Hans-Otto Kraus:
Meiner Meinung nach muss
sich die Wohnungswirtschaft schlichtweg wei-
gern, weitere Verschärfungen unsinniger Gesetze
mitzutragen. Damüssenwir relativ radikal sagen:
Unter diesen Bedingungen bauen wir nicht mehr.
Und ich kann es nur wiederholen: Die EnEV ist ur-
sprünglich erfundenworden, umden CO
2
-Ausstoß
zu reduzieren, und nicht, um zu dämmen. Das ist
vollkommen falsch umgesetzt worden. Die weitere
Verschärfung der EnEV ist sowohl ein betriebs-
wirtschaftlicher als auch ein volkswirtschaftlicher
Unsinn.
Uwe Eichner:
Diese Verweigerung findet doch
bereits statt, Herr Kraus. Das kann man daran se-
hen, dass wir zuwenig und zu teuer bauen. Letzten
Endes zeigt sich diese Verweigerung amAnwach-
sen der Preise.
Hans-Otto Kraus:
Um die Baukosten zu senken,
brauchen wir eine konzertierte Aktion mit allen
Beteiligten: Wohnungswirtschaft, Bauwirtschaft,
Architekten und Kommunen. Heute denken und
agieren wir sektoral, wie schon von Herrn Ge-
daschko dargestellt. Das ist ein gravierendes Di-
lemma, das schon bei der Planung beginnt. Ich
muss amAnfangwissen, was ich amSchluss haben
will. Und wenn der Städteplaner das nicht beach-
tet, dann kommt ein Bebauungsplan heraus, bei
dem sich nicht preiswert bauen lässt. Übrigens
gab es hierzu schon in den 1970er Jahren einen
Rationalisierungskatalog der Bundesregierung
mit dem Titel „Kostengünstiger Wohnungsbau“.
Das war eine hervorragende Ausarbeitung über
alle kostenrelevanten Bereiche. Zwar haben sich
seither die Normen geändert, aber imPrinzip gel-
ten die damaligen Erkenntnisse noch heute. Wir
haben also kein Erkenntnisdefizit, sondern ein
Umsetzungsdefizit.
Die Kommunen müssen uns Möglichkeiten an die
Hand geben, Wohnungsbauprogramme schnell
umzusetzen. Dafür braucht es eine Änderung bei
den altertümlichen Genehmigungsverfahren. In
München hatte ich z. B. den Vorschlag gemacht,
dass Genehmigungsbehörde und Wohnungswirt-
schaft in Augenhöhe am selben Tisch arbeiten
sollen. Wir sitzen uns also gegenüber, wir zeigen
die Pläne und die Genehmigungsbehörde sagt
uns verbindlich, was geht und was nicht geht.
Ein praktischer Vorschlag zur Beschleunigung, der
aber angeblich nicht umsetzbar ist. Stattdessen
erlebenwir nachwie vor das Pingpong-Spiel: Man
hat eine Besprechung, geht nach Hause, ändert die
Pläne, dann kommt wieder die hoheitliche Prüfung
mit dem Ergebnis, dass man es so nicht machen
kann. Und dann geht das hin und her. Von diesem
Hoheitsverhalten der Genehmigungsbehörden
müssen wir wegkommen. Ich weiß, dass die Be-
hörden eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe für
die Allgemeinheit erfüllen. Dennoch ist hier mehr
Kundennähe gewünscht. (Zur Klarstellung: In
München habenwir schon kooperative Verfahren.)
Helmut Knüpp:
Was uns fehlt, ist in der Tat die
Anstrengung, die unterschiedlichen Akteure zu-
sammenzubringen und gemeinsam zu überlegen,
wo wir was tun können. Ein Mittel dazu ist die
Konzeptvergabe. Da, wo der Staat eine eigene
Akteursrolle hat – nämlich dann, wenn er eigene
Grundstücke verkauft –, kann und muss er auf die
inhaltliche Ausgestaltung Einfluss nehmen. Die
Konzeptvergabe trägt dazu bei, Wirkungsräume
entstehen zu lassen, die den Partnern ihre gegen-
seitige Abhängigkeit deutlich machen.
Michael Sachs:
Die Konzeptvergabe war ja ein
Kernpunkt der Hamburger Wohnungspolitik und
hat zu unerwarteten Freundschaften geführt.
Plötzlich fanden Projektentwickler wie Quantum
die kommunale SAGA GWG nett, weil ihnen diese
das geforderte Drittel Sozialwohnungen abge-
nommen hat und außerdem ein erfahrener Ver-
walter für besondere soziale Schichten ist.
Uwe Eichner:
Ich halte es für sinnvoll, wenn die
öffentliche Hand kooperative Baulandmodelle be-
schließt und so die Unternehmen zwingt, einen
gewissen Anteil an Sozialwohnungen zu bauen.
Dadurch wächst der Anteil an Sozialwohnungen
und die kommunalen Unternehmen können diesen
geförderten Wohnungsbau übernehmen.
Michael Sachs:
Es wird aber viel zu wenig mit
städtebaulichen Verträgen und Entwicklungs-
gebieten gearbeitet, mit denen man einen Teil
der Wertsteigerung abschöpfen kann. Außerdem
nutzen die Kommunen zu wenig die Möglichkeit,
vom Bauherrn eine Gegenleistung zu verlangen,
wenn er sein Grundstück über das vorhandene
Baurecht hinaus bebauen oder sogar mit Befrei-
ungen arbeiten darf. Das kann z. B. bedeuten, dass
der Bauherr ein oder zwei Geschosse mehr bauen
darf, wenn er dafür einen Teil der Wohnungen für
9 €/m
2
vermietet.
Hans-Otto Kraus:
Meiner Überzeugung nach
kann das Kosten- und das Versorgungsproblem
nur gelöst werden, wenn es eine Renaissance der
Wohnungsgemeinnützigkeit gibt. Es muss eine
Bindung geben für preiswertes Wohnen und eine
entsprechende Vergünstigung für diejenigen Un-
ternehmen, die sich dazu verpflichten. Das ist in
der Nachkriegszeit sehr überzeugend gelungen,
und die Abschaffung der Wohnungsgemeinnüt-
zigkeit war vollkommen unsinnig.
Helmut Knüpp:
Ichwar ein flammender Verfech-
ter der Wohnungsgemeinnützigkeit, aber sie ist
nun mal weg und ich glaube nicht an ein Revival.
Dafür fehlt mir die Fantasie.
Bettina Harms-Goldt:
Ich möchte noch einmal
auf einen grundsätzlichen Aspekt eingehen.
Dr. Peter Schaffner
Uwe Eichner
Hans-Otto Kraus
„Ich habe an vielen Diskussionen mit Stadtplanern teilgenommen, die bei der
Debatte über Bürgerbeteiligungsverfahren in große Schwierigkeiten geraten
sind, weil sie diese Diskussion für kaum beherrschbar halten.“
Helmut Knüpp
31
10|2016