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11|2015
eine bis zu 26 cmdicke Dämmschicht, Fenster mit
Doppel- und teilweise auch Dreifachverglasung
sowie eine neue Heizzentrale mit vier in Kaskade
geschalteten Erdgas-Brennwertthermen wurden
eingebaut.
Eine weitere Maßnahme vertraute die Genossen-
schaft der BEA an. Im Heizungskeller installierte
das Energiedienstleistungsunternehmen erstmals
imCharlotte-Bestand einMini-BHKWzur wärme-
geführten Stromerzeugung. Das Kellerkraftwerk
mit Leistungswerten von 48 kWel und 97 kWth
wurde regelungstechnisch so eingebunden, dass
es ca. 70% des ganzjährigen Wärmebedarfs als
Grundlast abdecken sollte. Neuwar auch, dass die
Bewohner der Gebäude den im BHKW erzeugten
Strom zu einem günstigen Kieztarif direkt bei der
BEA bestellen konnten.
Ambitionierter Plan
Dieses energetische Gesamtpaket sollte nicht nur
zu einer Verbesserung der CO
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-Bilanz der Gebäude
führen, sondern vor allem zu einer drastischen
Energiekosteneinsparung. Reduzierung des Pri-
märenergiebedarf von 227 kWh/m
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um fast 80%
auf 49 kWh/m
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und damit unter Neubaustandard
– so lautete der ambitionierte Plan. Für die Be-
wohner wurde eine Absenkung der monatlichen
Wärmekosten von 1,36 €/m
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auf 0,49 €/m
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pro-
gnostiziert, um stattliche 0,87 € also.
Dem setzte die Charlotte eine Erhöhung der
Kaltmiete um ca. 0,80 €/m
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gegenüber, um die
5,7 Mio. € teure Sanierung sehr langfristig „un-
ter den wirtschaftlichen Bedingungen einer Ge-
nossenschaft“ zu refinanzieren, betonte damals
Vorstand Rudolf Orlob ganz explizit. Niemand
sollte den Rückschluss ziehen, dass eine warm-
mietenneutrale Sanierung nach diesem Vorbild
überall in jedemGebäude in Berlin wirtschaftlich
möglich sei.
Erfahrungen
Heute, fünf Heizperioden später, ziehen sowohl
Orlob als auch BEA-Geschäftsführer Michael
Geißler eine positive Bilanz. „Im Durchschnitt
der Jahre lag die Energiekosteneinsparung mit
ca. 7 ct/m
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etwas unter dem Wert, den wir er-
rechnet hatten“, sagt Orlob. „Wir haben eine
Punktlandung also nur knapp verfehlt. De facto
zahlen unsere Mitglieder die gleiche Warmmiete
wie früher, allerdings mit einem wesentlich hö-
herem Wohnkomfort.“ Einer der Gründe für die
geringe Planabweichung sei, dass die niedrigen
Vorlauftemperaturen für die Wohnungsnutzer
eine enorme Umstellung bedeutet hätten. Früher
waren die Heizkörper richtig heiß, heute selbst
bei niedrigen Temperaturen nur lauwarm. Des-
halb mussten die Anlagen in den ersten Jahren
Die energetisch modernisierte Wohnanlage im Spandauer Schwendyweg
verfügt auch über Photovoltaikanlagen auf dem Dach
Vertreter von Stadt, Charlotte, BEA und BBU bei der Einweihung
der modernisierten Wohnanlage
aus psychologischen Gründen wärmer eingestellt
werden, als es heizungstechnisch und wirtschaft-
lich sinnvoll gewesen wäre.
Die Lernkurve war beträchtlich. Mittlerweile hat
die Charlotte nach dem Vorbild Schwendyweg
weitere Wohnhausgruppen nicht nur in Spandau-
Hakenfelde, sondern auch in Berlin-Reinickendorf
energetischmodernisiert. Die Energiekosten sind
in allen Objekten ähnlich stark gesunken. Prob-
leme mit Schimmelbildung, wie manche selbst-
ernannten Experten prophezeiten, traten dank
guter Bauausführung und nutzerunabhängier
Permanentlüftung in den sanierten Beständen
fast gar nicht auf. Seltener jedenfalls als zuvor
in den ungedämmten 1950er-Jahre-Bauten, be-
kräftigt Orlob.
Umsetzung in weiteren Quartieren
Acht BHKW mit Mieterstromversorgung betreibt
die BEA inWohnquartieren der Charlotte. Über 500
Mitglieder der Genossenschaft kaufen ihren Strom
inzwischen direkt bei dem Energiedienstleister –
für einen Arbeitspreis, der rund 12% unter dem
aktuell geltenden Berliner Grundversorgungs-
tarif liegt. Auch Michael Geißler ist zufrieden mit
der Entwicklung: „Am Anfang gab es viele Skep-
tiker, die einen wirtschaftlichen BHKW-Betrieb
in einem auf Niedrigenergiestandard wärmege-
dämmten Gebäude für unwirtschaftlich hielten.“
In der Tat sei es eine Herausforderung gewesen,
die Anlagen so zu dimensionieren, dass dennoch
ausreichend Vollbenutzungsstunden pro Jahr für
einenwirtschaftlichen BHKW-Betrieb erreicht
Quelle: Charlotte
Quelle: Charlotte