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10|2016
die Genossenschaft erzielen, anders, als wennwir
das Kapital bei der aktuellen Niedrigzinssituation
fest anlegen würden.
Aber nehmen wir einmal an, dass die BfW
Bank in eine wirtschaftliche Schieflage
gerät. Welche Risiken wären damit für Ihre
Mitglieder verbunden?
Keine. Die Bank ist eine Aktiengesellschaft, so dass
eine persönliche Haftung der Genossenschafts-
mitglieder ausgeschlossen ist. Abgesehen davon
sind die Ausfallrisiken bei der WEG-Finanzierung
deutlich geringer als bei Baukrediten an Einzelper-
sonen. Zudem sei angemerkt, dass die BfW statt in
riskante Geschäfte amAktien- und Anleihenmarkt
nur in nachhaltige Immobilien investiert und sich
dadurch einen solventen und profitablen Grund-
stock in ihrem Kernbereich, nämlich dem der
Wohnungseigentümergemeinschaften, aufbaut.
Wie ist das bei den anderen Unternehmen,
die zu Ihrer Genossenschaft gehören?
Können da die Mitglieder in Haftung genom-
men werden?
Nein. Es sind alles selbständige Unternehmen in
der Rechtsformeiner GmbHmit einembeschränk-
ten haftenden Kapital. Zumbesseren Verständnis:
Alle unsere Tochterunternehmen und deren Kun-
den werden Mitglieder unserer Genossenschaft.
Das heißt, dass auch die Vonovia – einer Ihrer
Kunden – Mitglied der Familienheim ist?
Ganz genau. Jeder, der mit uns oder unseren
Töchtern in Geschäftsbeziehungen tritt, wird
Mitglied der Genossenschaft. Damit können wir
demFörderauftrag gegenüber unseren rund 6.000
bestehenden und knapp 1.000 Neumitgliedern
transparent und nachhaltig gerecht werden.
Eine aufsehenerregende Entscheidung
In der Wohnungswirtschaft gelten Genossenschaften als solide, lokal ver-
ankerte Unternehmen. Umso größer war das Aufsehen, als im Herbst 2015
die Familienheim Rhein-Neckar eG in Mannheim ankündigte, die Treureal
zu übernehmen. Treureal ist ein auf Property und Facility Management
spezialisiertes Unternehmen, das nicht nur Wohnungen verwaltet, sondern
auch große Gewerbeimmobilien und dabei teilweise im Auftrag interna-
tionaler Investoren tätig ist. Die Treureal beschäftigt an sechs deutschen
Standorten 610 Mitarbeiter und betreute 2015 Immobilien im Wert von
über 6 Mrd. €.
Manche Beobachter fragten sich damals, wie das Geschäftsmodell der
Familienheim mit dem Genossenschaftsprinzip zusammenpasse. Insbeson-
dere die Frage, ob die Erweiterung der Geschäftsfelder mit dem genos-
senschaftlichen Förderauftrag vereinbar sei, wurde hinter den Kulissen
intensiv diskutiert. Denn schon vor dem großen Coup hatte sich die 1947
gegründete Familienheim Rhein-Neckar neuen Aufgaben zugewandt: Zur
Holding gehören auch die auf WEG-Verwaltung spezialisierte Treubau und
die BfW Bank für Wohnungswirtschaft AG. Nach eigenen Angaben verwaltet
die Gruppe mit über 1.000 Mitarbeitern mehr als 120.000 Wohneinheiten
und rund 2,5 Mio. m
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Gewerbefläche.
„Die Baugenossenschaft Familienheim Rhein-Neckar eG beschreitet mit
der Holding-Funktion der Genossenschaft einen unternehmerischen Weg,
der in der Wohnungswirtschaft bundesweit bisher so noch nicht gegangen
wurde“, stellt denn auch der vbw Verband baden-württembergischer Woh-
nungs- und Immobilienunternehmen e. V. fest. „Sie zeigt damit unterneh-
merische Innovation und will vor allem Marktchancen für ihre Mitglieder
wahrnehmen. Mit dem Verbundmodell einer spezialisierten Bank, einem
WEG-Verwalter und einem Property- und Facility-Manager unter dem Dach
einer Wohnungsbaugenossenschaft können den Mitgliedern der Genossen-
schaft umfassendere Dienstleistungen angeboten werden und sie können
von den Konditionen dieser Dienstleister profitieren; die Genossenschaft
hat damit ihren Förderauftrag deutlich umfassender definiert.“
Äußeres Zeichen des Expansionskurses ist, dass die Familienheim künftig
als Immobiliengruppe Rhein-Neckar firmieren wird. Voraussichtlich 2018
wird sie zudem mit dem Bau ihrer rund 25 Mio. € teuren neuen Zentrale im
Glückstein-Quartier am Mannheimer Hauptbahnhof beginnen.
HINTERGRUND
Genossenschaften leben von der Mitbestim-
mung ihrer Mitglieder. Wie ist diese Mitbe-
stimmung in IhremModell sichergestellt?
DieMitglieder wählen die Vertreterversammlung,
wobei wir Wert darauf legen, dass sich darin alle
Gruppierungen in einem repräsentativen Quer-
schnitt wiederfinden. Geschäftsstrategische
Themen wie die Übernahme der Treureal oblie-
gen jedoch dem Vorstand und dem Aufsichtsrat.
Welche Vorteile haben die Altmitglieder –
also die klassischen Genossenschaftsmitglie-
der – von der Übernahme der Treureal?
Sie haben den großen Vorteil, dass dadurch die
Dienstleistungen in einer Masse gebündelt wer-
den, woraus wiederum für alle Beteiligten eine
enorme Ersparnis resultiert – z. B. beim Ener-
gieeinkauf, beim Hausmeisterservice oder bei
der Legionellenprüfung. Die Mieter werden also
durch den Zukauf der Treureal gefördert, weil sie
als Endverbraucher einen besseren Preis haben.
Schütten Sie eine Dividende aus?
Wir zahlen unseren Mitgliedern schon seit lan-
gem eine jährliche Dividende von 6% auf das Ge-
schäftsguthaben, wobei jedes Mitglied nur
(li.) Die führenden Köpfe des neuen
genossenschaftlichen Immobilienkon-
zerns (v.l.): Mike Kirsch, Vorstand der
Bank für Wohnungswirtschaft; Uwe
Rabe, Geschäftsführer der Treubau
Immobilienverwaltung; Dirk Tönges,
Geschäftsführer der Treureal; Gerhard
Burhardt, Vorstandsvorsitzender der
Familienheim Rhein-Neckar
Im Glückstein-Quartier in unmittelba-
rer Nähe des Mannheimer Hauptbahn-
hofs errichtet die Familienheim Rhein-
Neckar ihre neue Firmenzentrale (links
auf dem Bild, in der Nähe des großen
Hochhauses). Baubeginn ist frühestens
Anfang 2018