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11|2015
Thema ‚Mieterstrom‘. Mit demWorkshopmöchte
Aareon einen Beitrag zur Diskussion von Chancen
für die Wohnungswirtschaft leisten. Aus diesem
Grund haben wir Unternehmen, die sich mit dem
Thema befassen oder bereits praktische Erfahrun-
gen mit dem Thema gesammelt haben, zu einem
Austausch eingeladen.“
Auf folgende, einleitende Thesen wurde einge-
gangen:
• Die quartiersnahe Stromproduktion in Woh-
nungsunternehmen ist politisch gewollt. Sie
reduziert den Bedarf an Höchstspannungslei-
tungen und beschleunigt die deutsche Energie-
wende.
• Als technische Lösungen bieten sich die KWK-
Technologie und in sonnenreichen Gebieten auch
die Photovoltaik an.
• Der Eigenverbrauch von Strom für Beleuchtung,
Pumpen, Fahrstühle etc. ist hochwirtschaftlich,
infolge der geringen Strommengen in den Ge-
bäuden allerdings beschränkt.
• Die reduzierte EEG-Umlage für Eigenverbrauch
kann aktuell selbst für Mieter in Wohnungsge-
nossenschaften oder Energiegenossenschaften
nicht genutzt werden.
• Trotz Zukauf von teurem Drittstrom – bei nicht
ausreichender Eigenproduktion von Strom –
kann der Mieterstrom dem Mieter 2-3 ct/kWh
billiger als der Marktpreis angeboten werden.
Das Wohnungsunternehmen deckt die eigenen
Kosten und Risiken.
• Insbesondere unklare oder nachteilige steuerli-
che und energierechtliche Fragestellungen (er-
weiterte Gewerbesteuerkürzung, Anrechnung
auf die 10-%-Grenze bei Vermietungsgenos-
senschaften, Status und Berichtspflichten als
Energieversorgungsunternehmen) schrecken
viele Entscheider ab, sich mit dem Thema zu
beschäftigen.
• Und dass, obwohl die eigene Stromproduktion
deutlich bessere KfW-Förderungen bei Moder-
nisierungen ermöglicht und der Mieterstrom
eine wichtige Marketingmöglichkeit mit hoher
Mieterbindung ist.
Die acht Unternehmen stehen für eine große Band-
breite aktueller Projekte zur Stromproduktion, so-
wohl mit PV- als auch BHKW-Anlagen. Der Strom
wird häufig als Allgemeinstrom genutzt bzw. in
das öffentliche Netz eingespeist. Der Verkauf
von StromanMieter erfolgt zumeist über Partner
oder Contractoren. Doch in der Diskussion wurde
auch deutlich, dass ein eindeutiger Trend bei den
Geschäftsmodellen nicht existiert. Contractoren
bringen zwar wichtiges Wissen mit, benötigen
aber einen Großteil der generierbaren Deckungs-
beiträge für sich. Daher soll häufig nach einem
entsprechenden Aufbau von Wissen und Prozess-
strukturen der eigene
Stromverkauf an die
Mieter als Kundenbin-
dungsmaßnahme stark
ausgebaut werden.
Folgende Aussagen
zeigen dabei die große
Bandbreite der diskutierten Aspekte zum Thema
„Mieterstrom“.
Hubert Scharlau,
Wohnungs-Verein Rheine eG:
„Der Wohnungs-Verein Rheine eG mit seinen
1.700 Wohneinheiten hat für ein Bestandsquar-
tier mit 82Wohnungen dieWirtschaftlichkeit von
Mieterstrom geprüft und trotz geringer Margen
für sinnvoll erachtet. Wir sollten den Wert der
Mieterbindung durch Stromlieferung nicht un-
terschätzen. Die freiwillige Weitergabe eines Ge-
schäftsfeldes wie beim Wärmemessdienst wäre
falsch. Vielmehr soll-
ten die Wohnungs-
unternehmen Auf-
gaben und Wissen in
einer gemeinsamen
Dienstleistungstoch-
ter unter Beteiligung der Verbände bündeln.
Wertschöpfung und die wichtige Mieterbindung
blieben so in den Unternehmen.“
Eckhard Sayk,
mgf Gartenstadt Farmsen Mieter- und
Wohnungsbaugenossenschaft eG, Hamburg:
„Bei einemGesamtbestand von ca. 2.500Wohnein-
heiten betreiben wir für ca. 1.300 Einheiten zwölf
BHKW-Anlagen. Der Stromwird für die Allgemein-
versorgung genutzt bzw. in das öffentliche Netz
eingespeist. Zukünftig soll der Strom auch an die
Mieter verkauft werden. Die Stromabrechnungwird
ein lokaler Partner für uns erstellen. Der Einsatz er-
neuerbarer Energien und die eigene Stromproduk-
tion ermöglichen die Stärkung unserer Reputation
imMarkt. DieMieterbindung durch kostengünstige
Energieversorgung ist dabei sehr wichtig.“
Oliver Krudewig,
Bochumer Baugenossenschaft eG:
„In einemBestandsquartier mit 160 unserer insge-
samt 1.600Wohneinheitenwar das Konzept BHKW
mit Mieterstrom leider nicht realisierbar. Aktuell
planenwir die Umsetzung in einemanderen Quar-
tier. Insbesondere die Idee einer Energiegenossen-
schaft scheint eine sehr sinnvolle Ergänzung des
wohnungswirtschaftlichen Genossenschaftsge-
dankens. Für die Stromabrechnung und das Be-
richtswesen wollen wir externe Dienstleister ein-
setzen. Allerdings sehenwir auch, dass dieMaterie
komplex ist. Die Unklarheiten und steuerlichenwie
energierechtlichen Fragestellungen verhindern
aus unserer Sicht die breite Akzeptanz der Woh-
nungsunternehmen für Mieterstrom.“
Nils Neuse,
Bauverein der Elbgemeinden eG, Hamburg:
„Aktuell betreiben wir in unserem Bestand von
ca. 14.000 Wohneinheiten drei eigene BHKW zur
Wärmeversorgung von insgesamt 2.000Wohnun-
gen. Mit demerzeugten Stromversorgenwir vor-
rangig den Allgemeinstrom der angeschlossenen
Gebäude und speisen den restlichen Strom in das
Netz ein. Zudem haben wir 19 weitere BHKW für
weitere 2.500 WE in unserem Bestand, welche
durch Contractoren betriebenwerden. Der Einsatz
der ressourcenschonenden BHKW-Technik war uns
schon seit 1999 wichtig. Die instabilen Rahmen-
bedingungen und das arbeitsintensive Stromma-
nagement haben uns bewogen, die kleinteiligeren
Anlagen und somit dieMassemit Contractoren zu
realisieren.
Unsere Contractorenverträge habenwir allerdings
im letzten Jahr um ein neues Quartiersstromkon-
zept erweitert. Aktuell erhalten 240 Wohnein-
heiten den vor Ort erzeugten Strom über den
Contractor mindestens 2 ct/kWh günstiger als zu
dem günstigsten Grundversorgungstarif. Da wir
innerhalb von zwei Wochen eine Mieteranschlus-
squote von 75% erreichten, werden wir bis Ende
2015 das Quartiersstromkonzept in dann sieben
der 19 Anlagen für ca. 800Wohnungen ausbauen.“
Stefan Fölsch, GEWOBA Aktiengesellschaft
Wohnen und Bauen, Bremen:
„Als großes Wohnungsunternehmen betreibenwir
aktuell ca. 30 Nahwärmenetze mit Wärmeliefe-
rung zum Teil auch über Contracting-Modelle.
Nach einer strategischen Konzeption werden wir
zukünftig die Energieaktivitäten in einer eigenen
Energietochter bündeln. Nach unserem Energie-
konzept sollen bis 2019 ca. 50 BHKW-Anlagen
in Eigenregie gebaut und betrieben werden. Den
Verkauf des Stromes an die Mieter wird die
„Die Unklarheiten und steuerlichen wie energierechtlichen
Fragestellungen verhindern aus unserer Sicht die breite
Akzeptanz der Wohnungsunternehmen für Mieterstrom.“
Oliver Krudewig
„Die freiwillige Weitergabe eines Geschäftsfeldes wie beim
Wärmemessdienst wäre falsch. “
Hubert Scharlau