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10|2016
gung. Ob Digitalisierung mit Smart-Home- und
Ambient-Assisted-Living-Technologie oder Mig-
ration, Wohnungsneubau und Quartiersentwick-
lung bis hin zur Energiewende – es gibt zahlreiche
Bereiche, in denen Forschungsergebnisse neues-
te Erkenntnisse erbringen. Diese sind wichtige
Grundlagen für Innovationen.
Doch welche Forschungsprojekte existieren? Was
machen die europäischen Partner? Wie kann man
sich beteiligen, und vor allem: Wie erhält man
finanzielle Unterstützung? Diese Fragen sind zu
komplex, als dass sich Wohnungsunternehmen
neben dem Tagesgeschäft damit auseinanderset-
zen könnten. Zudem ist klar, dass eine Beteiligung
an europäisch geförderten Innovationsprojekten
nur möglich ist, wenn Unternehmen bei der Ab-
wicklung der EU-Bürokratie und Antragstellung in
englischer Sprache unterstützt werden.
Beratungsstruktur für deutsche
Wohnungsunternehmen
„Mit dem European Network for Housing and
Urban Development (ENH) haben wir am EBZ
eine professionelle Infrastruktur für Konzep-
tion, Antragstellung und Umsetzung europäi-
scher Verbundprojekte etabliert. Ziel ist es, die
Vernetzung mit geeigneten Projektpartnern in
ganz Europa zu erleichtern und Unternehmen bei
Fragen rund um die Akquise von Fördermitteln,
Forschungsausschreibungen und Projektabwick-
lung zu unterstützen“, erklärt GdW-Präsident
Axel Gedaschko.
Als Leitthemen stehen Digitalisierung, Integrati-
on und Arbeit im Quartier, Bauthemen und Per-
sonalentwicklung auf der Agenda des ENH. Die
ENH-Koordinatorinnen (Susanne Juranek und die
Autorin dieses Beitrags) bereiten diese Themen für
die Branche auf, unterstützen bei der Projektent-
wicklung, der Antragstellung und dem Projekt-
management oder übernehmen dieses gänzlich.
Sie kennen ebenfalls laufende Forschungsprojekte
und Beteiligungsmöglichkeiten. Sie können Part-
ner vermitteln und Synergien schaffen. GdW, VdW
und EBZ leiten das ENH in enger Abstimmung mit
dem Europabüro des GdW in Brüssel.
Unternehmen erhalten für die Beteiligung an euro-
päischen Projekten, je nach Fördertopf, Zuschüsse
vonmindestens 50% zu den Projektkosten. Darun-
ter fallen z. B. Personalpauschalen, Gemein- und
Reisekosten oder Mittel für Workshops.
Grundsteine für Zusammenarbeit
über EU-Grenzen hinweg
Die erste große ENH-Konferenz im April 2016
am EBZ in Bochum brachte die bedeutendsten
europäischen Akteure der Wohnungswirtschaft
zusammen – eine Art europäisches Gipfeltreffen
der Wohnungswirtschaft. Neben Housing Europ –
The European Housing Network (Eurhonet), der
European Federation for Living (EFL), dem eu-
ropäischen Tisch des VdW Rheinland Westfalen,
dem Bundesbauministerium sowie der Initiative
Wohnungswirtschaft in Osteuropa (IWO) waren
noch viele weitere Entscheidungsträger vor Ort
und haben sich zu den aktuellen, für die Branche
relevanten europäischen Themen ausgetauscht.
Alle Beteiligten waren sich einig, dass sie in Zu-
kunft enger zusammenrücken wollen.
Auf nationaler Ebene treffen sich bereits Ak-
teure der Wohnungswirtschaft zum Austausch
in regelmäßigen Arbeitskreisen. Dies wird nun
ebenfalls auf Europaebene angestrebt. Unterneh-
men aus Schweden, Frankreich, Deutschland, den
Niederlanden oder Großbritannien sind ähnlich
aufgestellt und haben darüber hinaus häufig ver-
gleichbare Wohnungsbestände. Sie setzen sich
mit ähnlichen Themen auseinander und stehen
vor den gleichen Herausforderungen, wie der Di-
gitalisierung, Energieeffizienz von Gebäuden oder
der Migration. Es bietet sich somit an, die Zusam-
menarbeit auf europäischer Ebene noch weiter zu
vertiefen. Das ENH will Akteuren dabei helfen,
sich über Best-Practice-Beispiele auszutauschen,
Netzwerke zuknüpfen, Verbündete zu finden und
gemeinsam Forschungsprojekte umzusetzen.
„Wenn es um Forschung geht, ist die Branche
noch sehr zurückhaltend“
Bei einer Tagung des Arbeitskreises Betriebs-
wirtschaft der Arbeitsgemeinschaft großer
Wohnungsunternehmen (AGW) stellte das ENH
die EU-Fördermöglichkeiten vor. Der Termin
bestätigte, dass vor allem größere Wohnungs-
unternehmen, die eigene Mitarbeiter im Bereich
Unternehmensentwicklung haben, bereits Ansät-
ze für Projektideen mitbringen. Nun gilt es, diese
um entsprechende Partner und die europäische
Perspektive zu erweitern. Kleinere Unternehmen
hingegenwollen vorab erst einmal mehr über Bei-
spielprojekte erfahren oder sich mit möglichen
Innovationen beschäftigen. Hierbei hilft, dass das
ENH in den Bereichen Forschung und Innovation
in das Fachwissen bzw. den Erfahrungsschatz der
EBZ Business School und des InWIS eingebettet
ist. Und erst kürzlich übertrug die EFL-Führung
den Koordinatorinnen des ENH die Leitung der
Arbeitsgruppe für EU-Fördermittel.
Die EFL ist ein internationales Forum, in dem sich
Wohnungsunternehmen aus ganz Europamit Uni-
versitäten und Industriepartnern zusammenge-
schlossen haben. Gemeinsam setzen sie sich für
eine wirtschaftliche und nachhaltige Entwick-
lung von Wohnen und Quartiersentwicklung ein.
Gleichzeitig ist das ENH aber auch darauf ange-
wiesen, mehr über Modernisierungsanliegen der
Unternehmen zu erfahren. Dann kann der Versuch
gelingen, die Antragstellung und Ideenentwick-
lung zentral zu poolen.
Das europäische Netzwerk ist bereits in die Ent-
wicklung diverser europäischer wohnungswirt-
schaftlicher Innovationsprojekte, beispielsweise
imBereich Energieeffizienz, involviert. Entschei-
dungen über die Bewilligung der ersten Projekte
durch die EU folgen im Verlauf des Jahres 2016.
Parallel prüft das ENH alternative Finanzierungs-
möglichkeiten wie Crowdfunding.
Chancen ergreifen
Die Rahmenbedingungen sind geschaffen. Jetzt
muss die nationale Wohnungswirtschaft in
Deutschland die Chancen ergreifen. „Die Umset-
zung europäischer Innovationsprojekte mit EU-
Fördermitteln ist kein Kinderspiel und kann für
ein einzelnes Unternehmen auf den ersten Blick
sehr komplex und aufwändigwirken. Es wäre auf-
grund der zahlreichen Vorteile dennoch sträflich,
die Möglichkeit verstreichen und die Potentiale
ungenutzt zu lassen“, erklärt Hendrik Jellema.
Der ehemalige Vorstand der Berliner Gewobag
ist Europabeauftragter des EBZ.
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Quelle: EBZ