DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 10/2016 - page 31

22. Brandenburger-Hof-Gespräch
„Wir haben einen Engpass an Konzepten“
Die Debatte, die sich an die Statements anschloss, verlief neben viel Einigkeit in Grundsatzfragen auch
kontrovers – beispielsweise bei den Fragen, ob sich private Investoren für den Bau günstiger Wohnungen
gewinnen lassen und ob eine Renaissance des Werkswohnungsbaus bevorsteht.
Jürgen Steinert:
Meine Damen und Herren, ich
heiße Sie herzlich willkommen zum 22. Branden-
burger-Hof-Gespräch. Mein Dank gilt auch dieses
Mal unseremSponsor, der Aareal Bank, die uns nun
schon seit elf Jahren unterstützt.
Unser heutiges Thema treibt uns alle jeden Tag
um: Neubau – kostengünstig, bezahlbar, wo, wie
viel und wie finanzierbar? Dabei stehen wir vor
einer besonderen Herausforderung: Zum erstem
Mal in der Geschichte nach 1945 geht der Neubau
mit Leerstand und Abriss einher. In einemTeil der
Märkte wird uns auch in Zukunft der Abriss nicht
erspart bleiben, während wir in anderen Märkten
Engpässe haben und dringend Neubau brauchen.
Damit stellt sich die Frage, ob die Wohnungsun-
ternehmen darauf vorbereitet sind.
Es stellt sich aber auch die Frage, was wir von der
Politik erwarten. In einem Diskurs müssen wir
Prioritäten herausarbeiten, um ein Bewusstsein
für gleichgerichtetes politisches und unterneh-
merisches Handeln zu schaffen. Sonst werdenwir
immer weiter in Teilaspekten in unterschiedliche
Richtungen laufen und uns wundern, dass wir zu
wenig Erfolg haben.
Herr Dr. Schaffner hat in seinem Statement den
Werkswohnungsbau angesprochen, den es bis
zur Aufhebung der Wohnungsgemeinnützigkeit
imJahre 1990 als eigenes Marktsegment gegeben
hat. Mittlerweile ist dieses Segment vomMarkt so
gut wie verschwunden. Dabei spüre ich allerorten,
dass Unternehmen, die über die Zukunft nach-
denken und dabei die demografische Entwicklung
berücksichtigen, sich mit der Frage befassen, wie
sie qualifiziertes Personal gewinnen können. Sie
haben erkannt, dass dabei die Wohnraumversor-
gung eine wichtige Rolle spielt.
Thomas Ortmanns:
Ein Hindernis für denWerks-
wohnungsbau stellt allerdings das Bilanzierungs-
recht dar. Unternehmen müssen nach Fair Value
bewerten und kriegen dann auf einmal Wert-
schwankungen. Das hält größere Unternehmen
davon ab, sich in diesem Bereich zu engagieren.
Ein zweites Hindernis sehe ich darin, dass die Me-
dien sofort eine Bevorzugung bestimmter Grup-
penwittern, wennWohnungen für Führungs- und
Fachkräfte gebaut werden. Wir sollten versuchen,
die Medien auf eine andere Spur zu setzen und
sie dazu zu bewegen, nicht immer die negativen
Seiten, sondern primär die Chancen zu sehen. Das
wäre ein Anreiz für die Politik, Dinge loszutreten,
die vielleicht nicht in vier Jahren erledigt sind,
sondern einen längerfristigen Charakter haben.
Uwe Eichner:
Ich teile Ihre Auffassung, dass die
Unternehmen aus Bilanzierungsgründen nicht
mehr selbst in den Werkswohnungsbau einstei-
gen werden. Eine Alternative könnte es sein, mit
Belegungsrechten zu arbeiten, so dass die Unter-
nehmen ihre Mitarbeiter bevorzugt in eigenen
Beständen unterbringen können.
Axel Gedaschko:
Wir haben uns mit Staatssekre-
tär Adler darauf verständigt, dass sich der Bund
des Themas der Werkswohnungen annimmt. Die
Idee ist, eine gemeinsame Veranstaltung mit
Industrie- und Handelskammern, Unterneh-
„Politik und Wohnungswirtschaft leben in zwei getrennten Welten. Die Politik
will ihre Erfolge innerhalb einer vier oder fünf Jahre dauernden Legislatur-
periode einfahren, während die Wohnungswirtschaft mit einer langfristigen
Investitionsperspektive von 20 bis 50 Jahren arbeitet. “
Michael Sachs
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