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ist einerseits wenig, andererseits auch relativ
viel, da das Haushaltsnettoeinkommen unseres
durchschnittlichen Mieters nur halb so hoch ist
wie im hessischen Durchschnitt. Das zeigt, dass
unser Unternehmen verschiedene Aufgaben unter
einen Hut bringen muss: Wir müssen kaufmän-
nisch vernünftig agieren, bezahlbare Wohnungen
zur Verfügung stellen und den Anforderungen der
Nachhaltigkeit gerecht werden.
Was hat die Wohnungswirtschaft beimKlima-
schutz bisher erreicht?
Axel Gedaschko:
Im Vergleich zum Jahr 1990
haben unsere Mitgliedsunternehmen den CO2-
Ausstoss um 60% reduziert. Wenn das jede Bran-
che erreicht hätte, dannwärenwir viel weiter. Ge-
schafft haben wir dies, weil unsere Unternehmen
kontinuierlich in ihre Bestände investieren. Wenn
ein Unternehmen dann, wenn es ein Gebäude so-
wieso anfasst, es auch energetisch modernisiert,
dann rechnet sich dies auch kaufmännisch. Rich-
tig teuer wird es hingegen, wenn man über diese
Zyklen hinausgeht.
Wennwir uns an demvon Frau Dr. Weiß erwähnten
Berliner Beispiel orientieren, so werden wir das
Ziel nicht erreichen. Denn mit einer Quersubven-
tionierung stellen sich die Unternehmen selber ein
Bein, weil sie ja strategisch gesehen ihren gesam-
ten Bestand anpacken müssen, um das Klimaziel
zu erreichen. Von einem gewissen Zeitpunkt an
sind sie dann aber nicht mehr in der Lage, zu sa-
nieren, weil ihnen das Geld ausgeht. Deshalb stellt
sich die Frage, ob es andere Wege gibt, das Ziel zu
erreichen. Die dezentrale Energieerzeugung bietet
die Möglichkeit, in relativ kurzer Zeit wesentlich
mehr CO2 einzusparen. Deshalb fordern wir, dass
das wohnungswirtschaftliche Kerngeschäft nicht
mehr mit der Gewerbesteuerpflicht „infiziert“
wird, sobald ein Unternehmen Energie erzeugt
und verkauft.
Wäre es nicht wichtig, Speichertechnologie
im Haus bezahlbar zu machen? Denn auch bei
der regenerativ erzeugten Energie kommt es
darauf an, sie so preiswert wiemöglich zu spei-
chern. Hat dieWohnungswirtschaft nicht eine
große Chance, als Puffer zu dienen?
Dr. Thomas Hain:
Sie merken, dass ich stutze.
Mit der Speicherung von Strom müssen wir uns
in Zukunft zwar noch viel mehr auseinander-
setzen. Aber das ist nicht das Kerngeschäft der
Wohnungswirtschaft. Was für mich wichtiger ist:
Die Kosten für Maßnahmen zum Klimaschutz an
Gebäuden trägt zunächst die Wohnungswirtschaft
und in einem zweiten Schritt der Mieter. Von die-
sen Maßnahmen profitieren aber alle, nicht nur
Wohnungswirtschaft und Mieter. Es kann deshalb
nicht sein, dass diese Aufgabe, die allen zugute-
kommt, zu Lasten eines Einzelnen geht. Deshalb
brauchen wir Zuschüsse der öffentlichen Hand;
denn Zinsverbilligungen bringen in der jetzigen
Zinslandschaft wenig.
Ernst Ulrich von Weizsäcker z. B. spricht sich
dafür aus, die Kosten für Energie planbar und
sukzessive zu erhöhen. Dann würden sich
Maßnahmen der Energieeinsparung nämlich
rechnen. Im Moment haben wir ja so niedri-
ge Energiekosten, dass viele sich ein dickes
Auto kaufen und ihr Haus nicht sanieren, weil
Energie so gut wie nichts kostet. Was muss
getan werden …?
Axel Gedaschko:
Wenn wir über Nachhaltigkeit
reden, müssen wir eine Cradle-to-Cradle-Be-
trachtung vornehmen. Ich halte es für falsch, dass
wir die graue Energie überhaupt nicht betrachten.
Außerdem fordern wir von der Politik, sich von der
Detailverliebtheit zu trennen, mit der in Deutsch-
land alles geregelt wird. Die Politik soll einen Min-
deststandard für Gebäude festlegen, der nicht so
hoch ist wie heute, und es dann der Kreativität der
Architekten und Ingenieure überlassen, wie das
CO2-Einsparungsziel erreicht wird. Dann geht es
schneller und wird günstiger. Wir brauchen eine
neue Strategie der Technologiefreiheit.
Dr. Julika Weiß:
Zur grauen Energie möchte ich
etwas sagen. Mit Bezug auf Ein- und Zweifamili-
en- sowie kleinere Mehrfamilienhäuser haben wir
gerade eine Ökobilanz erstellt. Das Ergebnis ist,
dass es hier keinen großen Unterschied zu größe-
ren Gebäuden gibt. Die Energie, die sich während
der Nutzungsphase einsparen lässt, ist viel größer
als die Energie, die z. B. in Dämmstoffe gesteckt
wird. Die Dämmung eines bisher ungedämmten
Gebäudes hat sich häufig schon nach einem hal-
ben Jahr amortisiert, weil dadurch so viel Energie
eingespart wird.
Olaf Cunitz:
Derzeit sind wir mit Vorschriften
und Verordnungen ausreichend gesegnet. Es ist
richtig, jetzt erst einmal zu bremsen. Außerdem
muss sich die Politik bewusst sein, dass sie nicht
alle Ziele als gleichwertig nebeneinander stel-
len kann, sondern sie priorisieren muss. Zudem
muss sie eine offene und ehrliche Debatte über die
Lastenverteilung führen. Gerade öffentliche Woh-
nungsunternehmen drohen sonst schnell mit po-
litischenWünschen überlastet und wirtschaftlich
gegen die Wand gefahren zu werden. Um nicht
missverstanden zu werden: Die Klimaschutzziele
sollen durchaus ambitioniert sein. Aber wir müs-
sen darüber reden, ob wir für den Klimaschutz
nicht mehr erreichen, wenn wir statt eines
„Wir sind mit Vorschriften und Verordnungen ausreichend gesegnet.
Es ist richtig, jetzt erst einmal zu bremsen. Die Politik muss sich bewusst
sein, dass sie nicht alle Ziele als gleichwertig nebeneinander stellen
kann, sondern priorisieren muss.“
Olaf Cunitz