DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 11/2015 - page 64

ENERGIE UND TECHNIK
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11|2015
Wie ist Aareon auf dieses neue Geschäftsfeld
aufmerksam geworden?
Wir beschäftigen uns gemeinsammit unseren Kun-
den intensiv mit Fragen zur Zukunftsstrategie der
Wohnungswirtschaft. Als Premiumpartner des
GdW sind wir zudem in sehr engemAustausch mit
den wohnungswirtschaftlichen Verbänden.
In den Diskussionen mit den Vertretern der Bran-
che wurde deutlich, dass sich die Unternehmen
mit einem ganzen Bündel strategischer Themen
beschäftigen. Dazu zählen u. a. die dezentrale
Energieerzeugung, die damit verbundene Mes-
sung des Verbrauchs und die Abrechnung.
Rasch wurde klar, dass dieses Geschäftsfeld für
die Wohnungswirtschaft nur mit zukunftswei-
senden IT-Lösungen handhabbar sein wird. Wir
entwickeln dazu ein flexibles Lösungsangebot:
die „Aareon Smart World“. Sie spiegelt unsere
Vision der Digitalisierung in der Immobilien-
wirtschaft in Europa wider. Die Vernetzung von
Partnern, Wohnungsunternehmen und techni-
schen Einrichtungen in Gebäuden ist eines ihrer
wesentlichenMerkmale. Sie eignet sich aufgrund
der Offenheit und der Partizipationsmöglichkei-
ten auch als Plattform für das Energiemanage-
ment.
Wie wichtig ist das Thema Mieterstrom für
die deutsche Wohnungswirtschaft?
Aktuell beschäftigt sich eine Reihe vonWohnungs-
unternehmen mit diesem Thema. Die meisten
Unternehmen testen in Teilbeständen oder Pilot-
projekten die Chancen, aber auch die Risiken, die
aus der Erzeugung und Vermarktung von „Mie-
terstrom“ entstehen. Das geschieht mit sehr viel
Engagement, um Perspektiven für zukünftige
Geschäftsmodelle zu entwickeln. Zunächst geht
es den Unternehmen umdie grundsätzlicheMach-
barkeit und den Aufbau von Know-how in einem
neuen Geschäftsfeld. Die nachhaltige Profitabili-
tät wird nicht zuletzt von künftigen gesetzlichen
Regelungen beeinflusst werden.
Im internationalen Vergleich: Welche Bedeu-
tung hat das Thema Mieterstrom in anderen
Ländern? Gibt es vergleichbare Märkte?
Es ist schon erstaunlich, aber selbst innerhalb der
EU findet man wenig vergleichbare Märkte. Von
unseren internationalen Tochtergesellschaften
kennen wir beispielsweise Wohnungsunterneh-
men, die als Händler/Serviceprovider auftreten:
Sie kaufen Energie in großer Menge ein und ver-
kaufen diese dann an ihre Mieter weiter. Direkt
vergleichbare Ansätze wie in Deutschland sind
uns bis heute nicht bekannt. Aufgrund unserer
internationalen Ausrichtung stellen wir uns auf
diverse Szenarien ein. Wir haben mit der „Aare-
on Smart World“ eine geeignete IT-Plattform,
mit der wir für die jeweiligenMarktbedingungen
gerüstet sind.
Herr Dr. Alflen, vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Ulrike Silberberg.
Interview mit Dr. Manfred Alflen
Innerhalb der EU findet man wenig
vergleichbare Märkte
Die Digitalisierung ermöglicht neue Dienstleistungen und Produkte. Dadurch
wird der Einstieg in neue Geschäftsfelder wie Online-Zusatzleistungen, Ser-
vices oder Ausstattungen der Wohnung bis zum Mieterstrom erleichtert. Im
Gespräch mit Dr. Manfred Alflen, Vorstandsvorsitzender der Aareon AG, ging
es um diese neuen Märkte und wie sich das Softwarehaus dafür rüstet.
Energietochter eigenverantwortlich vornehmen.
Durch die geringen absoluten Margen pro Woh-
nung beim Stromverkauf können allerdings häu-
fig nur große Wohnungsunternehmen profitabel
Stromvertriebsorganisationen aufbauen. Kleinere
Wohnungsunternehmen sollten das Betriebs- und
Vermarktungsrisiko auf breitere Schultern in ei-
nem Zusammenschluss untereinander oder mit
Dritten verteilen.“
Christoph Cranz,
Deutsche Boden Energie AG, Bensheim:
„Die Wohnbau Bergstraße eG hat schon 2009 mit
der Gründung einer eigenen Energietochter die
Energieproduktion begonnen. Wir betreiben in der
Deutschen Boden Energie AG – der Tochterfirma
der Wohnbau Bergstraße – eine der größten Bio-
gasanlagen Deutschlands. Mit deren Gewinnen un-
terstützenwir das Wohnungsunternehmen bei der
energetischen Bestandsmodernisierung. Künftig
sollen auch BHKWs imeigenenWohnungsbestand
eingebaut werden. Der Stromverkauf an dieMieter
könnte dann über die Energietochter erfolgen.
Aus unserer Sicht stört die Stromvermarktung
durch Wohnungsunternehmen die etablierten
Teilnehmer amEnergiemarkt. Es wäre wünschens-
wert, dass die Wohnungsunternehmen massiv in
das Geschäftsfeld ‚Mieterstrom‘ einsteigen, so-
dass die Politik auch uns als wichtige Gruppe im
Energiemarkt wahrnimmt.“
Christian Holtmann, Bau- und Siedlungsge-
nossenschaft für den Kreis Herford eG:
„Unser Unternehmen betreibt in den 1.200
Wohneinheiten 16 BHKW, davon 13 im Betriebs-
führungscontracting. Der Strom wird in das öf-
fentliche Netz eingespeist. Bisher haben unsere
Mieter dadurch keinen Vorteil beim Strombezug.
Das wollen wir ändern und so arbeiten wir aktuell
mit einer vorhandenen Energiegenossenschaft zu-
sammen, sodass unsereMieter eine direkte finan-
zielle Entlastung bei den Stromkosten erreichen
können. Das Interesse unserer Kollegen amThema
‚Mieterstrom‘ ist sehr groß, allerdings fehlen die
‚Mutmacher‘ und die Ansprechpartner bei Fragen
oder Problemen.“
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