdem gelingen kann, Qualitäten
in Architektur und Stadtentwicklung zu bewahren.
Wenn die Politik den Slogan „bauen, bauen, bau-
en“ ausgibt, so impliziert dieser, dass alles, was
schnell auf die Wiese geklatscht wird, gut ist. Es
ist unglaublich schwer, dagegen zu argumentieren
und zu sagen: Wir müssen uns trotz des Drucks
Olaf Cunitz
, Bürgermeister und Planungsdezernent,
Stadt Frankfurt am Main
Axel Gedaschko
, Präsident, GdW Bundesverband deutscher
Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V., Berlin
Dr. Julika Weiß
, Stellvertretende Leiterin des Forschungsfelds
Nachhaltige Energiewirtschaft und Klimaschutz am Institut für Öko-
logische Wirtschaftsforschung (IÖW), Berlin
Jochen Freivogel
, Freivogel Mayer Architekten, Ludwigsburg
Dr. Thomas Hain
, Leitender Geschäftsführer, Unternehmensgruppe
Nassauische Heimstätte/Wohnstadt, Frankfurt am Main
Moderation:
Fritz Lietsch
, Geschäftsführer, Forum Nachhaltig
Wirtschaften, München
DIE TEILNEHMER
die Wohnungswirtschaft stellen, und der Bezahl-
barkeit von Wohnungen bewegt mich in erster
Linie. Die Wohnungsunternehmen sollen Woh-
nungen altersgerecht umbauen, die Energiewende
schaffen, die Quartiere entwickeln und gleichzei-
tig bezahlbare Wohnungen anbieten. Das ist eine
große Herausforderung, zumal die Rahmenbedin-
gungen sehr unterschiedlich sind: In schrump-
fenden Regionen kämpfen die Unternehmen ums
Überleben, während es in wachsenden Regionen
an Wohnungen mangelt.
Dr. JulikaWeiß:
Als Wissenschaftlerin beschäfti-
genmich Klimaschutz und Gebäudeenergieeffizi-
enz. Dabei interessiert es mich zentral, wie wir die
sozialökologische Transformation realisieren, die
notwendig ist, umden Klimawandel zumindest zu
verlangsamen. In den nächsten Jahren stehen uns
enorme Herausforderungen bevor – auch in der
Frage, wie wir wohnen. Ichmöchte dazu beitragen,
Wissen zu generieren und den Transformations-
prozess zu begleiten.
Jochen Freivogel:
Ich bin Architekt und haupt-
sächlich an der Schnittstelle von Stadtplanung
und Architektur tätig. In den letzten Jahren haben
wir uns darauf spezialisiert, klimaneutrale Ge-
bäude zu bauen, aber auch bestehende Gebäude
so zu sanieren, dass sie nahezu einen Null- oder
Niedrigstenergiestandard erreichen. Gleichzeitig
setzen wir uns mit Nachverdichtung, Aufstockung
und Steigerung der Wohn- und Lebensqualität im
Umfeld auseinander.
Dr. Thomas Hain:
Unser Unternehmen ist mit
rund 60.000 Wohneinheiten das größte Woh-
nungsunternehmen in Hessen. Als mein Kollege
und ich vor drei Jahren die Geschäftsführung der
Nassauischen Heimstätte übernommen haben,
haben wir uns Gedanken darüber gemacht, wie
wir das Unternehmen ausrichten wollen. Dabei
haben wir in einer Arbeitsgruppe, die sich mit
den Unternehmensleitlinien beschäftigt hat, sehr
schnell den Wert Nachhaltigkeit gefunden. Wir
verknüpfen somit den Anspruch, die Nummer eins
in der Mitte Deutschlands zu sein, mit demThema
Nachhaltigkeit. Weil dieser Begriff aber ziemlich
abgedroschen ist, ersetzt man ihn besser durch
Langfristigkeit. Wir arbeiten gerade sehr intensiv
Quelle aller Fotos: NH, Olaf Hermann
„Die Politik soll einen Mindeststandard für Gebäude festlegen, der
nicht so hoch ist wie heute, und es der Kreativität der Architekten
und Ingenieure überlassen, wie das CO
2
-Einsparungsziel erreicht
wird. Das geht schneller und wird günstiger. “
Axel Gedaschko