DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 11/2015 - page 56

ENERGIE UND TECHNIK
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wurden. „Unsere Benchmark als Dienstleister sind
die ebenfalls hocheffizienten in Kaskade instal-
lierten Gas-Brennwertkessel, die ebenfalls einen
hohen Wirkungsgrad haben und damit Wärme zu
niedrigen Kosten bereitstellen können“, sagt der
BEA-Geschäftsführer.
Betreibermodell
Bei der Charlotte realisierte die BEA ihre BHKW
im sogenannten Beistellungsmodell. D.h., dass
der Gebäudeeigentümer die gesamte Heizzentra-
le weiterhin in Eigenregie betreibt und über den
eigenen Gaseinkauf auch volle Preiskontrolle be-
hält. Der Energiedienstleister dagegen kümmert
sich um nur das Spezialthema BHKW plus dazu-
gehöriger Peripheriesysteme mit all seinen ener-
giewirtschaftlichen und -rechtlichen Aspekten.
Bei vielen anderen Kunden dagegen übernimmt
die BEA Finanzierung, Planung, Bau und Betrieb
der gesamten Energiezentrale, bei Bedarf auch
die Investitionen in Nahwärmeleitungen oder ein
neues Niederspannungsstromnetz.
Für Rudolf Orlob gilt das Prinzip „Schuster bleib
bei deinen Leisten“: „Wir als Genossenschaft be-
herrschen die BHKW-Technologie nicht. Deshalb
überlassen wir das den Fachleuten und beschrän-
ken uns auf das, was wir selbst gut können.“ Bei
einer Kooperation auf dem sensiblen Gebiet „Hei-
zung undWarmwasser“ seien eine vertrauensvolle
Zusammenarbeit und intensive Vorbereitung ext-
remwichtig. Zu klären sind von Anfang an Fragen
der Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik.
Sämtliche Schnittstellen und Leistungsgrenzen
sind nicht nur vertraglich zu regeln, sondern auch
technisch sauber umzusetzen. „Dafür braucht man
einen Profi, der viel Erfahrung hat und jeden Tag
aus eigenemAntrieb kontrolliert, ob es Probleme
gibt und ob die Anlage richtig läuft“, sagt Orlob.
Kiez- und Mieterstrom
Die BEA, 1992 als Beteiligungsunternehmen des
Landes Berlin gegründet, verfügt über eine fast
20-jährige Erfahrung mit dezentralen Energie-
erzeugungsanlagen. Bereits 1996 – noch vor der
Liberalisierung des Strommarktes – baute das
Unternehmen in einer Wohnsiedlung der damals
noch kommunalen GSW in Lankwitz für über 400
Wohnungen ein Nahwärmenetz auf BHKW-Basis
auf und lieferte den Mietern auch Strom. Heute
betreibt sie 72 KWK-Anlagen im Leistungsbe-
reich zwischen 5,5 und 600 kWel. Über 3.500
Interview mit Jörg Franzen
Bedarfsgerechter Ausgleich
Der Vorstandsvorsitzende des kommunalen Wohnungsunternehmens
GESOBAU AG spricht über die Chancen dezentraler Energieerzeugung bei
den öffentlichen Wohnungsunternehmen.
Quelle: GESOBAU
Welche Perspektiven sehen Sie für die
dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)
bei den kommunalen Wohnungsunternehmen
in Berlin?
Die Energiewende sieht bis 2025 einen Anteil von
40-45 Prozent an Erneuerbaren Energien beim
Bruttostromverbrauch vor, das wird vorwiegend
volatiler Wind- und Solarstrom sein. Wir brau-
chen alsomittelfristig geeignete Speichermedien
und Technologien, umdie Leistungsschwankun-
gen bedarfsgerecht auszugleichen. Kapazitäten
haben wir aufgrund des sehr gut ausgebauten
Fernwärmenetzes in Berlin prinzipiell genug.
Aber nicht überall, in jedem Kiez. Hier kommen
BHKW ins Spiel. Zukünftig könnten wir bei Neu-
bauprojekten imkommunalenWohnungsbau un-
sereMieter mit Stromaus erneuerbaren Energien
versorgen und bei Bedarf aus dezentraler KWK
nachspeisen.
Ist Mieterstrom aus BHKW und Photovoltaik-
anlagen eine Möglichkeit, dem Preisanstieg
bei den Energiekosten entgegenzusteuern?
Grundsätzlich ja. Dennoch gibt es keine Garan-
tie. Die Kosten für die Stromerzeugung werden
immer von den geltenden wirtschaftlichen und
politischen Rahmenbedingungen bestimmt, zu-
künftig jedoch immer weniger von Schwankungen
am Rohstoffmarkt. Im Vergleich zu den großen
Kraftwerken können sich dezentrale Anlagen bes-
ser auf die aktuellen Bedarfsanforderungen der
Abnehmer einstellen. Zukünftig wird es sinnvoll
sein, zur Effizienzsteigerung des Gesamtsystems
einzelne BHKW auch zentral über ein virtuelles
Kraftwerk steuern zu können.
Eigenbetrieb oder Dienstleistung? Was
spricht für oder gegen die Zusammenarbeit
mit privaten Energiedienstleistern?
Es ist bedauerlich, dass der Eigenbetrieb dezentraler
Anlagenwegen der steuerlichenGesichtspunkte zur-
zeit nur sehr begrenzt für öffentlicheWohnungsun-
ternehmenmöglich ist. Darüber hinaus ist aber auch
klar, dass es hohe Anforderungen an den effizienten
und damit wirtschaftlichen Betrieb eines BHKWhin-
sichtlich Technik, Wartung, Regelung sowie Moni-
toring gibt. Diese Leistungen wird die Wohnungs-
wirtschaft nur bedingt selbst erbringen, da es nicht
ihr Kerngeschäft ist. Daher ist die Kooperation mit
Energiedienstleistern aktuell eine gute Lösung, um
wirtschaftliche und ökologische Vorteile zu erzielen.
Herr Franzen, vielen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch führte Volker Gustedt.
Weitere Informationen:
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