MARKT UND MANAGEMENT
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7|2016
Wohnungen für den Neuanfang – gibt es genug Angebote?
Die Not der Frauen in Not
Es ist ein schwieriges Thema – häusliche Gewalt gegen Frauen. Jede vierte Frau in Deutschland
erleidet mindestens einmal in ihrem Leben Gewalt durch einen (Ex-)Partner, recherchiert
die Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen (BIG). Häufig genug können die Frauen zusammen
mit ihren Kindern nach erster Stabilisierung und Beratung nicht mehr in ihre alte Wohnung
zurückkehren. Was also tun?
„In Deutschland gibt es ein dichtes, ausdifferen-
ziertes Netz an Unterstützungseinrichtungen für
gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder. Den-
noch finden nicht alle Betroffenen die Unterstüt-
zung, die sie brauchen“, sagte 2013 die damalige
Bundesfamilienministerin Kristina Schröder bei
der Vorstellung des ersten (und bisher einzigen)
Berichts zur Situation. Dieses Gutachten ist eine
erstmalige umfassende Bestandsaufnahme des
gesamten Hilfesystems bei Gewalt gegen Frauen.
Diese ergibt für Deutschland mehr als 350 Frau-
enhäuser und mehr als 40 Schutzwohnungen mit
mehr als 6.000 Plätzen, die jährlich etwa 15.000
bis 17.000 Frauen mit ihren Kindern – d. h. etwa
30.000 bis 34.000 Menschen – Schutz und Bera-
tung bieten.
Hingegen gibt der Alltag Frau Schröder recht. Ihr
Appell an Länder und Kommunen: Versorgungslü-
cken abbauen und Angebote entwickeln. Ebenso
steht das bundesweite Hilfetelefon bei Gewalt
gegen Frauen – eine Einrichtung der Bundesre-
gierung – erst seit Anfang 2013 zur Verfügung.
Stets führt die Flucht vor häuslicher Gewalt in den
Schutz eines Frauenhauses, doch nur für eine be-
stimmte Zeit.
NeuRaum in Berlin
Nach dem Frauenhaus zurück ins Leben finden:
Dabei hilft „NeuRaum – Wohnen nach demFrauen-
haus“, ein Projekt des Caritasverbands für das Erz-
bistumBerlin, das die Senatsverwaltung für Arbeit,
Integration und Frauen finanziert und dieDeutsche
Wohnen AG als zentraler Partner unterstützt.
ImJahr 2014wurden in Berlin 15.254 Fälle häusli-
cher Gewalt bei der Polizei registriert, 909 Frauen
mit 872 Kindern haben Schutz und Hilfe in einem
der sechs Berliner Frauenhäuser in Anspruch ge-
nommen. Nun stellt im Jahr 2015 der Senat Hil-
feangebote für 6,8 Mio. € zur Verfügung, in den
Jahren 2016 und 2017 sind es jeweils 7,4 Mio. €.
„Berlin ist seit Jahren bundesweit an der Spitze,
was den Kampf gegen häusliche Gewalt angeht.
Mit NeuRaum ergänzen wir unsere Hilfsangebote
und entlasten gleichzeitig die Frauenhäuser für
akute Notfälle. Ich freue mich besonders, dass
dieses Engagement auch von der Wirtschaft an-
erkannt und unterstützt wird. Die Deutsche Woh-
nen gibt Frauen, die Opfer von Gewalt wurden, ein
knappes Gut: Wohnungen. Dafür bin ich dankbar,
denn hier übernimmt ein großes, börsennotiertes
Unternehmen aus Berlin soziale Verantwortung“,
so Frauensenatorin Dilek Kolat.
Caritas und Deutsche Wohnen
in Verantwortung
Die Caritas baut seit Juli 2015 das Wohnprojekt
„NeuRaum – Wohnen nach dem Frauenhaus“ für
Frauen und Kinder aus allen sechs Berliner Frau-
enhäusern auf. Insbesondere Frauen, die schon
länger in Frauenhäusern leben, sollen über das
Projekt wieder eigeneWohnungen beziehen. Häu-
fig haben sie es schwer, eigenständigWohnungen
anzumieten, undmüssen sich länger als notwendig
in Notunterkünften aufhalten. Darum mietet die
Caritas Trägerwohnungen an und überlässt sie den
Frauen per Nutzungsvertrag. Perspektivisch sollen
diese dann in den Mietvertrag eintreten.
Ein Partner ist nun das Immobilienunternehmen
DeutscheWohnen AG. „Als Berliner Unternehmen
legen wir Wert darauf, unsere gesellschaftliche
Verantwortungwahrzunehmen. Wir nutzen unsere
Kompetenz und unseren Wohnungsbestand für
Quelle: Deutsche Wohnen
Das Gebäude, in dem Frauen wohnen, die vor Gewalt ihrer Familien
oder Partner geflohen sind, wird aus Sicherheitsgründen nicht gezeigt.
Im Bild: Typische Wohngebäude mit Wohnungen, wie sie z. B. die
Deutsche Wohnen der Caritas für das Projekt NeuRaum anbietet
Karin Krentz
freie Journalistin
Berlin