DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 10/2016 - page 30

Um jährlich 300.000 Wohnungen zu bauen,
braucht es hochgerechnet etwa 10 bis 15
Mrd. € Eigenkapital. Allein aus eigener
Kraft können das die Wohnungsunterneh-
men nicht schaffen. Es gibt also einen Kapi-
talengpass, den man überwinden muss.
Hierzu ein paar Ideen, wie man diese Lücke
schließen kann: Man könnte z. B. mit inno-
vativen öffentlichen Baudarlehen arbeiten.
Das Baudarlehen ist ja Fremdkapital und
nützt deshalb in der Bilanz nichts, weil das Unternehmen Eigenkapital
benötigt. Warum also versuchen wir nicht, öffentliche Baudarlehen so
auszugestalten, dass sie beim Wohnungsunternehmen als Eigenmittel
oder Eigenmittelersatz ankommen? Das könnte z. B. ein nachrangiges
partiarisches Darlehen sein, wie man es aus dem Crowd-Financing kennt.
Kleinere undmittlere Unternehmen, die sonst keinen Kapitalmarktzugang
haben, können so zu Eigenkapital kommen, was ihren Handlungsspiel-
raum erweitern würde. Hier gibt es allerdings einen Haken: zum Wesen
des partiarischen Darlehens gehört es, dass der Darlehensgeber neben
dem Zins auch eine Gewinnbeteiligung erwartet. Wie dieser Gewinn bei
einer Mietwohnung, die ins Anlagevermögen übergeht, berechnet wer-
den soll, müsste noch geklärt werden. Die Juristen werden aber bestimmt
einen Weg finden, solche Darlehen so auszugestalten, dass sie bei der
Wohnungswirtschaft als Eigenmittel ankommen.
Ein zweiter Vorschlag hängt mit der degressiven AfA zusammen. Der GdW
hat ja eine Studie über Mitarbeiterwohnungen mit in Auftrag gegeben,
die gezeigt hat, dass die Unternehmen gern mit der Wohnungswirtschaft
zusammenarbeiten und so Wohnraum für ihre Mitarbeiter schaffen wür-
den, um sich in Zeiten des Fachkräftemangels am Arbeitsmarkt besser
zu positionieren. Unternehmen mit wirtschaftlicher Potenz könnten also
in größerem Umfang in Wohnungsbestände investieren; und weil solche
Unternehmen Gewinn machen, würden sie von der AfA profitieren. Somit
hätten Unternehmen einen dreifachen Vorteil: Sie würden etwas Gutes
für ihre Mitarbeiter tun, sie könnten ihre Steuerlast mindern, und sie
könnten ihre Liquiditätsreserven mit einer ordentlichen Rendite inves-
tieren, statt sie quasi unverzinst auf dem Konto liegen zu lassen. Ich rege
deshalb an, auf Verbandsebene das Gespräch mit dem Bundesverband
Familienunternehmen und dem Bundesverband mittelständische Wirt-
schaft zu suchen und dadurch das Bewusstsein zu wecken, dass es für
ein Unternehmen eine interessante Aufgabe darstellt, seinen Standort
zu stärken.
Eine dritte Idee: Wohnungsunternehmen könnten den preisgedämpften
Wohnungsbau auch über den Bau von Eigentumswohnungen realisie-
ren. Ich stelle mir vor, dass Wohnungen an Kapitalanleger verkauft wer-
den mit der Auflage - beispielsweise - maximal 9,90 €/m
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an Miete zu
verlangen. Das ließe sich damit kombinieren, dass das Wohnungsun-
ternehmen die Bewirtschaftung übernimmt. Der Kapitalanleger ist ja
nun wirklich zurück auf dem Markt und kauft oft gebrauchte Wohnun-
gen zu überhöhten Preisen. Ich kann mir gut vorstellen, dass der eine
oder andere lieber eine Neubauwohnung erwerben würde, die von einem
städtischen Wohnungsunternehmen oder einer Genossenschaft bewirt-
schaftet wird.
die es Politik und Verwaltung sehr schwer
machen, ambitionierte Neubauprogramme
auf den Weg zu bringen. Bei Neubaupro-
jekten melden sich die Nachbarn oft sehr
lautstark zu Wort, während die restliche
Bevölkerung an der Debatte überhaupt
nicht teilnimmt, weil es ja nicht ihr Gar-
ten ist, der bebaut werden soll. Ich habe
an vielen Diskussionen mit Stadtplanern
teilgenommen, die bei der Debatte über
Bürgerbeteiligungsverfahren in große Schwierigkeiten geraten sind, weil
sie diese Diskussion für kaum beherrschbar halten.
Eine weitere Schwierigkeit in den größeren Städten ist die Bereitstel-
lung von Bauland. In Kiel z. B. gilt wie auch in anderen Städten ein
Ratsbeschluss, wonach erstinstanzlich zu prüfen ist, ob nicht ein vorha-
benbezogener Bebauungsplan auf den Weg gebracht werden soll statt der
Genehmigung nach § 34. Das bedeutet ganz leicht eine Bauverzögerung
von zwei Jahren.
Hinzu kommt die Herausforderung durch das Flüchtlingsthema. Diese
halte ich allerdings für beherrschbar. Wir hatten im vergangenen Jahr
eine Zuwanderung von weniger als 1,5% der Gesamtbevölkerung. Das
ist eigentlich nichts, was eine Gesellschaft auseinandersprengt. Als rela-
tiv kleines Unternehmen haben wir 500 Wohnungen für über tausend
Flüchtlinge zur Verfügung gestellt. Übrigens ist es nicht so, dass diese
Menschen so schnell wie möglich in die Metropolen ziehen wollen: Zwei
Drittel der Haushalte wollen da bleiben, wo sie ihre erste Wohnung bezo-
gen haben.
Darüber hinaus bieten wir jede zehnte frei werdende Wohnung den Kom-
munen zur Unterbringung von Flüchtlingen an, und zwar auch in nachge-
fragten Gebieten. Maximal betrifft das 5% des Bestandes am jeweiligen
Standort, damit keine schieflastigen Strukturen entstehen. Dieses Kon-
zept ist bisher sehr gut aufgegangen und mit einer hohen Akzeptanz in
der Nachbarschaft verbunden.
Zur Frage des schnellen Bauens: In Schleswig-Holstein haben wir ein
Markterkundungsverfahren zum seriellen Bauen durchgeführt und
dabei das Kieler Modell entwickelt. Dieses zielt darauf ab, dass öffent-
lich geförderte Wohnungen in einem ersten Schritt von Flüchtlingen
bewohnt und anschießend als Studentenwohnungen oder altengerechte
Wohnungen genutzt werden. Das ist nicht die einzige Antwort auf eine
sehr bedeutende Frage, aber es ist eine mögliche Antwort. Das gilt auch
grundsätzlich: Die Wohnungsmärkte in Deutschland – Frankfurt (Oder)
und Görlitz auf der einen Seite, Hamburg und München auf der anderen
Seite – sind so ausdifferenziert, dass wir sehr unterschiedliche Antworten
finden müssen.
Dr. Peter Schaffner, Leiter Geschäftsbereich Wohnungswirtschaft, Aareal Bank AG, Wiesbaden
Drei innovative Vorschläge für die Finanzierung
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NEUBAU UND SANIERUNG
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