CONTROLLER Magazin 3/2016 - page 18

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Bei der nächsten Besprechung in Berlin, an der
auch der Patriarch teilnimmt, wird die festge-
fahrene Verhandlungssituation diskutiert. Es
kommt zu einer erneuten Auseinandersetzung
mit persönlichen Anschuldigungen zwischen
Dr. Augustin und de Vries. Dr. Hauser platzt der
Kragen. Er entscheidet, das Heft selbst in die
Hand zu nehmen und bittet de Vries, ein Treffen
mit dem indonesischen Eigentümer, Herrn At-
modarminto, in Jakarta zu arrangieren.
Das Meeting beginnt mit einem gemeinsamen
Abendessen im Hotel Indonesia. Die beiden al-
ten Männer verstehen sich prächtig, trinken
Tee, tauschen Geschäftsgeschenke und Fotos
über ihre Enkelkinder aus. Sie spielen am
nächsten Morgen Golf, rauchen ihre Kretek-Zi-
garetten und erzählen sich Erfolgsgeschichten
aus ihren Unternehmenswelten. Am Nachmit-
tag schauen sie sich gemeinsam die Firma und
die Produktion von Herrn Atmodarminto an.
Beide einigen sich auf einen Gegenbesuch in
Deutschland und darauf, dass sie das ur-
sprünglich angedachte Geschäft machen wol-
len, auch ohne detaillierten Vertrag, aber mit
einer 40%igen Anzahlung.
Es kommt zum Geschäftsabschluss, der für
beide Seiten gut abgewickelt wird. Herr Dr.
Hauser steht weiterhin in Kontakt mit Herrn At-
modarminto. Bei der nächsten Strategiesitzung
steht im Raum, ein gemeinsames Joint-Ven-
ture zu gründen, um den indonesischen Markt
zu bedienen. Der Patriarch, Dr. Augustin und
Sjaak de Vries sitzen gemeinsam am Bespre-
chungstisch. De Vries hat sich durchgerungen,
sich bei Dr. Augustin zu entschuldigen und
sagt: „In der Sache hatten Sie Recht, Dr. Au-
gustin. Ich entschuldige mich, ich habe einfach
unterschätzt, wie wichtig das Thema Sicher-
heit für Sie und unsere Firma ist. Wenn Sie es
etwas diplomatischer formuliert hätten, wäre
es niemals zu dieser Konfrontation gekom-
men.“ Herrn Dr. Augustin gelingt es, seine Re-
flexe zu kontrollieren, er geht auf diese Einla-
dung zum nächsten Konflikt nicht ein und sagt
gelassen: „Und ich, Herr de Vries, realisiere
jetzt, wie wichtig dieser erste Auftrag bei der
Fa. Hauser für Sie ist. Ich gratuliere Ihnen.“ Der
alte Patriarch stößt mit Wasser auf den ge-
meinsamen Erfolg an und denkt: „Donnerwet-
ter, der Dr. Augustin geht sehr souverän mit der
Situation um, de Vries wird ihm zukünftig aus
der Hand fressen. Ich habe einen kaufmänni-
schen Geschäftsführer mit einer hohen inter-
nen Verhandlungskompetenz. Und die interkul-
turelle Kompetenz hat er jetzt durch meine
Erfahrung hinzugewonnen.“
Interkulturelle
Verhandlungsanalyse
Obgleich die Verhandlungssituation relativ rati-
onal daherkommt, lohnt es sich, der interkultu-
rellen Komplexität auf den Grund zu gehen. In-
volviert sind hier die indonesische Kultur, die
niederländische und die deutsche, also in der
Diktion von Hofstede Vertreter des Familien-
modells, des Marktmodells und des Maschi-
nenmodells. Herr de Vries kommt mit dem
„Auftrag“ zurück, der ihm in seiner niedrigen
Unsicherheitsvermeidung keine Probleme be-
reitet. Das Marktmodell hat sich hier als kom-
patibel mit dem Familienmodell erwiesen. Al-
lerdings gibt es den ersten interkulturellen
Konflikt mit Dr. Augustin, der, der höheren Un-
sicherheitsvermeidungstendenz des Maschi-
nemodells folgend, mit dem „Auftrag“ wenig
anfangen kann. Der interkulturelle Konflikt zwi-
schen Dr. Augustin und Herrn Atmodarminto
muss wohl als klassisches Missverständnis
zwischen Maschinenmodell und Familienmo-
dell gewertet werden. Dr. Hauser wirkt als Ver-
mittler (vgl. Abbildung 2).
Zur besseren Verdeutlichung gehen wir
durch
7 Schlüssel für interkulturellen Verhand-
lungserfolg
. Diese Kernfragen sollen aufzei-
gen, wo unser jeweiliger Verhandlungspartner
steht, bzw. was ihm natürlicherweise wichtig
ist. Gibt es dort große Unterschiede, kann es zu
Konflikten kommen.
1.
Wahrnehmung von Verhandlungssitua-
tionen:
Wie werden Verhandlungen wahr-
genommen? Als „Gefeilsche“, wo es nur ei-
nen Gewinner geben kann oder als ein ge-
meinsamer Problemlösungsprozess? Die
deutsche Position und die indonesische
sind hier nach Erfahrung der Autoren dia-
metral entgegengesetzt.
Indonesien ori-
entiert sich am „Gefeilsche“, während
man in Deutschland einen Problemlö-
sungsprozess erwartet.
Deshalb ist Dr.
Augustin nach Jakarta geflogen, um eine
Lösung für sein unbefriedigtes Sicherheits-
bedürfnis zu erarbeiten. Dies wurde aller-
dings von der anderen Seite nicht als sol-
ches geschätzt. Dr. Hauser vermeidet diese
Verhandlungssituation am Anfang ganz.
2.
Hauptprobleme:
In welchen Bereichen
kommt es zu Störungen im Verhandlungs-
prozess? Streitet man sich eher über Inhalte
oder über Beziehungen und Status? Auch
hier stehen sich Indonesien und Deutschland
sehr unterschiedlich gegenüber mit einem
klaren Fokus des Deutschen auf Inhalte
,
während
die Beziehungsebene für Indo-
nesier im Grunde entscheidend
ist. Dr.
Augustin hat seine Zeit in Jakarta darauf
verwandt, um über die Sache zu reden, wäh-
rend Herr Atmodarminto vermutlich vor allem
Sorge um die wechselseitige Beziehung hat-
te. Diese Last wurde ihm von Dr. Hauser ge-
Controlling im interkulturellen Verhandlungstanz
Autoren
Prof. Dr. Avo Schönbohm
ist Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und
Controlling an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin.
E-Mail:
Jacobus van Vliet M. Sc.
ENS International – Negotiation Strategist
E-Mail:
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