Politik und Wohnungswirtschaft leben in zwei getrennten Welten. Die
Politik will ihre Erfolge innerhalb einer vier oder fünf Jahre dauern-
den Legislaturperiode einfahren, während die Wohnungswirtschaft mit
einer langfristigen Investitionsperspektive von 20 bis 50 Jahren arbei-
tet. Diese beiden Welten passen so erst mal nicht zusammen. Ich habe
das aufgegriffen, als ich vom Vorstand der SAGA GWG in die Politik
Michael Sachs, Staatsrat a. D./Aufsichtsratsvorsitzender Gewobag AG, Berlin
Bei Prognosen müssen wir vorsichtig sein
Beim Wohnungsbau herrscht eine gewisse
Volatilität oder Zyklizität. In der öffentli-
chen Wahrnehmung wird das Thema Woh-
nungsneubau nach oben gespielt, dann
wird ein großer Aktionismus entwickelt,
aber sobald es durch ein anderes Thema
überlagert wird, verschwindet es wieder
von der Prioritätenliste. Dabei braucht der
Wohnungsneubau eine gewisse Langfristig-
keit. Derzeit stehen Wohnungsinvestoren
aber oft vor dem Problem eines regulatorischen Aktivismus: Mietpreis-
bremse, AfA-Diskussion, Überarbeitung der EnEV – jeden Tag wird etwas
Neues erfunden, das zum Teil noch gegeneinander wirkt. Dadurch wer-
den die Rahmenbedingungen für Investoren unübersichtlich und vor allen
Dingen nicht verlässlich. Viele private Investoren warten ab, da sie nicht
wissen, wie die Rahmenbedingungen in den nächsten fünf bis zehn Jahren
sein werden. Hinzu kommt, dass sich alle Investoren – Privatinvestoren
genau so wie kommunale Gesellschaften und Genossenschaften – durch
die Normen der Genehmigungsverfahren kämpfen und so bei ihren Bau-
projekten mit langen Wartezeiten rechnen müssen.
Ein zweiter Punkt ist von zentraler Bedeutung, nämlich die Politisierung
der Standorte. Man hat in der öffentlichen Diskussion den Eindruck, dass
jeder in Berlin-Prenzlauer Berg oder Hamburg-Uhlenhorst wohnen soll.
Die Möglichkeit, an günstigen Standorten in den Randbezirken Wohnraum
zu schaffen, wird teilweise als minderwertig dargestellt. Das führt dazu,
dass Investoren solche Vorhaben gar nicht angehen, da sie eine Stigmati-
sierung befürchten. Dahinter steht zum Teil eine fehlende Strukturpolitik.
Eine klassische Strukturpolitik, die sich damit befasst, wie sich in der Nähe
von Ballungsgebieten Wohnraum und Infrastruktur schaffen lassen, findet
oft nicht statt.
Eine Stigmatisierung zeigt sich auch auf einem anderen Gebiet: Es gilt oft
als verwerflich, wenn ein Investor mit Wohnungsbau Geld verdienen will.
Das hält besonders private Investoren vom Wohnungsbau ab. Ein privater
Investor steht heute immer im Verdacht, sich nur aus Renditegründen zu
engagieren und die Situation auszunutzen. Hier braucht es eine Gegen-
position: Wenn die Preise vernünftig sind und Wohnungen in ordentlicher
Qualität entstehen, dann stellt das Engagement privater Investoren einen
sinnvollen Beitrag zur Lösung des Wohnungsproblems dar.
Wenn diese Punkte beachtet werden, dann bin ich optimistisch, dass die
Investitionstätigkeit sehr schnell in Gang kommt. Denn die Rahmenbedin-
gungen waren noch nie so günstig wie heute. Die Banken stellen derzeit
Geld zu äußerst vorteilhaften Konditionen zur Verfügung, und viele Inves-
toren suchen händeringend Anlagemöglichkeiten, weil sie in keiner ande-
ren Assetklasse mit vertretbaren Risiken noch eine ordentliche Rendite
erwirtschaften können. Wenn man also jetzt nicht anfängt, durch immer
neue Forderungen und Gesetze diese Entwicklung zu konterkarieren, dann
werden sich schnell viele Investoren finden. Und dann werden wir es auch
schaffen, beim Wohnungsbau auf die nötigen Stückzahlen zu kommen.
Thomas Ortmanns, Vorstandsmitglied, Aareal Bank AG, Wiesbaden
Die Rahmenbedingungen waren noch nie so günstig wie heute
Es fehlt in den Großstädten ja nicht an Mietwohnungen für 15 €/m
2
und
an Eigentumswohnungen für 3.000 bis 5.000 €/m
2
. Woran es fehlt, ist
günstiger Wohnraum. Um diesen Mangel zu beheben, braucht es Bau-
grundstücke, die wir in den Großstädten nicht oder nur in den Randbe-
reichen zur Verfügung haben. Wenn die Kommunen nicht bereit sind,
auch große Flächen zur Verfügung zu stellen, auf denen ganze Stadt-
teile entstehen können, dann werden wir das Problem nicht in den Griff
bekommen.
Selbst wenn wir Grundstücke haben, müssen wir immer noch die zahl-
reichen Barrieren überwinden, die die Verwaltung und das Baurecht auf-
gestellt haben. Dazu brauchen wir einen Wohnungsbaukoordinator, also
einen starken Wohnungspolitiker in Person des Oberbürgermeisters oder
in der Spitze der Verwaltung angesiedelten Fachmanns, der die Beteilig-
ten an einen Tisch bringt und schnelle Entscheidungen herbeiführt.
Was wir ebenfalls brauchen, sind Anreize für
Investoren – nicht nur für die großen Woh-
nungsunternehmen. Das Land Nordrhein-
Westfalen (NRW) hat sehr gut verstanden,
dass mit Zinssubventionen nichts mehr zu
gewinnen ist und Tilgungszuschüsse im
größeren Stil notwendig sind. Den zwei-
ten Schritt hat aber auch NRW noch nicht
gewagt: wenn man das Bauen günstiger
gestalten will, muss man an der Qualitäts-
schraube drehen. Wir machen genau das Gegenteil: Wir verteuern den
Wohnungsbau durch Gesetzesnormen, lange Genehmigungsprozesse
und immer höhere Anforderungen weiter. Wir reden davon, günstiger zu
bauen, und tun in Wirklichkeit das Gegenteil.
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10|2016
NEUBAU UND SANIERUNG