DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 10/2016 - page 78

MARKT UND MANAGEMENT
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10|2016
Es herrscht Konsens: Die volkwirtschaftliche und
gesellschaftspolitische Bedeutung der Wohnungs-
wirtschaft ist nicht hoch genug zu bewerten, sie
zu betonen ein bekanntes Ritual. Keiner zweifelt
an der besonderen Rolle der Branche bei Demo-
grafieprozessen, Klimaschutz und Integration.
Gleichzeitig erzeugen technische Aufgabenstel-
lungen (Smart Home, Plusenergiehaus), staatli-
che Interventionen (Mietpreisbremse, Geldpolitik)
und gesellschaftliche Veränderungen (Lebenssti-
le, Arbeitswelten) einen hohen Komplexitätsgrad
und werfen eine Vielzahl von Fragen auf.
Wie (und wo) wollen die Menschen zukünftig le-
ben? Was zeichnet ein „gutes Quartier“ und eine
„lebendige Nachbarschaft“ aus? Wie wird sich die
Wohnkaufkraft entwickeln? Wie kann Integration
imQuartier besser funktionieren? Können techni-
sche Innovationen das Bauen und den Klimaschutz
bezahlbarer machen? Werden Technologien Ge-
schäftsmodelle verändern? WelcheManagement-
methoden und Organisationsstrukturen sind für
die Wohnungswirtschaft gut geeignet? Wie kön-
nen Innovationsprozesse initiiert und gesteuert
werden?
Diese bei Weitemnicht vollständige Auswahl zeigt,
dass es gute Gründe für Forschung und Entwick-
lung in der Wohnungswirtschaft gibt. Das Pro-
blem: Es ist kaum ein Budget dafür vorhanden
– jedenfalls nicht in den Unternehmen. Selbst
die großen Unternehmen sind dafür vermutlich
zu klein. Und über kooperative Lösungen wurde
bisher kaum nachgedacht.
Anders sieht es in der Politik aus. Nur die Budgets
des Bundes klingen schon gewaltig. Alleine das
Bundesministerium für Bildung und Forschung –
als größter Forschungsförderer des Bundes – hat
2015 knapp 12 Mrd. €
1
vergeben. Das Bundesmi-
nisterium für Ernährung und Landwirtschaft hatte
2015 immerhin 705 Mio. € zur Verfügung. Beim
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau
und Reaktorsicherheit waren es noch 413 Mio. €,
die allerdings schwerpunktmäßig demNatur- und
Umweltschutz zugute kamen.
Es gibt also zumindest theoretisch ein Budget.
Aber wie sieht die Praxis aus? Wir haben den Bun-
desförderkatalog untersucht. Er enthält Angaben
zumehr als 110.000 abgeschlossenen und laufen-
den geförderten Forschungsprojekten des Bundes.
THEMA DES MONATS
Klaus Leuchtmann
Vorstandsvorsitzender
Europäisches Bildungszentrum
der Wohnungs- und Immobilien-
wirtschaft (EBZ)
Bochum
Eine knappe Stichwortsuche im Förderkatalog zu
den Schlagwörtern „Immobilien“, „Wohnen“ und
„Wohnungswirtschaft“ ergibt, dass ca. 0,02%
des gesamten Fördervolumens auf entsprechen-
de Vorhaben entfällt. Unsere Schnellerhebung ist
methodisch sicherlich angreifbar und hat große
Unschärfe – keine Frage. Aber jetzt haben wir erst
mal eine grobe Standortbestimmung.
Nennenswerte Budgets für Forschung und Ent-
wicklung (FuE) entdecken wir erst im Umfeld
der Wohnungswirtschaft, insbesondere bei der
Bauzulieferindustrie. Hier findet Technologieent-
wicklung statt, allerdings kaum mit Beteiligung
der Branche. Dabei wäre das Konzept „mit dem
Kommentar
Wohnungswirtschaft und Wissenschaft – Zukunft denken
Wissenschaft und Forschung könnten die Wohnungswirtschaft intensiver begleiten, doch dafür
fehlen (noch) die Budgets.
Quelle: Shutterstock / Suat Gursozlu
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