Der Markt ist auch deswegen eng, weil unser Wohl-
stand gestiegen ist. Zwischen 1991 und 2013 ist
das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen um
60%gestiegen. Die zusätzliche Kaufkraft ist auch
ins Wohnen geflossen. In den Städten gibt es eine
Nachfragegruppe, die zwar den Anstieg der Preise
beklagt, aber selbst die Preise durch ihr Nachfra-
geverhalten mit hochtreibt.
Wir brauchen Konzepte für kleineWohnungen und
für eine bessere Ausnutzung von Grundstücken,
undwir müssen dafür sorgen, dass die Kommunen
in der Lage sind, diese Konzepte über den politi-
schen Zyklus hinaus zu begleiten.
Thomas Ortmanns:
Sie haben recht, Frau Harms:
Wir haben keinen Engpass, was Geld angeht. Nicht
nur Investoren haben einen Anlagenotstand, son-
dern auch Bürger. Nun sprießen die ersten zarten
Pflänzchen; man versucht, Immobilienfinanzie-
rung über Crowdfunding nach vorne zu bringen.
Und was tun die Aufsichtsbehörden? Sie denken
darüber nach, wie sie das verhindern können. Es
ist richtig, Banken zu regulieren, diemit fremdem
Geld arbeiten. Aber beimCrowdfunding investie-
ren die Anleger ihr eigenes Geld. Warum soll das
verhindert werden?
Bettina Harms-Goldt:
Worüber ichmir allerdings
Sorgen mache, ist die Frage, ob die Wohnungs-
wirtschaft auch dann noch bauen kann, wenn die
Zinsenwieder steigen. DieseMöglichkeit verlieren
wir gerade ein bisschen aus den Augen, weil wir
in dieser „gemütlichen“ Niedrigzinsphase sind.
Thomas Ortmanns:
Wir müssen in der Tat aufpas-
sen, dass die Niedrigzinsphase nicht in die falsche
Richtung führt. Ich halte eine dreiprozentige Ver-
zinsung für einen Immobilienbestand langfristig
für gefährlich, da die Fremdfinanzierungskosten
wieder steigen werden. Das ist so sicher wie das
Amen in der Kirche. Wenn die Fremdfinanzierung
bei der Prolongation teurer ist, stellt sich die
Frage, ob die Rechnung noch aufgeht. Außerdem
wird die Bewertung der Immobilien sinken, sobald
die Zinsen steigen. Das wird dazu führen, dass die
Banken vomKundenmehr Eigenkapital verlangen.
Das kann zu erheblichen Problemen führen, wenn
ein Investor sich nicht rechtzeitig ein Stresssze-
nario überlegt hat. Insofern darf man sich durch
das viele Geld, das jetzt zur Verfügung steht, nicht
täuschen lassen.
Michael Sachs:
Ich sehe im Moment sogar wie-
der die Gefahr des Missbrauchs der kommunalen
Wohnungsunternehmen. Die Politik bedient sich
ihrer in einer Weise, die Anlass zur Sorge gibt,
dass der Kreislauf von Neuem beginnt, dass die
Unternehmen also irgendwann angeblich under-
managed seien und die Kommunen als eigentliche
Verursacher sie amEnde wieder verkaufenwollen.
Ich sage das nicht als Drohung, ich sage das nur als
Warnung, dass man da genau draufgucken muss.
Uwe Eichner:
Ich glaube nicht, dass die Kommu-
nalen undermanaged sind. Die Geschäftsführer
sind die Ersten, die warnend den Zeigefinger
heben und sagen: So geht das nicht. Aber es ist
in der Tat wichtig, dass die Wohnungsunterneh-
men bei allem, was sie tun, darauf achten, dass
es auch in 20 Jahren noch funktioniert. Es darf
nicht sein, dass die Finanzierung bei der ersten
Prolongation gegen die Wand fährt, weil die Un-
ternehmen bei hohen Baukosten geringe Mieten
nehmen mussten. Als Geschäftsführer muss man
auch seinem Aufsichtsgremium gegenüber mal
nein sagen können.
„Ich bin überzeugt, dass wir nicht einen Engpass an Finanzierungsmitteln
haben, sondern einen Engpass an Konzepten. “
Bettina Harms-Goldt
Bettina Harms-Goldt
Thomas Ortmanns
Bettina Harms-Goldt:
Noch ist das Kapital vor-
handen, aber es wird nicht immer richtig ein-
gesetzt. In Berlin z.B. betrug im Jahr 2014 die
durchschnittliche Wohnfläche im Geschosswoh-
nungsneubau 93 m
2
. Das verspricht privaten In-
vestoren eine vernünftige Rendite im Bereich der
Eigentumswohnungen. Aber es hilft nicht bei der
Aufgabe, günstigenWohnraum für große Gruppen
der Bevölkerung zu schaffen. Zum Vergleich: In
Hamburg betrug 2014 – auch unter dem stärke-
ren Einfluss der Förderung – die durchschnittli-
che Wohnfläche im Geschosswohnungsneubau
nur 77 m
2
.
Michael Sachs:
ImMoment macht die Politik den
Fehler, zu glauben, dass die derzeitige Entwick-
lung immer so weitergehe. Das ist aber nicht der
Fall. Deswegen bin ich ziemlich sicher, dass wir das
Segment der teuren frei finanziertenWohnungen
und der teuren Eigentumswohnungen nicht regu-
lativ beeinflussen müssen. Die werden nämlich
irgendwann einfach leer stehen.
Hingegen hat jede Investition in eine preiswerte
Wohnung oder in eine Sozialwohnung eine nach-
haltige Wirkung. Denn eins kann man mit Sicher-
heit sagen: Die Gruppe derer, die preiswerten
Wohnraum brauchen, wird größer werden. Inso-
fern sehe ich überhaupt kein Problem, Investiti-
onen für den sozialen Wohnungsbau auszulösen.
Es gibt durchaus Möglichkeiten, Aktiengesell-
schaften oder Fonds für sozialen Wohnungsbau
zu gründen und den Anlegern, die ein nachhaltiges
Investment suchen, eine drei- bis vierprozentige
Verzinsung für lange Jahre mit hoher Vermie-
tungssicherheit zu bieten.
Uwe Eichner:
Da bin ich anderer Ansicht. Ich
glaube nicht, dass die privaten Investoren in dem
Segment investieren, in demwir Wohnungen brau-
chen. Noch mal, wir brauchen günstigen Wohn-
raum. Und wenn die Alternative ist, für 12 €/m
2
frei zu vermieten oder für 6,25 €/m
2
komplizierte
Förderbestimmungen einzuhalten, dann baue ich
doch frei finanziert.
Helmut Knüpp:
Ich widerspreche Ihnen. Man
kann die Assetklasse des preisgünstigen Woh-
nens auch für Anlegergruppen interessant ma-
chen, die sich an marktwirtschaftlichen Kriterien
orientieren. Dazu bedarf es nicht unbedingt eines
altruistischen Ansatzes. Preisgünstiger Wohnraum
ist perspektivisch eine hochinteressante Anlage-
klasse. Ich kenne viele private Unternehmen, die
mit vernünftigen Renditevorstellungen arbeiten.
Sie haben verstanden, dass das lange Halten des
Immobilienbestandes im eigenen Vermögen der
eigentliche Ertragsbringer ist.
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10|2016
NEUBAU UND SANIERUNG