DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 10/2016 - page 97

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10|2016
WEG § 46 Abs. 1; ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1
Anfechtung eines Ermächtigungs­
beschlusses; Rechtsmittel
Hat ein Wohnungseigentümer erfolglos einen Beschluss angefoch­
ten, durch den der Verwalter zur gerichtlichen Geltendmachung
einer Forderung gegen ihn ermächtigt worden ist, bestimmt sich
der Wert seiner Beschwer grundsätzlich nach dem Nennbetrag der
Forderung.
BGH, Beschluss vom 9.6.2016, V ZB 17/15
Bedeutung für die Praxis
Wird auf der Eigentümerversammlung beschlossen, eine Forderung in
Höhe von mehr als 600 € durch den Verwalter als Vollzugsorgan ge-
richtlich gegen den späteren Kläger durchzusetzen, so ist bei erfolgloser
Anfechtungsklage der Weg zur zweiten Instanz eröffnet. Streitwert und
Beschwer werden vom BGH mit der Forderungssumme angesetzt.
Gestützt wird dies vom BGH auf den rechtlichen Aspekt, dass der positive
Beschluss zwingende Voraussetzung für die gerichtliche Durchsetzung der
streitigen Forderung ist, weil der Verwalter nach § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr.
7 WEG nur zur Anwaltsbeauftragung oder Klageerhebung berechtigt ist,
soweit er zuvor durch Beschluss der Wohnungseigentümer mit Stimmen-
mehrheit hierzu auch ermächtigt ist.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 10 Abs. 2 S. 3, 23 Abs. 1
Belastungsverbot und Anspruch auf
Änderung der Gemeinschaftsordnung
1. Das Belastungsverbot schränkt die Mehrheitsmacht der
Wohnungseigentümer ein, schließt aber nicht den Änderungs­
anspruch nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG aus.
2. Die (ggf. ergänzende) Auslegung der Gemeinschaftsordnung hat
Vorrang vor einer Anpassung gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG.
BGH, Urteil vom 13.5.2016, V ZR 152/15
Bedeutung für die Praxis
Der BGH verdeutlicht noch einmal die Reihenfolge der Prüfung: Erst
muss versucht werden, im Wege der (ggf. ergänzenden) Auslegung der
Gemeinschaftsordnung ein Ergebnis zu finden. Scheitert dies, kann der
Änderungswillige die übrigen Wohnungseigentümer ggf. auf Anpassung
der Gemeinschaftsordnung in Anspruch nehmen. Die Hürden sind gemäß
§ 10 Abs. 2 Satz 3 WEG allerdings hoch, auch wenn der Gesetzgeber sie
gegenüber der Rechtsprechung vor dem 1.7.2007 abgesenkt hat. Zweck
der Regelung ist nämlich nur die Beseitigung unbilliger Härten bei dem
die Änderung verlangenden Wohnungseigentümer, die diesem bei einem
Festhalten an der bisherigen Regelung entstünden. Die Gemeinschafts-
ordnung wird nicht etwa generell zur Disposition gestellt.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 21, 28, 43 Nr. 4
Nachgenehmigung bereits erfolgter Maßnahmen; Jahresabrechnung und
Beschlussgegenstand
1.Ein Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung „Die Eigentümergemeinschaft beschließt die bereits durchgeführten Leistungen
der Firma … laut Rechnungen vom… für die Demontage des Fensterrahmens und das Zumauern des Fensters zur Straßenseite sowie für
das Abdichten und Isolieren der Kelleraußenwand … Die genannten Rechnungen sind bereits bezahlt und wurden aus der Instandhal­
tungsrücklage entnommen“ ist hinreichend bestimmt, aber ordnungswidrig, wenn deutlich geringere Rechnungsbeträge angekündigt
wurden.
2. Ein Beschluss lautend: „Die Einzel- und Gesamtabrechnungen 2013 werden unter Voraussetzung der Korrektur der Rechnung der
Firma B. vom 26.09.2013 in Höhe von € …, in vorliegender Form genehmigt. Die Salden werden vier Wochen nach der Versammlung
fällig“ ist ordnungswidrig.
3. Es muss sich aus dem Beschluss über die Jahresabrechnung ergeben, ob ein Abrechnungssaldo, die Abrechnungsspitze oder eine Rechen­
aufgabe beschlossen wurden.
AG Hamburg-Blankenese, Urteil vom 27.7.2016, 539 C 44/15
Bedeutung für die Praxis
Für nachgenehmigte bauliche Maßnahmen entschied jüngst das LG
Hamburg (Urteil vom 29.6.2016, 318 S 102/05), dass diese nur dann
ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, wenn es sich um eine Notmaß-
nahme handelte oder der Umbauende einen Anspruch auf die konkrete
Gestattung hatte.
Kommt bei ohne Beschlussfassung bereits bezahlten Rechnungen noch
ein Ankündigungsfehler für die Nachgenehmigung hinzu, ist der Geneh-
migungsbeschluss ebenfalls für ungültig zu erklären. Bei einem solchen
behebbaren Fehler kann der inhaltsgleiche Zweitbeschluss die Lösung
für die Gemeinschaft sein, wenn sie das eigenmächtige Verwalterhan-
deln billigen will.
Hochstreitig ist derzeit die weitere Frage, was denn Beschlussgegen-
stand bei der Genehmigung der Einzelabrechnungen ist: die Abrech-
nungsspitze oder eine einfache Rechenaufgabe?
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
1...,87,88,89,90,91,92,93,94,95,96 98,99,100
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