mensverbänden und einzelnen großen Unter-
nehmen durchzuführen, die vor dem Problem
stehen, dass ihr Personal etwa in München oder
Frankfurt amMain keine bezahlbarenWohnungen
mehr findet. Eine Kooperation zwischen solchen
Unternehmen und der Wohnungswirtschaft kann
ein sinnvoller Weg sein.
Hans-Otto Kraus:
Der Münchner Oberbürger-
meister Dieter Reiter hat – damals noch als Wirt-
schaftsreferent – versucht, die Betriebe an einen
Tisch zu bekommen und sie zu animieren, Woh-
nungen für Werksangehörige zu bauen. Die Betrie-
be haben aber unisono erklärt, dass sie das nicht
machen wollen. Lieber zahlen sie ihren Mitarbei-
tern mehr Geld für die teure Wohnung, als dass
sie selber Wohnungen bauen. Das ist die Realität.
Axel Gedaschko:
Politik braucht Zahlen. Sonst
erreichen Sie in der Politik noch nicht einmal einen
Haushaltsbeschluss. Nun bewirkt die europäische
Finanz- undWirtschaftskrise eine enormhohe Zu-
wanderung. Das ist ein wesentlicher Faktor, der
in der Öffentlichkeit völlig außer Acht gelassen
wird und der dazu führt, dass wir auf die Zahl
von 400.000 Wohnungen kommen. Wir sind ein
wirtschaftlich attraktives Land. Wie lange diese
Entwicklung anhält, wissen wir nicht, aber die
Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass die Tendenz
weitergeht. Wennwir diese Chance nutzenwollen,
dann brauchenwir zusätzlicheWohnungen. Sonst
wird es zu einem Konflikt mit der einheimischen
Bevölkerung kommen, die wenig Geld hat, weil
die Zuwanderer – bei denen es sich ja nicht nur
umarme Flüchtlinge handelt – vielfach über mehr
Mittel verfügen.
In den Statements wurde die Frage aufgeworfen,
ob wir den Schwarm lenken können. Meiner An-
sicht nach könnenwir uns als Gesellschaft nur vor-
nehmen, den Schwarm abzubremsen. Umkehren
werden wir ihn auf absehbare Zeit nicht können.
Wir müssen attraktive Wohnungen bieten, um
Menschen in Gebieten außerhalb der Schwarm-
städte zu halten. Und wir brauchen ein Denken
in Metropolregionen und nicht nur innerhalb der
Stadtgrenzen. Wir müssen auch die Flächenver-
brauchsziele infrage stellen, weil wir in vielen
Fällen gerade in den Hotspots nicht darum her-
umkommen, ganze Stadtviertel neu zu errichten.
Alleinmit Aufstockung und Nachverdichtungwer-
den wir das Ziel nicht erreichen.
Michael Sachs:
Ich bin ein Verfechter der inne-
ren Verdichtung. Ich halte sie auch unter dem
Gesichtspunkt der Diversität für wichtig, weil die
Innenstädte für soziale Mischung prädestiniert
sind. Das Problem ist aber, dass Stadtplaner,
Denkmalschützer und sogar die Feuerwehr uns
permanent Vorgaben machen, wie die Stadt aus-
sehen soll. Warum dürfen wir also nur vier- oder
fünfgeschossig und nicht 7- oder 8-geschossig
bauen, um so mehr Menschen in der Stadt unter-
zubringen?
Uwe Eichner:
Richtig. In den Großstädtenmüssen
wir vom Ideal des 3- bis 4-geschossigen Hauses
wegkommen und wieder 7-Geschosser bauen.
Dann ist auch ein Aufzug bezahlbar.
Thomas Ortmanns:
Ein Großteil der Zuwande-
rung in die Städte kommt aus ländlichen Struktu-
ren. Für mich ist die Frage ungeklärt, ob die wirk-
lich alle in der Innenstadt wohnen wollen oder es
nicht vielleicht imUmland viel spannender finden,
weil dieses näher an ihren alten Strukturen ist als
ein Mehrfamilienhaus im Zentrum einer Stadt.
Dr. Peter Schaffner:
Da kommt die fehlende
Strukturpolitik ins Spiel. Duisburg hat 13% Ar-
beitslosigkeit und liegt direkt neben Düsseldorf.
Es müsste doch gelingen, mit einer intelligenten
Strukturpolitik die Sogwirkung der Schwarmstäd-
te abzuschwächen.
Axel Gedaschko:
Eine der Leitfragen unserer
Diskussion lautet, wie teuer der Neubau sein soll.
Dazu folgendes Erlebnis: Wir haben in diesemJahr
ein Parlamentarisches Frühstück durchgeführt,
bei dem Dietmar Walberg von der ARGE Kiel Er-
gebnisse der Baukostensenkungskommission vor-
getragen und festgestellt hat, dass die EnEV einer
der stärksten Kostentreiber ist. Darauf meldete
sich der CDU-Abgeordnete Carsten Müller aus
Braunschweig zu Wort. Der Abgeordnete Müller
ist ehrenamtlicher Vorsitzender der Deutschen
Unternehmensinitiative Energieeffizienz e. V.
(DENEFF) – das ist die Organisation, die davon
lebt, dass wir dämmen –, sitzt dem Parlaments-
kreis Energieeffizienz vor und stellt klipp und klar
in Abrede, dass die EnEV die Baukosten in die Höhe
treibt. Damerkt man: Das ist kein Erkenntnisman-
gel, sondern ganz brutale Interessenpolitik, wie
sie in Berlin verfolgt wird.
Die Baukostensenkungskommission hat die Es-
sentials ja klar herausgearbeitet. An erster Stelle
steht die Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots
bei allem, was der Staat macht. Damit meinenwir
nicht ein volkswirtschaftliches Wirtschaftlich-
keitsgebot, sondern ein betriebswirtschaftliches.
Der zweite Punkt ist, dass für alle Entwürfe von
Gesetzen, Verordnungen und Normen die Aus-
wirkungen auf die Wohnkosten deutlich gemacht
werden müssen. Und der dritte Punkt ist eine
Transparenzoffensive, um zu prüfen, wie sich
kostenverursachende Anforderungen aus den
einzelnen Rechtsbereichen in Bund, Ländern und
Kommunen reduzieren lassen. Das sind die drei
Essentials, zu denen sich alle bekannt haben, die
am Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen
mitgewirkt haben. Jetzt muss man sie „nur“ um-
setzen.
Axel Gedaschko
Michael Sachs
Helmut Knüpp
„Um die Baukosten zu senken, brauchen wir eine konzertierte Aktion mit
allen Beteiligten: Wohnungswirtschaft, Bauwirtschaft, Architekten und
Kommunen.“
Hans-Otto Kraus
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10|2016
NEUBAU UND SANIERUNG