personalmagazin 10/2018 - page 80

Quote muss der Unternehmer also erfüllen? Ein Mitarbeiter
mehr oder weniger kann darüber entscheiden, ob ein Teilzeit-
anspruch zu gewähren ist oder nicht. All das ist stichtagsgenau
im Einzelfall zu ermitteln, was jedoch mit nicht unerheblichem
Verwaltungsaufwand für Arbeitgeber verbunden ist.
Zudem besteht – wie bereits angesprochen – eine Unwucht
des Gesetzes, da der Arbeitgeber, der sich nicht auf Rechtsstrei-
tigkeiten einlassen will und von sich aus um eine vernünftige
Personalpolitik bemüht ist, letztlich benachteiligt wird. Denn
ob bereits einer ausreichenden Anzahl an Mitarbeitern der An-
spruch auf Brückenteilzeit gewährt wurde, bestimmt sich ledig-
lich nach den Arbeitnehmern, die einen entsprechenden Antrag
gestellt haben, der vom Arbeitgeber erfüllt wurde. Nur diese Fälle
können Unternehmen für den momentan vorgesehenen Schutz
vor Überforderung einbringen. Nicht für die Quote anzurechnen
sind jedoch die Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber freiwillig
eine befristete Teilzeit gewährt hat. Es bleibt zu hoffen, dass das
Gesetz in diesem Punkt noch nachgebessert wird.
Sie sprechen die Quote in den Unternehmen mit 46 bis 200
Mitarbeitern an. Angenommen, es gibt zu viele Arbeitneh-
mer, die einen Antrag auf Brückenteilzeit stellen: Nach wel-
chen Kriterien müssen Arbeitgeber eine Auswahl treffen?
Das lässt der Gesetzgeber offen. Ist es der alte Rechtsgrund-
satz des Mühlenrechts „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ oder
ist es eine Art Sozialauswahl? Und: Kann der Arbeitgeber über
das Verfahren frei entscheiden? Das sind Punkte, die letztlich
nicht vom Gesetzgeber vorgegeben sind. Man wird aber wohl
dazu tendieren können, dass das Zeitprinzip ausschlaggebend
ist. Ganz sicher ist das jedoch nicht.
Was ist die Folge einer falschen Auswahlentscheidung?
Der Arbeitnehmer, der den Zuschlag nicht bekommen hat,
kann einen befristeten Teilzeitanspruch einklagen. Wie bei je-
dem Fehler gilt also: Der Anspruch bleibt bestehen und wird ge-
gebenenfalls gerichtlich geltend gemacht. Der andere Mitarbeiter
behält seinen Anspruch jedoch auch, denn der wurde ihm ja
gewährt. Insofern ist eine genaue Prüfung des Arbeitgebers, der
seine Befristungen gering halten möchte, immer erforderlich.
Auch über diese Folge werden sich Arbeitgeber kaum freuen.
Das mag sein. Die Situation ist aber gerade deshalb misslich,
da der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung auch
das wichtige Anliegen der Familienförderung verfolgt. Ich glau-
be auch, dass sich da viele Arbeitgeber weniger sperrig zeigen.
Sie wissen, dass sie zum Beispiel auf gut qualifizierte weibliche
Arbeitnehmer angewiesen sind. Letztlich ist es auch eine Frage
der Gerechtigkeit des Zugangs zum Arbeitsmarkt, gerade im Zu-
sammenhang mit Frauen. Wenn es also darum geht, die faktische
Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt zu beseitigen,
halte ich daher ein solches Gesetz für sehr viel wichtiger als zum
Beispiel ein Entgelttransparenzgesetz. Insofern ist die Intention
des Gesetzes und der grundsätzliche Ansatz zu begrüßen und
auch für die Wirtschaft hinnehmbar. Das Problem ist jedoch: Das
Gesetz knüpft ja beim Teilzeitwunsch gar nicht an gesamtgesell-
schaftlich wertvolle Motive, wie etwa die Erziehung von Kindern
oder die Pflege von Angehörigen, an. Vielmehr ist es irrelevant,
ob ich während der mit der Brückenteilzeit gewonnenen Frei-
zeit meine Familie unterstützen oder mein Golf-Handicap ver-
bessern will. Das wiederum kann nicht richtig sein, man muss
da differenzieren. Ein solch schwerwiegender Eingriff in den
bestehenden Vertrag kann meines Erachtens nur dann gerecht-
fertigt sein, wenn gesellschaftlich anerkennenswerte Motive
hinter dem Verlangen stehen.
Bereits heute bestehen nach einem Wechsel von Voll- zu
Teilzeit einige Fragen zumUrlaubsanspruch. Diese dürften
sich durch einen Anspruch auf Brückenteilzeit eher häufiger
stellen. Müsste hier nicht einiges gesetzlich geregelt werden?
Eine gesetzliche Regelung wäre sicherlich hilfreich und nichts
hindert den Gesetzgeber daran, seine Vorstellungen von der The-
matik in das Gesetz zu schreiben. Er kann ja durchaus Handrei-
chungen geben, wenn er die Gerichte vor allzu großer Kreativität
bewahren will. Ich glaube jedoch auch, dass die Rechtsprechung
in ihren bisherigen Judikaten schon Hinweise gegeben hat, wie
ein Urlaubsanspruch wohl richtig zu berechnen ist: eine gemin-
derte Arbeitsleistung muss letztlich auch zu einem geminderten
Urlaubsanspruch führen. Aber beimWechsel – nach einer befris-
teten Teilzeit zurück auf Vollzeit – innerhalb des Kalenderjahrs
beginnen die trickreichen Fragen. Zum Beispiel, ob durch den
Teilzeiturlaubsanspruch auch ein Vollzeit-Arbeitstag als Urlaub
erarbeitet wurde? Das kann man vertreten, muss es aber nicht.
Jedoch: Auch wenn diese Fragen durch den befristeten Teil-
zeitanspruch virulenter werden, halte ich sie letztlich nicht für
Es ist laut Gesetz
irrelevant, ob ich
die gewonnene
Freizeit für die
Familie oder
für ein besseres
Golf-Handicap
aufwenden will.
Das kann nicht
richtig sein.
HR-Management
personalmagazin 10.18
80
1...,70,71,72,73,74,75,76,77,78,79 81,82,83,84,85,86,87,88,89,90,...100
Powered by FlippingBook