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MARKT UND MANAGEMENT
10|2016
Forschung, Wissenstransfer und Weiterbildung
Forschung und Wissenstransfer in der Immobilienwirtschaft
Die Zusammenarbeit zwischen Universitäten/Hochschulen und der Wirtschaft hat in den letzten
Jahrzehnten immer mehr an Bedeutung gewonnen. Die moderne Welt lebt von Innovationen, zunehmend
auch von der Konvergenz von Innovationen aus sehr unterschiedlichen Sektoren. Vieles kumuliert
in neue Lösungen, oft unter Nutzung der IT. Dies führt in der digitalen Welt teilweise zu disruptiven
Geschäftsmodellen. Alles verändert sich. Zusammenarbeit wird in diesem Kontext immer wichtiger, um
vorbereitet zu sein und Chancen rechtzeitig zu sehen und zu nutzen.
Angesichts der großenBedeutung der Bau- und Im-
mobilienwirtschaft ist es nicht verwunderlich, dass
das Thema Zusammenarbeit mit der Wissenschaft
ständig an Bedeutung gewinnt. Denn die Bau- und
Immobilienwirtschaft ist ein sehr konkreter Teil
der Realökonomie. Etwa die Hälfte der werthal-
tigen Assets haben weltweit mit dem Thema Bau
zu tun. Hier steckt ein Großteil desWohlstands der
Menschheit. Hierwerden auch dieVoraussetzungen
für die moderne Zivilisation geschaffen.
Neue Zusammenarbeit
Trotzdem machen die Innovationen aus dem IT-
Sektor auch vor dieser Branche nicht halt. Wir er-
leben, wieGebäudemittels CADund3D-Geometrie
schon im Planungsprozess für den Kunden virtuell
immer greifbarerwerden, umFehlentscheidungen
zu verringern und einzelne Dimensionen zu opti-
mieren. Denn durch zunehmende Anforderungen
aus dem Klima- und Materialbereich sowie im
Bereich der Lüftung werden die Forderungen an
Gebäude permanent umfangreicher. Es gibt aber
auch die Technologien, mit denen sich solche For-
derungen realisieren lassen. Die Nutzung der IT in
der Planung und späteren Nutzung bzw. Umnut-
zung von Gebäuden, im Umgang mit Investoren
und mit Kunden steht im Zentrum vieler neuer
Möglichkeiten. Es gibt hier eine natürliche Be-
ziehung zur Zusammenarbeit mit Fachleuten und
Forschungsvorhaben, die die IT-Nutzung in solch
einem Umfeld befördern.
Hier entstehen aber auch ganz neue Anforderun-
gen. Etwa in Richtung Green Building. Für Premi-
umhersteller im Immobilienbereich ergeben sich
stärkere Zwänge, in diese Richtung zu investieren,
verbunden mit Notwendigkeiten der öffentlichen
Kommunikation mit diversen Stakeholdern, z. B.
bezüglich der Nachhaltigkeitsthematik. Eswird er-
forderlich, die Erkenntnisse der entsprechenden
Forschungsrichtungen von der Psychologie bis
zum Marketing und zur Kommunikation stärker
einzubinden.
Auch die Anforderungen an Planungs- und Fi-
nanzunterlagen werden immer umfangreicher.
Finanzierungspartner, Aufsichtsgremien und die
Öffentlichkeit stellen nicht nur im Hinblick auf
Compliance-Fragen heute höhere Ansprüche.
Nur mit modernen IT-Methoden können vielfach
überhaupt die nötigen Informationen bereitgestellt
werden. Die IT liefert aber auch für jede Art von
Controlling neue Ansätze. Für die Zusammenarbeit
der Fachleute aus den Bereichen BWL, Jura, Steu-
er- undWirtschaftsprüfung oder Beratung tut sich
ein großes Spektrum immer neuer Aufgaben auf.
Neue Arbeitsweisen
Immer stärker wird gefordert, den Hausbau durch
Benutzung von Standardbauteilen und vorgefertig-
tenTeilen preiswerter und schneller zumachen und
die Effizienz zu steigern. Zunehmend fordert man
für das Haus auch so etwas wie eine digitale Akte –
z. B. um zu wissen, wo unterschiedliche Leitungen
verlegt sind, wo unkompliziert gebohrt werden
kann, in welchem Zustand sich das Haus befindet,
wann wo was gewartet wurde und was als Nächs-
tes ansteht, bevor es „brennt“. Es liegt nahe, für
so ein umfangreiches Investment entsprechende
Dokumentationen zu fordern. Das reflektiert auch
die Notwendigkeit, Nachhaltigkeit zu adressieren,
was ja zunehmend ein Thema von „Labels“ in der
Bauwirtschaft ist. Spannend wird es dann z. B.,
wenn sich die Frage nach demCO
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-Anteil in unter-
schiedlichsten eingesetztenMaterialien über ihren
gesamten Lebenszyklus stellt.
In der modernen Welt ist das Business anders als
früher. Die Mitarbeiter arbeiten per IT an verteil-
ten Standorten, hochgradig mobil, beweglich, im
Kontakt mit dem Kunden, manchmal auf eigenen
Geräten undmit eigenenProgrammen. Hier braucht
man Kenntnisse und Ideen bezüglich der entspre-
chenden Systeme, auch der notwendigen Sicher-
heitsmechanismen, der Kollaborationstools mit
anderen und der Möglichkeit, mit Hilfe der IT die
eigene Wettbewerbssituation zu verbessern. An-
gesprochen ist hier auch die Frage der Gewinnung
und des Haltens hoch qualifizierter Mitarbeiter
(Employer Branding).
Neue Materialien
AmBauwerden unterschiedlichsteMaterialien ge-
braucht und dasweltweit unter unterschiedlichsten
Witterungs- und Stressbedingungen. Hilfreich ist
es häufig, die verschiedenenMaterialien spezifisch
miteinander zu verknüpfen. Die Frage, wasmöglich
ist undwas nicht, wie lange die Kombinationslösun-
gen halten, wie dicht die Fugen sind usw. ergibt eine
unendliche Kette notwendiger Forschung imMate-
rialbereich, sollen neueMaterialien eingesetztwer-
den. Natürlich besteht hier auch eine weitere
Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Franz Josef Radermacher
Forschungsinstitut für anwendungsorientierte
Wissensverarbeitung/n (FAW/n)
Ulm
THEMA DES MONATS