CONTROLLER Magazin 3/2016 - page 12

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Rubrik „Unternehmenskultur als Gestaltungs-
und Wettbewerbsfaktor“. Hier wird dieses Buch
mit zwei weiteren Veröffentlichungen ausführ-
lich besprochen.
Biel:
Noch einmal nachgefragt. Nicht wenige
Fachleute halten die immateriellen Werte für
die „Sorgenkinder“ der BWL und der Bilanzen?
Wo stehen wir?
Dr. Schönborn:
Nun, es gibt einige Arbeiten
über die immateriellen Werte, Nonfinancials,
Intangible Assets oder wie auch immer sie ge-
nannt werden. Über lange Zeit waren sie die
„Sorgenkinder des Bilanzrechts“. Aber es wird
vielen in letzter Zeit klar,
dass wir umdenken
müssen
. Zu den wichtigsten immateriellen
Werten, die vernachlässigt werden, gehören
Marke, Kundenbeziehungen und Mitarbeiter.
Und: Neun von zehn Manager sind davon über-
zeugt, dass wir in Deutschland einen
Paradig-
menwechsel in der Führungskultur brau-
chen, um die Erfolgspotenziale zu nutzen
.
Dafür brauchen wir die Mitarbeiter. Noch ein
Nachsatz: Wer sich weiter informieren möchte,
findet z. B. beim Arbeitskreis für Immaterielle
Werte im Rechnungswesen (Schmalenbach
Gesellschaft) eine gute Basis für Literatur.
Biel:
Die meisten unserer Leser sind mitver-
antwortlich für den Erfolg ihrer Unternehmen.
Strategie und Unternehmensziele spielen dabei
eine wesentliche Rolle. Welchen Zusammen-
hang sehen Sie zwischen Kultur und Strategie
und Ziele?
Dr. Schönborn:
Wenn wir die gelebte Unter-
nehmenskultur als messbare Größe im Unter-
nehmen erkennen, deren Einzelaspekte und Di-
mensionen quantifizieren, dann wird wohl
schnell klar, dass mit dieser Grundlage Soll-/
Ist-Vergleiche erstellt werden können.
Die Un-
ternehmenskultur ist sozusagen der „Re-
sonanzboden“ der gelebten Wirklichkeit
des Unternehmens.
Es ist also nur ein kleiner
Schritt der Methodik, Strategien und Ziele auf
die Dimensionen zu übertragen, also zu fragen,
welche Kultur
in der Kundenbeziehung
brau-
chen wir
, um das strategische Ziel
Zukunft
zu
erfüllen? Welche Innovationskultur brauchen
wir, um die Strategie
Zukunft
zu erreichen?
Oder auch, welche Mitarbeiter mit welchen
Werte-Einstellungen brauchen wir, um die Stra-
tegie
Zukunft
zu erfüllen? Die Antworten geben
uns die Soll-Vorstellung der Kulturdimensionen,
die mit Ist-Profilen verglichen werden.
Biel:
Wenn wir zur Bedeutung und Wirkung der
Unternehmenskultur so klare und eindeutige
Aussagen treffen, dann fragt sich aber, warum
die Unternehmenskultur – zumindest in den
meisten betriebswirtschaftlichen Veröffent-
lichungen – eher ein Schattendasein führt und
in der Praxis vielfach als Problemthema wahr-
genommen wird. Welche Schwierigkeiten be-
obachten Sie?
Dr. Schönborn:
Die Verantwortung des Ma-
nagements für sein Handeln ist immer mit dem
wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens ver-
knüpft. Solange sich die Gültigkeit noch nicht
durchgesetzt hat, dass Unternehmenskultur ei-
nen Einfluss auf den Unternehmenserfolg hat,
sind Werte und Verhalten für Manager ein
sekundärer Faktor
. Kultur ist dem obersten
Unternehmensziel, der Maxime der Wirtschaft-
lichkeit untergeordnet. Im Zweifel sind die Maß-
nahme, das Projekt oder Verhalten, das kurz-
fristig der Wirtschaftlichkeit dient, eher legiti-
miert als die Erfüllung der Unternehmenswerte.
Biel:
Was sollte also getan werden?
Dr. Schönborn:
Für das Managen der Werte
brauchen wir die Managementinstrumente, die
für viele andere Managementaufgaben wie die
Entwicklung und Einführung eines Produktes,
die Planung und Umsetzung von Marketing-
maßnahmen etc. auch vorhanden sind.
Es
muss eine Methodik des Wertemanage-
ments entstehen
, das die betriebswirtschaft-
lichen Voraussetzungen erfüllt.
Biel:
Wir haben viel über Erfolgsfaktoren und
Unternehmenserfolg gesprochen. Lassen Sie
bitte abschließend fragen, was bedeutet dies
speziell für Controller? Was raten Sie ihnen in
Bezug auf Planung, Information, Kontrolle usw.,
um unter kulturellen Aspekten ihre Arbeit und
ihre Wirksamkeit zu optimieren?
Dr. Schönborn:
Wir erleben zurzeit einen ra-
dikalen Wandel von nationalen Industriegesell-
schaften zur globalen Wissens- und Informati-
onsgesellschaft. Die Produktionsfaktoren Ar-
beit, Kapital und Boden rücken in den Hinter-
grund.
Informationen und Wissen, Werte
und sozioökonomische Beziehungen rü-
cken stärker
in den Vordergrund
. Sie sind
es, die in Zukunft als Produktionsfaktoren
wichtiger sein werden als materielle Bilanz-
werte wie Immobilien, Anlagen oder Vorräte.
Mit diesem Wandel werden sich Strategien
und Management ändern.
Personalkosten
mit Wertebetrachtungen als Investitionen
zu sehen, ist die Herausforderung.
Das
wird umso wichtiger, weil die Gesellschaft
durch demografische Veränderungen altert
und der Personalmarkt zu einem Angebots-
markt mutiert ist.
Biel:
Das heißt also: Controller sollten sich ein
Stück weit neu orientieren?
Dr. Schönborn:
Controller sollten neben
dem bislang maßgeblichen Kompass der
ökonomischen Profitabilität sich zusätzli-
chen auch an Wertmaßstäben orientieren.
Die Beurteilung eines Wertekapitals der Unter-
nehmen verlangt ja nicht Werte, Ethik oder Mo-
ral als Ersatz für wirtschaftliches Handeln. Wer-
tekapital zusätzlich als Maßstab aufzunehmen
ist vielmehr eine Auffassung von Vernunft des
Handelns in der Führung. Die Verantwortung
der Controller besteht doch darin, die Instru-
mente zur Messung und Beurteilung zusätz-
licher Erfolgsfaktoren, und damit diese Verant-
wortung anzunehmen. Das ist der Moment der
Controller, oder besser: Er könnte es sein.
Biel:
Besten Dank, Herr Dr. Schönborn, dass
Sie sich für dieses Interview zur Verfügung
gestellt haben. Dank und Respekt für Ihren
bemerkenswerten Input. Anerkennung auch
für die überaus angenehme sowie einfache
und glatte Zusammenarbeit. Da wir den uns
bereitgestellten Raum voll ausgeschöpft ha-
ben, anstelle einer Zusammenfassung zwei
Zitate (entnommen: Hans H. Hinterhuber:
Neue Zitate für Manager. Frankfurter Allge-
meine Buch, 2015):
·
„Die Werte des Unternehmens – wofür es
steht, an was die Mitarbeiter glauben – ent-
scheiden über seinen Erfolg.
Werte treiben
das Geschäft
“ (Robert Haas, früherer CEO
von Levi Strauss).
·
„Die Unternehmenskultur ist unser
wich-
tigster Wettbewerbsvorteil
.“ (Jeffrey R.
Immelt, CEO von General Electric).
Interview zum Thema: Unternehmenskultur – Sozialromantik oder betriebsw. Erfolgsfaktor?
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