NEUBAU UND SANIERUNG
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11|2015
halb als auch beim Zugang keine (erheblichen)
Barrieren haben; dies waren demnach deutsch-
landweit ca. 570.000 weitgehend barrierefreie
Wohneinheiten für Senioren. Bei den Mitglieds-
unternehmen des Bundesverbandes deutscher
Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW)
erreichten im Jahr 2009 ca. 300.000 von rund 6
Mio. GdW-Wohnungen einen barrierearmen oder
barrierefreien Standard. Der Verband geht davon
aus, dass der Anteil von etwa 5% deutlich über
dem bundesweiten Schnitt liegt.
Bedarf
Es ist unstrittig, dass angesichts des demogra-
fischen Wandels und der damit einhergehenden
Alterung der Gesellschaft der Bedarf an altenge-
rechten Wohnungen in Zukunft zunehmen wird.
Da das Kriterium „altengerecht“ jedoch nicht
eindeutig definiert ist, kommt es zu sehr unter-
schiedlich hohen Bedarfsprognosen.
Ausgangsbasis vieler Prognosen ist die Entwick-
lung der Bevölkerung. Im Jahr 2014 war schon
jeder Fünfte (21,1%) über 65 Jahre alt. Bis zum
Jahr 2060 wird die Anzahl umüber 35% auf mehr
als 23 Mio. Menschen oder der Anteil auf knapp
32% steigen. Die Anzahl der über 75-Jährigen
wird bis zum Jahr 2030 um rund 20% zunehmen
und bis 2060 einen Anteil von gut 18% an der
Bevölkerung erreichen. Wie viele Menschen davon
eine altengerechte Wohnung benötigen, ist aber
umstritten.
Über den kurzfristigen Bedarf liegen keine Sta-
tistiken vor, so dass dieser nur über ökonomische
Plausibilitätsüberlegungen geschätzt werden
kann. Nach der KDA-Repräsentativbefragung bei
Seniorenhaushalten sind bundesweit 22,6% der
BewohnerInnen in Seniorenhaushalten in der Mo-
bilität eingeschränkt (BMVBS, Wohnen im Alter,
S. 49). Hochgerechnet auf die 11 Mio. Senioren-
haushalte (2011) ergibt sich somit ein Bedarf an
ca. 2,5 Mio. barrierefreien Wohnungen.
Es gibt aber auch die Meinung, dass aufgrund von
Marktbeobachtungen aktuell kein weiterer bzw.
kein hoher offensichtlicher Bedarf an altengerech-
tenWohnungen besteht. Weder in den Fachmedien
noch in den Anzeigen noch bei der Entwicklung
der Marktpreise und -mieten ist demnach ein bzw.
ein hoher Nachfrageüberhang bei altengerechten
Wohnungen festzustellen.
Über den langfristigen Bedarf gibt es ebenfalls nur
widersprüchliche Schätzungen. Sie gehen jedoch
alle davon aus, dass langfristig eine Ausweitung
des Angebots notwendig ist. Das Eduard-Pestel-
Institut (Wohnsituation im Alter, 2010) prognos-
tiziert einen sehr hohem Bedarf und geht davon
aus, dass in den folgenden 15 Jahren die Nachfrage
nach seniorengerechten Wohnungen dramatisch
steigen wird. Insgesamt ist danach bis zum Jahr
2025 von einer Zunahme an Seniorenhaushalten
(70 Jahre und älter) um rund 25% auf dann fast
10Mio. auszugehen. Weiterhinwird angenommen,
dass es sinnvoll wäre, dass ein Fünftel der Seni-
orenhaushalte über eine barrierefreie Wohnung
verfügt. Dies ergibt einen Bedarf von insgesamt
knapp 2Mio. barrierefreienWohnungen. Abzüglich
des bisherigen Bestandes müssten bis 2025 über
1,5Mio. (oder jährlich rund 100.000) neue alten-
gerechte Wohnungen geschaffen werden.
Falls aber derzeit kein Nachfrageüberschuss an
altengerechten Wohnungen besteht, so sinkt
auch der Neubaubedarf. Bis zum Jahr 2030 soll
die Bevölkerungszahl der über 65-Jährigen nach
der 13. Prognose des Statistischen Bundesamtes
um gut 25% ansteigen und das BBSR geht von
einem Anstieg der Anzahl älterer Haushalte von
2010 bis 2025 um rund 20% aus. Falls die Anzahl
der altengerechten Wohnungen entsprechend
wachsen sollte, wären insgesamt nur jährlich rund
10.000 Wohnungen notwendig.
In einem anderen Ansatz differenziert das Bera-
tungsunternehmen Empirica AG den Bedarf nach
Eigenheimen und Geschosswohnungen. Die Eigen-
tümer werden danach ihre Häuser dem jeweiligen
Bedarf im Alter weitgehend selbst anpassen. Bei
den älteren Haushalten in Geschosswohnungen
besteht zwar aktuell kein Nachfrageüberschuss.
Aufgrund des Zuwachses um ungefähr 30% bis
2040 sollte auch die Anzahl der altengerechten
Wohnungen nur umdiesen Prozentsatz ansteigen.
Somit werden 130.000Wohnungen in den nächs-
ten 30 Jahren benötigt oder jährlich nur 4.300
altengerechte Geschosswohnungen.
Beurteilung der Bedarfsschätzungen
Die Schätzungen des Bedarfs an altengerechten
Wohnungen sind mit hoher Unsicherheit verbun-
den. Auf der einen Seite kann es zu einemhöheren
Bestand kommen, falls statt Pflegewohnungen
mehr barrierefreie Wohnungen geschaffen wer-
den. Ein höherer Bedarf an neuen Wohnungen
könnte entstehen, da viele Immobilien nicht für
einen Umbau geeignet bzw. der Umbau nur mit
9.000
5.000
15
7.000
25
3.000
5
8.000
4.000
10
6.000
20
2.000
1.000
0
0
in %
in 1.000
ALTER DES HAUPTEINKOMMENSBEZIEHERS 2013
unter
25
25-35 35-45 45-55 55-65 65-75 75-85 85 und
älter
Quelle: EBZ