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zess, das operative Geschäft aus finanzieller
Perspektive zu sehen und besser zu verstehen.
Der Controller sollte diesen Prozess initiieren
und steuern. Dann füllt er die Rolle des
Busi-
ness Partners aus
.
Biel:
Nicht-finanzielle Kennzahlen sind Ihnen
offenbar besonders wichtig?
Sandt:
Meines Erachtens sind
nicht-finanzi-
elle Kennzahlen extrem wichtig
als operative
(Wert-)Treiber des (finanziellen) Wertbeitrags.
Biel:
Dann müsste doch die Balanced Score-
card eine größere Bedeutung und Verbreitung
haben, als wir gegenwärtig feststellen können.
Sandt: Ja, was wir hier diskutieren, ist vielfach
in der Balanced Scorecard (BSC)-Logik enthal-
ten. Die BSC feiert im kommenden Jahr ihr
„25-jähriges Jubiläum“. Trotzdem wenden rela-
tiv wenige Unternehmen dieses Konzept syste-
matisch an.
Biel:
Vergeben damit Unternehmen Methoden-
und Steuerungspotenzial?
Sandt:
Ja, aus meiner Sicht vergeben Unter-
nehmen hier ein großes Potenzial: Die Ursache-
Wirkungsbeziehungen – wenn Sie „modern“
klingen wollen, nennen Sie es
strategy map
, im
klassischen Deutsch schlicht Geschäftsmodell,
insbesondere deren Erarbeitung im Manage-
mentteam (der entsprechenden Unternehmens-
ebene) sorgt für ein Grundverständnis der Trei-
ber. Misst man die strategischen Ziele der BSC
mit Kennzahlen (KPI), haben Sie nicht nur eine
Auswahlmethodik für die 10-20 wichtigsten
Kennzahlen, sondern auch ein schlankes und
dennoch umfassendes Berichtswesen (Re-
porting), auf einer Seite abbildbar (
one-page-
only controlling
).
Biel:
Können Sie uns wegen der Bedeutung aus
dem Bereich nicht-finanzielle Kennzahlen noch
ein Beispiel nennen, um zu zeigen, wie es ge-
hen könnte?
Sandt:
Ja, gerne. Hier möchte ich auf eine
Kennzahl aus dem Marketing hinweisen: den
Net Promoter Score (NPS), entwickelt von F.R.
Reichheld („The one number you need, Har-
vard Business Review, December 2003, S.
46-54). Er verdichtet Daten aus Kundenzu-
sationseinheit (OE) eingeführt,
welche nach
nicht-finanziellen Kennzahlen und Zusam-
menhängen recherchiert.
Das wird von einer
Lean Six Sigma (LSS)-OE durchgeführt, da in-
nerhalb von LSS-Projekten viele Daten gesam-
melt werden und die LSS-Experten (Black
Belts) die Methodenkompetenz mitbringen. Ne-
benbei bemerkt, auf das Potenzial der Zusam-
menarbeit zwischen (Financial) Controllern und
(Lean) Six Sigma-Managern (Master/Black
Belts) habe ich bereits in unserem vergangenen
Interview hingewiesen. („Der Controller als
Change Agent“, Interview abgedruckt im Cont-
roller Magazin, 2012, Heft 1, S.4-9).
Biel:
Welcher Aspekt steckt aus Ihrer Hinsicht
und nach Ihren Erfahrungen hinter den ver-
schiedenen Ansätzen, die wir hier angerissen
haben?
Sandt:
Wenn ich einen Aspekt fokussieren soll,
dann möchte ich das
Lernen im Unterneh-
men hervorheben
. Lernen in der ursprüng-
lichen Bedeutung heißt, „einer Spur nachzuge-
hen“. Darauf kommt es an. Controller haben
die Aufgaben, Fach- und Führungskräften die
finanzielle Perspektive, die finanziellen Auswir-
kungen ihres Handelns zu verdeutlichen und
gemeinsam zu überlegen, was in den jeweiligen
Prozessen usw. getan werden kann. Dabei
kann es z. B. um nähere Ursache-Wirkungs-
Beziehungen gehen. Der Controller muss eine
Brücke herstellen zwischen seinen Finanz-
daten und den operativen Daten
seiner „in-
ternen Kunden“. Ich sehe daher Lernen als Pro-
Business Partner
? Läuft dies auf ein Rollenbild
hinaus, dass man Controller mehr „vor Ort“
sieht, sozusagen die Controllerfunktion verlän-
gert? Haben wir hier eine „Baustelle“?
Sandt:
In der Unternehmenspraxis mache
ich persönlich die Erfahrung, dass
nicht-fi-
nanzielle Kennzahlen in der Tat noch eine
„Baustelle“
sind. Controller beschäftigen
sich überwiegend mit Finanzkennzahlen und
sind damit – genauer beschrieben – Financi-
al Controller. Der Eindruck wird durch Studi-
en bestätigt „Insbesondere scheint es den
Controllern schwerzufallen, den richtigen Fo-
kus zu finden. Fast alle Unternehmen würden
immer noch stark auf finanzielle KPIs set-
zen“, erklärt z. B. Johannes Isensee, der ge-
meinsam mit Gräf 2013 eine Studie zu Kenn-
zahlen durchgeführt hat: „Das führt dazu,
dass fast alle Unternehmen unter den Top 5
ähnliche Kennzahlen nutzen. Und das heißt
gleichzeitig auch, dass sie ihre Spezifika
nicht richtig abbilden. Damit ist eine effizien-
te Steuerung praktisch ausgeschlossen – der
CFO hat kaum eine Chance, die entscheiden-
den Werttreiber aufzuspüren.“ (Horváth-KPI-
Studie 2013).
Biel:
Können wir den Blickwinkel ändern und
den Sachverhalt auch positiv und durch ein gu-
tes Beispiel vermitteln?
Sandt:
Ja, durchaus. In einem deutschen
Tochterunternehmen eines amerikanischen
Konzerns wurde bspw. eine zusätzliche Organi-
Autoren
Prof. Dr. Joachim Sandt
ist Professor für Controlling an der THM Business School – Technische
Hochschule Mittelhessen, Gießen, und
visiting professor
Baltic Manage-
ment Institute, Vilnius, Litauen. Seine Forschungs- und Beratungs-
schwerpunkte sind Entwicklung und Implementierung von Steue-
rungssystemen zur Unterstützung von Strategieimplementierung
und Prozessverbesserungen sowie Organisationsentwicklung.
E-Mail:
Fachjournalist (DFJS) Dipl.-BW Alfred Biel
ist Autor, Interviewer und Rezensent verschiedener Medien.
Betriebswirtschaftlicher und journalistischer Abschluss. Reich-
haltige praktische Erfahrungen aus verantwortlichen Tätigkei-
ten in Rechnungswesen und Controlling, Projekt- und Metho-
denarbeit. Ehrenmitglied des Deutschen Fachjournalisten Ver-
bandes DFJV und des Internationalen Controller Vereins (ICV).
E-Mail:
Interview zum Thema: Unternehmenssteuerung mit Kennzahlen – eine „Dauerbaustelle“?